Auch in Deutschland? Ein Kopftuchverbot an Grundschulen gibt es schon in Österreich. (Bild: imago images/Becker&Bredel)
Schule

Kopftücher bei Kindern verbieten?

Nach dem österreichischen Beschluss, Kopftücher an Grundschulen zu verbieten, wächst auch in der deutschen Politik die Zustimmung zu einem derartigen Verbot. Auch eine deutliche Mehrheit der Deutschen sieht das so.

In CDU und CSU erhalten die Bestrebungen, wie in Österreich in Grundschulen das Tragen von Kopftüchern zu verbieten, immer mehr Zuspruch. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat jetzt im Bremer Landtagswahlkampf die Debatte über ein solches Verbot erneut als notwendig bezeichnet. „Wir stellen in den letzten Jahren fest, dass es zunehmend kleine Mädchen gibt, die schon im Kindergarten ein Kopftuch tragen“, sagte die Christdemokratin. „Durch das Kopftuch werden die Kinder von Gleichaltrigen getrennt, es behindert sie beim Spielen, beim Schwimmenlernen.“

Kopftücher im Kindergarten oder in der Grundschule haben mit Religion oder Religionsfreiheit nichts zu tun.

Annegret Kramp-Karrenbauer

Kramp-Karrenbauer hatte das bereits am Wochenende den Zeitungen der Funke-Mediengruppe so erklärt: „Kopftücher im Kindergarten oder in der Grundschule haben mit Religion oder Religionsfreiheit nichts zu tun, das sehen auch viele Muslime so.“

Rechtliche Prüfung

Mehrere Unionspolitiker lassen derzeit die juristischen Chancen für ein Kopftuchverbot prüfen. Man wolle das Problem auf Bundesebene angehen, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des stellvertretenden Unionsfraktionschefs Carsten Linnemann (CDU), des für Religion zuständigen CDU-Politikers Christoph de Vries und des ehemaligen bayerischen Justizministers Winfried Bausback (CSU). Auf Länderebene seien Versuche, ein solches Verbot durchzusetzen, bislang ohne Ergebnis geblieben.

„Ich fordere ein Bundesgesetz, um sicherzustellen, dass junge Mädchen in unseren Bildungseinrichtungen frei und unbeschwert aufwachsen können“, sagte Linnemann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Die nötigen juristischen Prüfungen sollten wir jetzt schnell vorantreiben.“ Der CDU-Abgeordnete fügte hinzu: „Wenn die politische Mitte sich dieses Themas nicht annimmt, tun es andere.“

Wenn die politische Mitte sich dieses Themas nicht annimmt, tun es andere.

Carsten Linnemann

Ansetzen könnte man nach Bausbacks Angaben beim „Gesetz über die religiöse Kindeserziehung“, das die Beziehungen von Eltern und Kindern in Religionsfragen regelt. Darin könne man festlegen, dass Kopftücher für Mädchen unter 14 Jahren in der Schule und in der Kita künftig nicht mehr erlaubt sind. Dem BAYERNKURIER sagte Bausback: „Gerade bei unter 14-jährigen Mädchen ist das Kopftuch ein Erziehungsmittel hin zu einer Unterordnung im Geschlechterverhältnis. In diesem Alter kann es nicht Ausdruck einer eigenen religiösen Überzeugung sein.“

Mit einem Gesetz könne man Druck in diesem schulischen Bereich auf andere Mädchen verhindern. Der Landtagsabgeordnete und Jurist warnte: „Dem Staat, der von Verfassung wegen auf eine echte Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Gesellschaft hinwirken soll, wie es in Artikel 3 Grundgesetz steht, kann dies nicht gleichgültig sein.“ Bausback mahnte: „Dies ist meiner Meinung nach zeitnah zu prüfen und zu diskutieren.“

Gerade bei unter 14-jährigen Mädchen ist das Kopftuch ein Erziehungsmittel hin zu einer Unterordnung im Geschlechterverhältnis.

Winfried Bausback

Die Unionspolitiker unterstrichen, die Debatte über ein Kopftuchverbot sei angesichts „zunehmender Hilferufe aus der Lehrerschaft“ dringend erforderlich. In einzelnen Brennpunktschulen in Großstädten gingen laut Linnemann bis zu 40 Prozent der jungen Mädchen mit Kopftuch in die Schule. „Das ist nicht hinzunehmen. Es gibt zwar ein Elternrecht, aber auch eine Schutzpflicht des Staates gegenüber Minderjährigen.“

Mehrheit für Verbot

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), plädierte in der Bild-Zeitung ebenfalls dafür, ein Verbot zumindest rechtlich prüfen zu lassen. Es sei absurd, dass kleine Mädchen Kopftuch tragen. „Das sehen auch die meisten Muslime so. Alle Maßnahmen, die Mädchen davor schützen – vom Elterngespräch bis zum Verbot – sollten geprüft und angegangen werden“, so Widmann-Mauz.

Auch eine Mehrheit der Bevölkerung hierzulande befürwortet, dass muslimischen Mädchen an Grundschulen das Tragen von Kopftüchern verboten wird. Für ein solches Gesetz sprechen sich in einer aktuellen Umfrage des Instituts YouGov 57 Prozent aus. Von den Wählern der CDU sind es sogar 61 Prozent, von der FDP 64 Prozent und von der AfD 90 Prozent, die ein solches Verbot gut fänden.

Auch unter Lehrern gibt es Zustimmung. „Kopftücher in der Schule sind integrationsfeindlich, weil sie bereits in Kindergärten und Grundschulen zur äußerlichen Abgrenzung beitragen“, betonte Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Er vermutet, dass von den Eltern schon auf kleine Kinder Druck ausgeübt werde, das Kopftuch zu tragen, und befürwortet daher ein Verbot.

Schwierig umzusetzen

Die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) sieht allerdings Schwierigkeiten, ein Kopftuchverbot in der Praxis durchzusetzen – wegen der Schulpflicht. Man könne ja die Kinder nicht einfach vom Unterricht ausschließen. „Wenn sich Eltern auf die Freiheit der Religionsausübung berufen, hat unser Rechtsstaat wenig Handlungsmöglichkeiten“, meinte auch der Präsident der Kultusministerkonferenz und hessische Ressortchef, Alexander Lorz (CDU).

Strittige Rechtslage

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kam in einer Einschätzung von 2017 zu dem Ergebnis, dass ein Kopftuchverbot für Schülerinnen verfassungsrechtlich „wohl nicht zulässig“ wäre und bezog sich dabei unter anderem auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Lehrerinnen mit Kopftuch.

Allerdings gab es auch schon mehrere Urteile, die ein generelles Verbot aller religiösen Kleidungsstücke und Symbole für zulässig erachten, etwa an Gerichten (Bayerischer Verfassungsgerichtshof 2019) oder am Arbeitsplatz (Europäischer Gerichtshof 2017). Mehrere Bundesländer, darunter Bayern, haben zudem Kopftuchverbote für ihre Lehrer erlassen, die nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes 2015 jedoch modifiziert werden mussten. Danach muss von den Kopftüchern eine „hinreichend konkrete Gefahr“ für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität ausgehen.

Beamten ist es bundesweit untersagt, ihr Gesicht im Dienst zu verhüllen – es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern das. Beim Autofahren sind Gesichtsschleier seit 2017 verboten.

Für die Gleichheit

Die Debatte ist nicht neu. Nordrhein-Westfalen hatte vor einem Jahr angekündigt, ein Kopftuchverbot für junge Mädchen zu prüfen. In Deutschland tritt laut Gesetz mit dem 14. Geburtstag die sogenannte Religionsmündigkeit ein. Vorher können Mädchen nicht selbstbestimmt entscheiden, ob sie das Kopftuch tragen wollen.

Die Kulturwissenschaftlerin Naïla Chikhi von der der Frauenrechtsorganisation „Terre des Femmes“ stellte 2018 in Berlin klar: Die islamische Verschleierung inklusive Kopftücher sei „eine Brandmarkung“ und „frauendiskriminierend“. „Die Schule ist kein Ort der Bekehrung. Nein, sie ist ein neutraler Schutzraum.“

Österreich

Ausgelöst wurde die Debatte durch den Beschluss Österreichs, ein Kopftuchverbot in der Grundschule einzuführen. Mit der Entscheidung wird künftig „das Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung, mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist“, untersagt. Ausgenommen sind Verbände aus medizinischen Gründen oder Kopfbedeckungen als Schutz vor Regen oder Schnee. Die jüdische Kippa etwa bleibt erlaubt, da sich das Verbot auf Kleidungsstücke bezieht, „welche das gesamte Haupthaar oder große Teile dessen verhüllen“. Das Verbot gilt bis zum Ende des Schuljahres, in dem die Mädchen zehn Jahre alt werden. Bei Nichteinhaltung droht den Eltern eine Geldstrafe von bis zu 440 Euro oder eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen.