Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, hat bei der Gedenkstunde im Landtag für die Opfer des NS-Regimes die AfD scharf kritisiert. Daraufhin verließ ein Großteil der AfD-Abgeordneten den Saal.
„Dort ist heute und hier überall eine Partei vertreten, die diese Werte verächtlich macht, die die Verbrechen der nationalsozialistischen Zeit verharmlost und enge Verbindungen ins rechtsextreme Milieu unterhält.“ Mit diesen Worten hat die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, bei der Gedenkstunde im Bayerischen Landtag für die Opfer des Nationalsozialismus die AfD scharf kritisiert. Ein Eklat war die Folge.
Diese sogenannte Alternative für Deutschland gründet ihre Politik auf Hass und Ausgrenzung.
Charlotte Knobloch
Denn ein Großteil der AfD-Abgeordneten, 18 von 22, verließ demonstrativ den Saal. Holocaust-Überlebende und Politiker hatten zuvor im Bayerischen Landtag an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert.
Wer austeilt, sollte einstecken können
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, sprach in ihrer Rede die AfD direkt an: „Diese sogenannte Alternative für Deutschland gründet ihre Politik auf Hass und Ausgrenzung und steht nicht nur für mich nicht auf dem Boden unserer demokratischen Verfassung.“ Sie forderte weiter: „Kehren Sie zurück zu dem Eid, den Sie auf unser Land geschworen hatten, auf eine freiheitliche Demokratie, und lassen Sie uns dem Hass entgegentreten.“ Da waren bereits die meisten AfD-Abgeordneten auf dem Weg nach draußen, während alle anderen Abgeordneten parteiübergreifend stehend Beifall spendeten.
Nur der AfD-Fraktionsvorsitzende Markus Plenk und die Abgeordneten Uli Henkel, Franz Bergmüller und Raimund Swoboda blieben im Saal. Nach der Rede der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern kamen auch die anderen AfD-Abgeordneten etwa zehn Minuten später wieder ins Plenum zurück.
Das Verhalten einzelner AfD-Abgeordneter war respektlos. Es entlarvt und zeigt den wahren Charakter.
Markus Söder
Söder kritisiert respektloses Verhalten der AfD
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kritisierte anschließend das Verhalten der AfD-Parlamentarier, die den Saal verlassen hatten: „Das Verhalten einzelner AfD-Abgeordneter war respektlos. Es entlarvt und zeigt den wahren Charakter. Echte Demokraten hätten sich anders verhalten.“ Landtagspräsidentin Ilse Aigner sagte: „Die Erinnerungskultur ist ein fester Teil unserer freiheitlichen Rechteordnung – die AfD muss sich fragen lassen, ob sie das mitträgt. Mit dem Verlassen des Saales stellen sie das in Frage.“
Beim Gedenkakt hatte die Landtagspräsidentin schon zuvor jede Form von Verharmlosung der NS-Zeit scharf verurteilt. „Wer heute den Holocaust relativiert, macht sich schuldig. Wer heute den Holocaust verleugnet, macht sich schuldig“, so Aigner. „Und wer heute unsere Erinnerungskultur in den Schmutz zieht, etwa indem er vom ‚Denkmal der Schande‘ spricht, der ist blind – nicht nur gegenüber der Vergangenheit. Er ist auch blind für die Zukunft!“ Sie erinnerte damit an eine Äußerung des AfD-Politikers Björn Höcke, der Anfang 2017 das Berliner Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnete.
Wer heute den Holocaust relativiert, macht sich schuldig. Wer heute den Holocaust verleugnet, macht sich schuldig.
Ilse Aigner
Der Beauftragte der Staatsregierung für jüdisches Leben in Bayern, Ludwig Spaenle, schrieb über die AfD-Abgeordneten auf Facebook: „Das wahre Gesicht zeigt sich!“ Und fügte später hinzu: „Hier gehen die geschichtspolitischen Brandstifter!“ Der CSU-Abgeordnete Peter Tomaschko meint dazu ebenfalls auf Facebook: „Kein Anstand, kein Charakter und sicherlich auch keine demokratische Gepflogenheit! Wieder einmal wird deutlich, dass die AfD nicht in die Parlamente gehört, sondern ein Fall für den Verfassungsschutz ist!“
Verantwortung für die Geschichte
Charlotte Knobloch rief nach ihrer AfD-Kritik die anwesenden Gäste, darunter viele Schüler, dazu auf: „Lasst Euch nicht einreden, wen Ihr zu lieben oder zu hassen habt.“ Es sei in aller Verantwortung, „dass sich das Unvorstellbare nicht wiederholt“. „Nie wieder“ sei ein Fundament der Bundesrepublik.
Der Hass ist das Gen für Rassismus.
Karl Freller
„Für uns gilt: Es ist wichtig, die Spuren zu suchen, Trauer zu zeigen und an das Leid zu erinnern. Überlassen wir den Tätern von damals nicht den späten Triumph!“, so Aigner in ihrer Rede. Es sei sehr wichtig, die letzten Überlebenden des Nazi-Terrors zu Wort kommen zu lassen. Diese würden jedem bewusst machen, dass die NS-Verbrechen wirklich stattgefunden hätten und man sie nicht relativieren könne. Aigner sagte, natürlich trügen spätere Generationen keine individuelle Schuld. Es gebe aber eine „gemeinsame Verantwortung für unsere Geschichte“.
Die Landtagspräsidentin betonte: „Ich sage das durchaus mit Stolz: Unsere Erinnerungskultur gilt weltweit als vorbildlich. Oftmals ist sie das Ergebnis zivilgesellschaftlichen Engagements. Von Menschen, denen die grundlegenden Werte unserer Demokratie ein echtes Herzensanliegen sind: Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenrechte. Für all die Errungenschaften, die im Nationalsozialismus mit Füßen getreten wurden! Geschichte ist uns nicht egal, zumal es unsere eigene Geschichte ist.“
Auch Karl Freller, Vorsitzender der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, warnte vor einem zunehmendem Extremismus. „Der Hass ist das Gen für Rassismus, Vernichtungslager, Selektion, Vergasung, Vernichtung durch Arbeit, medizinische Experimente und Völkermord. Passen wir auf, dass sich dieses Gen in der Gegenwart nicht wiederfindet.“
Gedenktag für die Opfer
Am 27. Januar ist der Internationale Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, weil der 27. Januar 1945 der Tag der Befreiung des größten Konzentrationslagers Auschwitz war. Aus diesem Anlass veranstaltet der Bayerische Landtag jährlich einen Gedenkakt, um an die von den Nationalsozialisten ermordeten, gequälten und ausgegrenzten Menschen zu erinnern. Ziel der Gedenkfeier ist nicht nur die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, sondern auch die Mahnung an die junge Generation, derartiges Unrecht nie wieder zuzulassen.
Der Gedenkakt stellt die Geschichten der Zeitzeugen in den Mittelpunkt. So sprach etwa Else Höllenreiner für ihren Mann Herrmann, einem Sinto-Überlebenden des KZ Auschwitz. Auch der gebürtige Litauer Abba Naor sprach, der als 13-Jähriger in ein Ghetto deportiert und dann in mehreren KZs gewesen war. Heute ist Naor Vizepräsident des „Comité International de Dachau“.