Nach Plänen des Bundesfinanzministers müsste künftig die Grundsteuer für jede Wohnung einzeln berechnet werden. (Foto: Imago/Ralph Peters)
Finanzen

Bayern lehnt Scholz‘ Grundsteuerpläne ab

Sowohl die bayerische Staatsregierung als auch die Wirtschaft im Freistaat üben harsche Kritik an der von Bundesfinanzminister Scholz geplanten Reform der Grundsteuer. Der Vorschlag des SPD-Politikers sei zu teuer, zu kompliziert und zu bürokratisch.

Aus Bayern kommt deutliche Kritik am Grundsteuer-Reformmodell von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Sowohl die Staatsregierung als auch wichtige Wirtschaftsverbände lehnen die Vorschläge ab. Scholz‘ Pläne „würden Steuererhöhungen, Mieterhöhungen und vor allem mehr Bürokratie bedeuten“, kritisiert Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU). „Bayern bleibt dabei: Wir wollen eine einfache, faire und regionalisierte Grundsteuer. Die Grundsteuerreform soll aufkommensneutral erfolgen und keine Steuermehrbelastungen für Eigentümer und Mieter erzeugen.“

Steuerberechnung pro Wohnung

Scholz will die Grundsteuer Berichten zufolge künftig für jede Wohnung individuell berechnen lassen. Grundlage sollen Fläche und Alter sowie bei Mietwohnungen die jeweilige Höhe der Miete sein. Da die Grundsteuer über die Nebenkosten auf die Mieten umgelegt wird, kann das dann auch Mieten erhöhen. Noch diese Woche soll das lange erwartete Reformmodell den Ländern vorgelegt werden. Scholz wollte sich zu den Details nicht äußern, versprach aber: Es soll insgesamt bei 14 Milliarden Euro an Einnahmen für die Länder bleiben. In gefragten Wohngegenden müssen sich Vermieter und Mieter demnach wohl auf steigende Belastungen einstellen. Es gehe im Schnitt um einen „mittleren zweistelligen Euro-Betrag mehr im Jahr“, hieß es in Regierungskreisen.

Durch diese Reform würde ein Bürokratiemonster entstehen: Für fast 40 Millionen Wohnungen müsste die individuelle Grundsteuer berechnet werden.

Bertram Brossardt, vbw-Hauptgeschäftsführer

Das Bundesverfassungsgericht hatte im April geurteilt, dass die bei der Berechnung bisher zugrunde gelegten Einheitswerte (Wert eines Grundstücks) verfassungswidrig sind. Denn die sind veraltet: In den westdeutschen Bundesländern wurden sie 1964 festgelegt, in den ostdeutschen Bundesländern reichen sie sogar bis 1935 zurück.

Kritik am Vorgehen des Bundesfinanzministers

Füracker nennt  Scholz‘ Vorgehen „verwunderlich“: „Mehr als sechs Monate sind seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vergangen, ohne dass er den Ländern, wie von ihm angekündigt, wenigstens Eckpunkte seiner Grundsteuer-Reform vorgelegt hätte.“ Dass kurz vor einem Treffen mit den Länderfinanzministern nun Bruchstücke des Plans an die Öffentlichkeit gelangten, erleichtere die Sache nicht. „Nicht der Bund ist für die Verwaltung der Grundsteuer zuständig. Deswegen hätte ich, bevor er an die Öffentlichkeit geht, eine enge Abstimmung mit den Ländern erwartet“, sagt Füracker.

Auch die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) lehnt das von Scholz erstellte Konzept ab. „Durch diese Reform würde ein Bürokratiemonster entstehen: Für fast 40 Millionen Wohnungen müsste die individuelle Grundsteuer berechnet werden. Das ist deutlich mehr als bei jedem anderen bisher diskutierten Modell“, sagt vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. „Besonders betroffen wären Neumieter in Städten mit angespannten Mietmärkten. Das geht in die falsche Richtung und kann nicht der Sinn der Grundsteuerreform sein.“

Mietsteigerung in Ballungsräumen?

Die Vorschläge des Finanzministers zielten auf den Nutzwert eines Grundstücks und Gebäudes, und zwar offenbar ohne Rücksicht auf damit verbundene Kosten, kritisiert Brossardt. Mieten und Kostenstrukturen seien aber regional sehr unterschiedlich. „Eine Besteuerung anhand der Miete würde deshalb zu wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen führen, die mit der Zeit zunehmen. Insbesondere Ballungszentren wären von deutlichen Mietsteigerungen betroffen“, so der vbw-Hauptgeschäftsführer. Gewerbetreibende wie Bewohner könnten dadurch aus ihrer gewohnten Umgebung verdrängt werden. „Das darf nicht Ergebnis der Reform sein“, sagt Brossardt.

Vor allem in Metropolen, Ballungsräumen und Uni-Städten würde der Staat über hohe Grundstückswerte und hohe Mieten kräftig mitverdienen.

Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler

Scharfe Kritik übt das bayerische Handwerk an dem Konzept. „Mit seiner Idee, die Grundsteuer nicht mehr pro Haus, sondern pro Wohnung zu berechnen und dabei Fläche, Alter und Höhe der Miete heranzuziehen, schafft der Bundesfinanzminister ein Bürokratiemonster“, kritisiert auch Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT). Das Scholz-Konzept treibe vor allem in Ballungszentren die Kosten für Bewohner und Gewerbetreibende weiter in die Höhe.

Sorge um Handwerksbetriebe

Der BHT fordert eine aufkommensneutrale Neuregelung der Grundsteuer, die nicht zu einer höheren Gesamtsteuerbelastung der kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe führen dürfe. „Die Grundsteuer muss einfach, klar und gerecht sein, eine Objektsteuer bleiben und darf nicht an Wertverhältnisse anknüpfen“, verlangt Peteranderl. Das Handwerk setze sich für eine flächenbezogene Bewertung ein. Bei einem solchen Modell könne die Bemessungsgrundlage einfach und kostengünstig ermittelt werden.

Kritisch äußert sich auch der Bund der Steuerzahler (BdSt). Scholz‘ Modell sei „viel zu kompliziert, zu bürokratisch und für viele zu teurer“, sagt BdSt-Präsident Reiner Holznagel. „Vor allem in Metropolen, Ballungsräumen und Uni-Städten würde der Staat dann über hohe Grundstückswerte und hohe Mieten kräftig mitverdienen und das Wohnen durch eine hohe Grundsteuer zusätzlich verteuern. Das ist völlig inakzeptabel!“

Gegenvorschlag aus München

Experten hatten sich für eine Berechnung nach der Wohn- und Grundstücksfläche ausgesprochen. Ein entsprechendes Konzept legte das Münchner ifo-Institut vor. Die Studie wurde im Auftrag von Haus & Grund und dem Zentralen Immobilien-Ausschuss (ZIA) erstellt, dem Spitzenverband der Immobilienwirtschaft. Eine Berechnung nur nach der Fläche hätte demnach gegenüber individuellen, wertbasierten Modellen erhebliche Vorteile, sagt ifo-Präsident Clemens Fuest. „Vor allem eine Steuervereinfachung: Wir würden hohe Bewertungskosten vermeiden.“ Geeignet sei eine Kombination aus Grundstücks-, Wohn- und Nutzfläche – vorgeschlagen wurde eine einmalige Bewertung. Bei Scholz‘ Vorschlag könnte sich dagegen mit steigendem Wert und steigenden Mieten die Steuerlast Jahr für Jahr ändern.