SPD-Wahlgeschenke durch Griff in die Rentenreserve? (Bild: imago images/Steinach)
Grundrente

Will die SPD die Rentenkasse plündern?

Soziale Wohltaten erfreuen die Wähler – bis sie merken, dass sie diese als Steuerzahler auch bezahlen müssen. Um ihre teuren Grundrenten-Pläne zu finanzieren, möchte die SPD nun offenbar auf die Renten-Rücklage zugreifen.

Zur Finanzierung der geplanten Grundrente wollen Finanzminister Olaf Scholz und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) nach einem Bericht der Bild-Zeitung auf die Renten-Rücklage zurückgreifen. In dem Topf liegen derzeit rund 38 Milliarden Euro.

Streit um die Bedürftigkeit

Von der Grundrente sollen laut Heil drei bis vier Millionen Menschen profitieren und sie soll rund fünf Milliarden Euro im Jahr kosten. Einig sind sich die Koalitionsparteien hier aber nur beim Ziel: Wer bei niedrigem Verdienst mindestens 35 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat oder entsprechende Zeiten der Pflege und Kindererziehung vorweisen kann, soll ein Alterseinkommen über dem Sozialhilfeniveau erhalten.

Die SPD pocht allerdings auf eine Lösung ohne Prüfung der Bedürftigkeit – die Union will diese Prüfung, gerade angesichts der neuen Steuerschätzungen, die sinkende Einnahmen prognostizieren. Bund, Länder und Kommunen müssen bis 2023 mit 124,3 Milliarden Euro weniger auskommen als noch im November erwartet.

Finanz-Tricks der SPD

Anfang des Jahres hatte Heil noch als Ziel genannt, die Grundrente aus Steuermitteln zu finanzieren. Der Minister wollte im Mai einen Gesetzentwurf dazu vorlegen. Die Steuerschätzungen haben dieses Ziel anscheinend beerdigt.

Die SPD plant eine Plünderung der Rentenkasse für Ausgaben mit der Gießkanne.

Markus Blume, CSU-Generalsekretär

Jetzt könnten die Finanzierungsideen über den Rücklagenzugriff zu neuem Streit führen – sofern der Bild-Bericht zutreffend ist. Die beiden beteiligten Ministerien wollten sich zwar zu der Berichterstattung am Samstag unter Verweis auf die laufenden Gespräche zwischen beiden Häusern nicht äußern. Und die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, erklärte: „Gegner der Grundrente versuchen mit Falschmeldungen und Behauptungen, diese wichtige Sozialreform zu stoppen. Das wird ihnen aber nicht gelingen.“ Bereits am Donnerstag wurde jedoch in den Medien berichtet, dass Scholz und Heil die Grundrente voraussichtlich nicht nur aus Steuermitteln finanzieren, sondern auf bestehende Beitragsmittel aus Kranken- und Arbeitslosenversicherung zurückgreifen wollen.

Kein Griff in die Sozialkassen

CSU-Generalsekretär Markus Blume hat die SPD-Pläne scharf zurückgewiesen. „Die SPD plant eine Plünderung der Rentenkasse für Ausgaben mit der Gießkanne – das ist mit der CSU nicht zu machen.“ Blume weiter: „Für uns ist klar: Eine Grundrente muss finanzierbar und gerecht sein und den wirklich Bedürftigen helfen.“

Mit anderer Leute Geld eine Runde zu schmeißen, war noch nie seriös!

Hermann Gröhe, CDU

Auch die CDU lehnt die Finanzierung aus Sozialkassen ab. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer warnt: „Die SPD will augenscheinlich insbesondere in die Rücklagen für schlechte Zeiten greifen: Ich halte das für unverantwortlich.“ Die CDU-Chefin betont: „Das ist kein seriöser Weg, um eine Grundrente zu finanzieren.“ Die SPD könne offensichtlich ihre erklärte Absicht, die Grundrente aus Steuern zu finanzieren, „zumindest in Teilen nicht einhalten“.

Wer in die Krankenkassen und Arbeitslosenversicherung für eine Grundrente greift, begeht nichts anderes als Diebstahl.

Tilman Kuban, CDU

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nannte das Vorhaben gegenüber der Bild „ungerecht und unsolidarisch“ und CDU-Sozialexperte Hermann Gröhe sagte: „Mit anderer Leute Geld eine Runde zu schmeißen, war noch nie seriös!“ Eine Grundrente „nach dem Prinzip ‚Gießkanne‘ ist ein milliardenschwerer Verstoß gegen den Koalitionsvertrag“.

Der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, kritisierte im Handelsblatt, Finanzminister Scholz und Sozialminister Heil versuchten „in einem dubiosen Verfahren eine Grundrente zu entwickeln, die wir uns nicht leisten können“. Die sinkenden Steuereinnahmen müssten ein Stoppsignal sein: „Es gibt keinen Spielraum für weitere Rentengeschenke.“ Die SPD-Finanzierungspläne seien falsch: „Wer in die Krankenkassen und Arbeitslosenversicherung für eine Grundrente greift, begeht nichts anderes als Diebstahl und spaltet jung und alt – anders kann man diese Zweckentfremdung von Mitteln nicht nennen“, so Kuban.

Puffer für schlechte Zeiten

Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, warf der SPD einen Bruch ihrer eigenen alten Grundsätze vor. „Denn die Grundrente, wie sie auch immer gestaltet ist, bleibt eine klassische Sozialleistung, die unter die Kategorie der versicherungsfremden Leistungen aus dem Staatshaushalt zu finanzieren ist und nicht nur durch die Beitragszahler.“ Jetzt die Rücklagen der Sozialkassen mit Verpflichtungen für eine dauerhafte Leistung aufzulösen, sei unverantwortlich. „Immerhin wurde dieser Puffer – in der Rentenversicherung sind die 38 Milliarden Euro knapp zwei Monate Beitragsausgaben und bei den Krankenkassen mit 21 Milliarden ein Monat Beitragsausgaben – in der Hochkonjunktur für schlechtere Zeiten angelegt.“

Man verspiele „im Moment die Zukunft unseres Landes, wenn wir so weiter machen. Die Rentendebatte ist nur ein Beispiel. Das ist bitter“, kritisiert auch Carsten Linnemann (CDU), stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag und Chef der Mittelstandsvereinigung (MIT). Der Focus kommentierte, das SPD-Modell sei „schlicht unfair“ und „unsozial“. Es führe nämlich dazu, „dass nicht etwa alle Steuerzahler – also auch Beamte und Selbständige – diesen sozialen Ausgleich zahlen, sondern nur abhängig Beschäftigte“.