Startschuss in Münster: Manfred Weber (M.), Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder. (Foto: imago images/Sven Simon)
CDU/CSU

Europa Orientierung geben

Mit einer gemeinsamen Eröffnungsveranstaltung in Münster starten CDU und CSU offiziell die "heiße" Phase ihres Wahlkampfes zur Europawahl. Spaltung oder Zusammenhalt, vor dieser Wahl stehe Europa, so EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber.

Wahlkampfauftakt zur Europawahl: Auf der Veranstaltung in Münster sprachen die Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Markus Söder (CSU). Hauptredner war jedoch der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei für die Europawahl, Manfred Weber (CSU). Der CSU-Politiker, der Nachfolger von EU-Kommissions-Chef Jean-Claude Juncker werden will, hatte bereits am Dienstag beim offiziellen EVP-Wahlkampfauftakt sein Zehn-Punkte-Wahlprogramm bekanntgegeben. Für die Wahl am 26. Mai treten auch CDU und CSU erstmals mit einem gemeinsamen Programm an.

Gemeinsam stark

In der Halle Münsterland wurden rund 2000 Gäste erwartet, darunter viel Polit-Prominenz aus Berlin, München und Brüssel. Die Generalsekretäre der beiden Parteien zeigten sich in Münster erleichtert, dass die Streitigkeiten der vergangenen Jahre überwunden seien. „Es fühlt sich verdammt gut an, dass CDU und CSU wieder gemeinsam unterwegs sind“, sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume. Sein CDU-Kollege Paul Ziemiak sprach von einem „starken Zeichen“.

Viele arbeiten oder leben an der Grenze, die sie gar nicht mehr merken. Leben über Grenzen.

Armin Laschet

Danach gab es zunächst eine Gesprächsrunde, eröffnet mit der passenden musikalischen Untermalung durch den Song „We are familiy“. Mit dabei waren Kramp-Karrenbauer und Markus Söder sowie der nordrhein-westfälische CDU-Chef und Gastgeber Armin Laschet. Der sagte unter lautem Beifall: „Dieses schöne Europa, an dem es durchaus einiges zu meckern, einiges zu verbessern gibt, haben wir seit 70 Jahren aufgebaut. Es sichert Frieden, Wohlstand, Freiheit. Und das lassen wir uns von den Populisten nicht kaputt machen!“ Dazu schilderten einige junge Münsteraner ihre Erlebnisse mit Europa, eine Interrail-Reise, eine Ausbildung im Ausland. „Es hat fast nie etwas ausgemacht, aus welchem Land man kommt. Man fühlt sich als Europäer“, so eine junge Frau.

Frieden ist für mich ganz persönlich immer noch ein Wunder.

Annegret Kramp-Karrenbauer

Kramp-Karrenbauer und Söder, das machten beide deutlich, ziehen als „überzeugte Europäer“ in die Wahl. Die CDU-Chefin bezeichnete die EU als „Friedensprojekt“, das es gegen erstarkende autoritäre Vorstellungen in der Welt zu verteidigen gelte. Sie erinnerte an die Generation ihrer Eltern, für die Calais nicht ein Urlaubsort war, sondern Kampfplatz der Soldaten im Zweiten Weltkrieg. Freiheit als Standard für alle Staaten und alle Menschen – Kramp-Karrenbauer nannte als Gegenbeispiel die Verhältnisse in China. „Wenn wir Ermutigung finden und unseren europäischen Weg weiter gehen, wird auch die nächste Generation in Frieden leben!“ Dafür müsse man mit Manfred Weber um jede Stimme kämpfen. „Wir alle gemeinsam gehören zu Europa. Das ist die Botschaft, die wir von hier aussenden“, sagte sie vor jubelnden Unions-Anhängern.

Besonders jetzt ist es wichtig, die Gemeinsamkeiten Europas herauszustellen.

Markus Söder

Auch CSU-Chef Markus Söder legte in Münster für seine Partei ein klares Bekenntnis zu Europa ab. Der Europakurs der Christsozialen sei wichtig in einer Zeit, in der es viele Versuche gebe, „dieses Europa zu spalten und kaputtzumachen“. Besonders jetzt sei es wichtig, „die Gemeinsamkeiten Europas herauszustellen. Die Angriffe von rechts und links sind abzuwehren.“ Der CSU-Chef sprach auch über Wohlstand, von den Herausforderungen etwa durch die von China vorangetriebene Seidenstraße. Im Verhältnis zu den Grünen, die laut Söder von „Medien quasi in den Heiligenstatus geschrieben werden“, setze die Union in der Wirtschaftspolitik nicht auf Verbote, sondern auf Innovationen. „Verbote führen vielleicht dazu, den Status quo zu halten. Aber Anreize und Innovationen gestalten die Welt von morgen. Das ist der Unterschied zu den Grünen!“

Diesen Tenor griff dann der Hauptredner, EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber auf. Er erinnerte an die „überzeugten Europäer“ de Gaulle, Adenauer und Strauß, an Waigel und Kohl. „Wir müssen die Zukunft vom Bürger her denken“, erklärte er dann sein Konzept für die EU von morgen. Dazu setzt er auf drei Säulen.

Sicherheit innen und außen

Der erste Schwerpunkt: Mehr Sicherheit im Inneren und Äußeren. „Einer der Terroristen von Brüssel wurde auf der Flucht in Österreich kontrolliert, aber wegen fehlender gemeinsamer Daten nicht festgenommen“, berichtete Weber. Das soll sich ändern. „Wir wollen bestmögliche Sicherheit, wir werden Datenbestände zusammenführen. Dafür brauchen wir auch ein europäisches FBI.“

Der Staat entscheidet, wer reinkommt, und nicht die Schlepperbanden.

Manfred Weber

Auch an den EU-Außengrenzen will er „Recht und Ordnung durchsetzen“. Die EU müsse deshalb „viel schneller“ werden beim Aufbau einer eigenen Grenzsicherung durch Frontex. Bis 2022 will Weber die Aufstockung auf 10.000 Beamte abschließen, nicht bis 2027, wie die EU beschlossen hatte. „Der Staat entscheidet, wer reinkommt, und nicht die Schlepperbanden“, sagte der CSU-Politiker. Die Unionsparteien würden aber weiter auch einen „humanitären Ansatz in der Flüchtlingspolitik verfolgen“.

Wirtschaft und Wohlstand

Als zweiten Schwerpunkt nannte Weber Wirtschaft und Wohlstand. Hierfür brauche es unter anderem weniger Bürokratie: 1000 alte Gesetze will er auf den Prüfstand stellen und streichen, so sein Versprechen. Und: „Wir müssen weiter an der Spitze von Forschung und Entwicklung stehen.“ So will Weber für die Krebsforschung alle EU-Mittel bündeln, „um diese schreckliche Krankheit zu stoppen und vielleicht sogar zu heilen“.

Chinesischen Dominanzansprüchen in der Handelspolitik kündigte er Widerstand an: „Chinesische Firmen können europäische Firmen zu 100 Prozent kaufen, aber europäische Firmen können chinesische Betriebe nur zu 49 Prozent kaufen, weil sie sich angeblich schützen müssen.“ Das müsse sich ändern. Kinderarbeit will der EVP-Spitzenkandidat in Handelsverträgen untersagen. Weber setzt auf Innovation und Fortschritt. Seine Botschaft für die Wirtschaft: „Wir sollten optimistisch und chancenorientiert über Zukunft reden, nicht nur verbotsorientiert, pessimistisch und angstmachend wie die Grünen.“

Finalität und Werte

Als dritten Punkt nannte er die Finalität und die Werte der EU. Weber erinnerte an den kürzlichen Brand der Pariser Kirche „Notre Dame“: „Ich habe eine Beschädigung meiner Identität gefühlt. Sie ist nicht nur eine französische Kirche, sie ein Symbol dafür, dass wir Europäer auf gemeinsamen Werten beruhen!“ Zwei Drittel der Europäer seien Mitglied einer der christlichen Kirchen. „Wir sind stolz, dass dieser Kontinent christlich geprägt ist. Wir bekennen uns zu diesem Erbe“, betonte der Niederbayer.

Wir sind stolz, dass dieser Kontinent christlich geprägt ist. Wir bekennen uns zu diesem Erbe.

Manfred Weber

„Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Unabhängigkeit der Justiz, die soziale Marktwirtschaft und die Freiheit von Rede, Medien und Religion, das ist der European Way of life“, beschrieb Weber Europas gemeinsame Wertvorstellungen. „Die nächsten Jahre werden entscheiden, ob wir ihn für uns bewahren können.“ Das gelinge nur gemeinsam. „Ja, Europa ist unter Druck, es ist in der Defensive. Früher haben wir Europa als Gewinn gesehen, heute wird es als Verlust empfunden. Jetzt kommt es wieder auf die Union an, dass wir wieder Orientierung geben können, dass wir Europa führen können.“ Die bevorstehende Europawahl entscheide darüber, ob „wir rauskommen aus der Defensive“.

Die EU könne nicht unbegrenzt erweitert werden, dies müsse endlich verbindlich festgelegt werden. „Ich glaube, dass die Türkei nicht Mitglied der EU werden kann“, bekräftigte Weber. Und auch er warnte vor den Spaltern: „In vielen Staaten der EU ist die Frage, die eigentlich beantwortet war, wieder zurück: Spaltung oder Zusammenhalt. Wir müssen diese Frage beantworten!“ sagte er unter lautem Beifall. „Und wir haben die richtige Antwort!“ Für ihn gehörten, wie schon für Franz Josef Strauß, europäische, deutsche und bayerische Identität zusammen.

Zum Abschluss der Versammlung starteten die Parteichefs und der Spitzenkandidat symbolisch den Wahlkampf-Countdown zur Europawahl, passend untermalt von der Europahymne „Ode an die Freude“ aus der neunten Sinfonie Ludwig van Beethovens. Ein deutscher Komponist, der lange im damaligen Vielvölkerstaat Österreich arbeitete.