Die italienische Küstenwache rettet Bootsflüchtlinge, die von Libyen auf das Mittelmeer fuhren und in Seenot gerieten. (Foto: Imago/Joker)
Migration

Wer die Zeche zahlt

Manche SPD-Oberbürgermeister wie in Erlangen und Regensburg wollen über Kontingente zusätzliche Asylbewerber in ihre Städte holen. Die örtliche CSU widerspricht und mahnt, sich an geltendes Recht zu halten.

In Erlangen, Regensburg und vielleicht auch bald in Nürnberg sind heftige Streitigkeiten darüber entbrannt, ob die SPD-Oberbürgermeister über das gesetzliche Kontingent hinaus Flüchtlinge in ihre Städte holen sollen und dürfen. Bei aller Humanität, die die CSU grundsätzlich begrüßt, mahnen die örtlichen Vertreter der Christsozialen dazu, Recht und Gesetz zu respektieren.

Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung, aber wir erwarten, dass die Stadtspitze sich an das geregelte Verfahren hält.

Jörg Volleth, CSU-Fraktionschef im Erlanger Stadtrat

Jüngstes Beispiel ist Erlangen. Hier hatte SPD-Oberbürgermeister Florian Janik von freien Kapazitäten zur Aufnahme zusätzlicher Schutzsuchender gesprochen, die nicht über den regulären Verteilungsschlüssel nach Erlangen kommen. In einem Brief an die Bundesregierung erklärten der SPD-Oberbürgermeister und die beiden Bürgermeisterinnen Susanne Lender-Cassens (Grüne) und Elisabeth Preuß (FDP) die Bereitschaft, zusätzliche Flüchtlinge aus der Seenotrettung aufzunehmen.

CSU tritt auf Euphorie-Bremse

Die CSU-Stadtratsfraktion tritt hier gegenüber der Ampel-Koalition im Erlanger Rathaus unmissverständlich auf die Euphorie-Bremse. Wie bereits in der Sitzung des Erlanger Stadtrates im Oktober lehnt die CSU-Stadtratsfraktion Erlangen klar die zusätzliche Aufnahme von Flüchtlingen ab. „Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung, aber wir erwarten, dass die Stadtspitze sich an das geregelte Verfahren hält“, erklärt der CSU-Fraktionsvorsitzende und designierte OB-Kandidat, Jörg Volleth.

Wir können nicht erkennen, wo Erlangen zusätzliche Kapazitäten vorweisen kann.

Alexandra Wunderlich, Stadträtin in Erlangen

Verwundert von der Behauptung des SPD-OB, dass noch Aufnahme-Kapazitäten frei seien, zeigt sich die Erlanger Stadträtin und CSU-Kreisvorsitzende Alexandra Wunderlich. „Mit Blick auf die Debatte um die Einrichtung in der Dorfstraße in Erlangen-Büchenbach können wir nicht erkennen, wo Erlangen zusätzliche Kapazitäten vorweisen kann“, sagt sie. Neben der ersten Unterbringung benötigten Asylsuchende und Flüchtlinge schließlich Betreuung, die nicht ausschließlich von Ehrenamtlichen erbracht werden könne.

Dezentrale Unterkünfte sollen aufgelöst werden

„Wer zu sich einlädt, muss sich auch um seine Gäste kümmern“, so der sozialpolitische Sprecher der CSU-Stadtratsfraktion, Christian Lehrmann. „Die Stadtspitze erwartet aber scheinbar, dass die Bezirksregierung für das Angebot der Stadt die notwendigen Mittel bereitstellt.“ SPD-OB Janik habe schließlich in seinem Schreiben selbst festgestellt, dass die Unterbringung nur möglich sei, wenn die dezentrale Notunterkunft weiter betrieben wird. Diese wurde errichtet, als die Zentrale Aufnahmeeinrichtung des BAMF in Zirndorf 2015 an die Grenze ihrer Kapazitäten gestoßen war. Nun sollen die Aufgaben wieder zentralisiert werden.

Die Notunterkünfte waren nie zum Dauerbetrieb bestimmt.

Jörg Volleth

„Die Notunterkünfte waren nie zum Dauerbetrieb bestimmt. Auch den Bürgern wurde stets versichert, dass es sich um vorübergehende Notlösungen handle. Hier steht der Oberbürgermeister im Wort“, sagt CSU-Fraktionschef Volleth. „Sowohl die Bundesregierung als auch die Bayerische Staatsregierung legt für die Unterbringung von Schutzsuchenden einen Verteilungsschlüssel und ein geregeltes Verfahren fest. Belastungen und Herausforderungen werden so gerecht verteilt. Wir erwarten, dass die Ampelkoalition aus diesem System nicht einseitig ausschert“, betont Volleth.

Regensburg: Alleingang der SPD-Bürgermeisterin

Ein ähnliches Phänomen wie in Erlangen gab es bereits vergangenen Sommer in Regensburg. Im Juli 2018 hatten sich zunächst die Oberbürgermeister von Köln, Bonn und Düsseldorf in einem Schreiben an Kanzlerin Merkel bereit erklärt, weitere Flüchtlinge aus der sogenannten Seenotrettung im Mittelmeer aufzunehmen. Den privaten „Seenotrettern“ im Mittelmeer wird allerdings von Italien und Malta vorgeworfen, die Schleuser auf dem afrikanischen Festland durch ihre Präsenz indirekt zu ermutigen, Hunderte Flüchtlinge auf überfüllten Seelenverkäufern oder miserablen Schlauchbooten aufs Meer zu schicken – und damit in Lebensgefahr.

Frau Maltz-Schwarzfischer ist sich hoffentlich bewusst, dass wer anschafft und bestellt, auch die volle Zeche zahlt.

Bernadette Dechant, Stadträtin in Regensburg

Nach den Bürgermeistern von Berlin, Potsdam und Freiburg wollte sich auch die Regensburger SPD-Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) der Initiative der rheinischen Städte anschließen. Sie erklärte im August bei einer Demonstration, die Stadt Regensburg werde 100 zusätzliche Flüchtlinge von der „Seenotrettung“ im Mittelmeer aufnehmen – und zwar ohne Rücksprache mit dem Stadtrat. Scharfe Kritik an diesem Alleingang kam von der CSU, die im Regensburger Stadtrat die größte Oppositionsfraktion stellt. CSU-Stadträtin Bernadette Dechant warf der SPD-Bürgermeisterin im Regensburger Wochenblatt Realitätsblindheit vor: „Frau Maltz-Schwarzfischer ist sich hoffentlich bewusst, dass wer anschafft und bestellt, auch die volle Zeche zahlt. Leider lehnt sie sich auf dem Rücken der Bürger mal wieder sehr weit aus dem Fenster.“

SPD konterkariert gesamteuropäische Lösung

Im Gegensatz zu Regensburg müssten die Städte Köln, Bonn und Düsseldorf keine neuen Aufnahmeplätze schaffen, so die CSU-Stadträtin. „Fakt ist, dass die rheinische Städteinitiative mit ihrem Brief an die Kanzlerin, in dem sie ihre Bereitschaft bekundet, Flüchtlinge aus dem Mittelmeer aufzunehmen, keinesfalls zusätzliche Kapazitäten schaffen wollen“, sagt Dechant. Deren bestehende Unterkünfte seien aufgrund der moderaten Zugänge nicht voll ausgelastet und Überkapazitäten teuer.

Mit solchen Aktionen werde eine „gesamteuropäische Lösung“ konterkariert, wenn sich nur in Deutschland „immer neue Initiativen zur Allianz der Willigen zusammenschließen“, warnt die CSU-Stadträtin weiter. Insbesondere mit Blick auf die angespannte Situation im Osten der Stadt sei es auch nicht verantwortbar, weitere Flüchtlinge dorthin zu holen. „Die Regensburger Bürgermeisterin ist realitätsblind, wenn sie glaubt, der Stadtosten würde es schaffen, noch mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Denn wo sonst sollten diese Flüchtlinge im Stadtgebiet untergebracht und versorgt werden?“, so Bernadette Dechant weiter im Wochenblatt.

Nürnberg: Grundsatzdebatte steht an

Auch in Nürnberg steht eine Grundsatzdebatte zum Thema freiwillige Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge an. SPD-OB Ulrich Maly hatte bereits im September 2018 in einem Brief an die Bundeskanzlerin angeboten, Flüchtlinge aus der „Seenotrettung“ auch über die reguläre Verteilung hinaus aufzunehmen. Darauf kamen jetzt die Stadträte der Grünen, der Linkspartei und der ÖDP zurück und setzten das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Rechtsausschusssitzung am kommenden Mittwoch, den 13. Februar.

Maly scheint sich aber genau an Recht und Gesetz halten zu wollen und strebt offenbar keinen Alleingang an. Dem BR sagte er: „Wenn sich die Bundesregierung im Sinne europäischer Solidarität für die Aufnahme bestimmter Kontingente von Seenotgeretteten ohne Rücksicht auf die eigentlichen nationalen Zuständigkeiten entscheidet, wird sich die Stadt Nürnberg im Rahmen ihrer humanitären Verantwortung daran beteiligen.“ Wie die CSU-Stadtratsfraktion gegenüber dem BAYERNKURIER erklärte, wolle sie erst in der Ausschusssitzung Stellung beziehen.