Unerwünscht: Droht Deutschland die Rückkehr von Verbrechern des so genannten Islamischen Staates? (Bild: Imago/Wuest/Eibner-Pressefoto)
Extremismus

Kein Weg zurück für Dschihadisten

Die Forderung von US-Präsident Donald Trump, in Syrien gefangene IS-Kämpfer in ihr Heimatland zurückzubringen, stößt in Deutschland auf Kritik. Diskutiert wird über die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft für Dschihadisten.

In der Debatte um eine Rückholung von inhaftierten IS-Anhängern hat Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) Verzögerung vorgeworfen. Barleys Ministerium habe einen vom Innenministerium vorgelegten Gesetzentwurf zur Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft bei Dschihadisten mit Doppelstaatsbürgerschaft bisher offenbar nicht bearbeitet, sagte Dobrindt. Dies müsse nun umgehend geschehen. „Jede weitere Verschleppung durch das Justizministerium wäre höchst fahrlässig.“

Passentzug für IS-Kämpfer?

Im Koalitionsvertrag sei vereinbart, dass Dschihadisten – wie etwa IS-Anhängern – mit Doppelstaatsangehörigkeit die deutsche entzogen werden könne, sagte Dobrindt. In jedem Einzelfall müsse geprüft werden, ob die deutsche Staatsbürgerschaft rechtmäßig erworben worden sei. Wer als IS-Kämpfer in den Dschihad, den „Heiligen Krieg“, gezogen sei, habe mehr als deutlich gezeigt, dass er mit dem deutschen Rechtsstaat nichts mehr zu tun habe. In diesem Zusammenhang werde die Bedeutung des entsprechenden Gesetzentwurfs im Justizministerium nicht richtig eingeschätzt.

Grundsätzlich gelte: Wer deutscher Staatsbürger sei, müsse vom deutschen Staat auch zurückgenommen werden, sagte Dobrindt. Es müsse jedoch sichergestellt werden, dass IS-Anhänger bei einer Rückkehr nach Deutschland einem Gerichtsverfahren zugeführt werden könnten. Die IS-Anhänger dürften die Sicherheit in Deutschland nicht gefährden.

Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verwies auf den Koalitionsvertrag: „Deutsche, die eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, sollen die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren, wenn ihnen die konkrete Beteiligung an Kampfhandlungen einer Terrormiliz im Ausland nachgewiesen werden kann.“

Gefährliche Rückkehrer

Wie die Welt schreibt, nahm das Bundesjustizministerium zum Entwurf des Innenministeriums bislang keine Stellung, so dass er nicht an diesem Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden könne. Laut einem Spiegel-Bericht wies Barley Dobrindts Vorwürfe zurück. Sie sei sich mit Innenminister Horst Seehofer einig, das Vorhaben „zeitnah umzusetzen“. Der Gesetzentwurf, den das Innenministerium vorgelegt habe, enthalte „allerdings Regelungen, die über den Koalitionsvertrag hinaus gehen“, kritisierte Barley.

Nach Deutschland nur, wenn das mit unseren Sicherheitsinteressen vereinbar ist.

Joachim Herrmann

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte in der ARD zu den IS-Kämpfern:  „Wichtig ist: eine sorgfältige Prüfung, möglichst im Nahen Osten vor Gericht stellen und nach Deutschland nur, wenn das mit unseren Sicherheitsinteressen vereinbar ist.“ IS-Rückkehrer mit Kampferfahrung seien „potenziell hochgefährlich“. Es gebe keinen Grund für überzogene Eile. Man müsse sich zudem schon fragen, ob die ehemaligen Kämpfer überhaupt hier vor Gericht gestellt werden könnten, sagte er. Es mache keinen Sinn, Leute wieder ins Land zu lassen, die zwar dringend verdächtig seien, Gewalttaten verübt zu haben, denen es aber nicht nachgewiesen werden könne.

Auch CDU-Innenexperte Armin Schuster warnte in Bezug auf die Rückkehr von IS-Anhängern vor einer übereilten Reaktion. „Wir können die nicht im Kollektiv zurückholen“, sagte Schuster im ARD-Morgenmagazin. Auch er mahnte eine genaue Prüfung jedes Einzelfalls an. Der CDU-Politiker sprach sich dafür aus, Frauen und Kinder zuerst zurückkehren zu lassen. „Die erste Frage, die wir klären müssen, ist: Ist er Deutscher oder ist sie Deutsche? Das ist gar nicht so einfach“, so Schuster.

Trumps Drohung

US-Präsident Donald Trump hatte europäische Länder wie Deutschland via Twitter dazu aufgerufen, mehr als 800 in Syrien gefangene IS-Kämpfer zurückzunehmen und vor Gericht zu stellen. Falls die Verbündeten nicht reagierten, seien die USA gezwungen, die Kämpfer auf freien Fuß zu setzen. Diese sind allerdings nicht in US-Gewahrsam, sondern in der Gewalt kurdischer Kräfte.

Syriens Kurden riefen unterdessen die Vereinten Nationen auf, in dem Bürgerkriegsland internationale Sondergerichte für inhaftierte IS-Kämpfer einzurichten. Der Sprecher der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Mustafa Bali, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Heimatländer der Dschihadisten hätten bisher nicht auf die Forderung der Kurden reagiert, die IS-Anhänger zurückzuholen. Im Norden Syriens gebe es nicht die Möglichkeit, die Terroristen juristisch zu verfolgen, sagte Bali. Dem Sprecher zufolge haben die SDF bisher rund 1300 ausländische IS-Kämpfer gefangen genommen, Iraker ausgenommen.

Bayern geht gegen Islamisten vor

Die Staatsregierung hat jetzt den Aktionsplan des Bayerischen Justizministeriums zur Bekämpfung von Extremismus, Salafismus und Terrorismus bekräftigt. Die bayerische Justiz ist in den vergangenen Jahren entschlossen gegen Salafisten, Terroristen und Extremisten aller Art vorgegangen. Bayern hat mit der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft München bereits ein bayernweites Kompetenzzentrum geschaffen. Die ZET soll nun weiter ausgebaut werden, damit sie auch bei steigenden Fallzahlen ihre Aufgaben erfüllen kann. Gleichzeitig werden im bayerischen Justizvollzug die Extremismusbekämpfung und Radikalisierungsprävention mit Programmen wie dem Projekt „Re-Start – Freiheit beginnt im Kopf“ sowie mit neuen Maßnahmen wie der „Task Force Extremismus“ vorangetrieben.

Gleichzeitig appelliert die Staatsregierung auch an den Bundesgesetzgeber, Lücken im Strafrecht, etwa bei der Volksverhetzung aus dem Ausland, der Unterstützung terroristischer Vereinigungen und bei der Sympathiewerbung zu schließen. Besonders das nach derzeitiger Rechtslage straflose Werben auf bayerischen Straßen und Plätzen für Ziele terroristischer Gruppen ist aus Sicht der Staatsregierung nicht akzeptabel.

Deutsche als IS-Mörder

Nach Kenntnis deutscher Sicherheitsbehörden machten sich seit 2013 „gut 1050 Personen“ in die Kriegsgebiete in Syrien und dem Irak auf, um sich dort Dschihadisten-Milizen anzuschließen – mehrheitlich wohl dem IS. Rund ein Drittel dieser Gruppe sei bereits nach Deutschland zurückgekehrt, heißt es. Laut dem Bayerischen Verfassungsschutz sind darunter 22 Rückkehrer nach Bayern, bei denen aber nur in sechs Fällen Erkenntnisse über Kampfbeteiligungen vorliegen. Etwa 200 weitere deutsche IS-Kämpfer seien vermutlich ums Leben gekommen, so das Bundesinnenministerium. 270 Frauen und Kinder aus Deutschland oder auch dort geborene Kinder deutscher Eltern befinden sich demnach noch in den beiden Krisenstaaten. Laut Tagesschau sitzen derzeit 42 deutsche Islamisten in der Region in Haft, gegen 18 IS-Verbrecher gibt es bereits Haftbefehle in Deutschland.