„Auf ein Land konnten wir Vertriebenen uns immer verlassen, und das ist Bayern“: Christian Knauer, bayerischer Landesvorsitzender und Vizepräsident des BdV. (Foto: Wolfram Göll)
Tag der Heimat

Unrechts-Dekrete haben in Europa keinen Platz

Appelle zu Frieden und Freiheit in einem versöhnten Europa standen im Mittelpunkt des Tages der Heimat in Ansbach. Gleichzeitig verurteilten alle Redner die tschechoslawakischen Benesch-Dekrete, die Vertreibung und Enteignung bis heute legitimieren.

„Die Benesch-Dekrete haben in einem vereinten Europa keine Zukunft“, erklärte die neu ernannte Beauftragte der bayerischen Staatsregierung für Vertriebene und Aussiedler, Sylvia Stierstorfer (CSU) beim „Tag der Heimat“ in Ansbach. „Ich bin zuversichtlich, dass der Tag nicht mehr fern ist, an dem man die Vertreibung auch in unseren östlichen Nachbarländern als Unrecht bezeichnen darf. Und dass vor allem den jungen Menschen selbst klar wird, welchen Verlust ihr Land durch die Vertreibung der Deutschen erlitten hat.“

Ich bin zuversichtlich, dass der Tag nicht mehr fern ist, an dem man die Vertreibung auch in unseren östlichen Nachbarländern als Unrecht bezeicht.

Sylvia Stierstorfer (CSU), Beauftragte der bayerischen Staatsregierung für Vertriebene und Aussiedler

Beispielsweise in Rumänien, Ungarn und Serbien hätten die Bevölkerung und die Politik bereits den Verlust begriffen, den Aussiedlung und Vertreibung der Deutschen für das eigene Land bedeuten. Aber auch das Verhältnis zur Tschechischen Republik habe sich in den vergangenen Jahren um „Quantensprünge“ verbessert. Sylvia Stierstorfer sagte: „Bayern steht zu unseren Landsleuten aus dem Osten“, und erhielt dafür kräftigen Applaus der Gäste in der vollbesetzten Ansbacher Orangerie.

Mit den 143 „Benesch-Dekreten“ hatte die tschechoslowakische Exilregierung unter Präsident Edvard Beneš die Enteignung und gewaltsame Vertreibung der Deutschen und Ungarn angeordnet. 1946 wurden durch Parlamentsbeschluss sogar die bei der Vertreibung verübten Verbrechen straffrei gestellt. Die Dekrete gelten in der Tschechischen Republik und der Slowakei bis heute.

Entscheidend beim Aufbau mitgeholfen

Die Heimatvertriebenen hätten durch Arbeitskraft und Fleiß den Aufbau Bayerns und Deutschlands nach dem Krieg entscheidend vorangebracht, lobte die Vertriebenenbeauftragte, die väterlicherseits aus dem Egerland stammt. Zudem seien die Verbindungen der Vertriebenen in die Heimatländer sowie ihre historischen Erfahrungen unersetzbar. „Besonders beeindruckt mich immer wieder die Vielfalt der deutschen Kulturen aus den verschieden Ländern – sei es Schlesien, Pommern, Russland, das Sudetenland, Siebenbürgen oder das Banat“, so Stierstorfer.

Ein Europa, in dem Frieden, Freiheit, Solidarität die Maßstäbe sind, verträgt die Benesch-Dekrete überhaupt nicht mehr.

Emilia Müller (CSU), langjährige bayerische Sozialministerin

Ausdrücklich bot Stierstorfer sich als Ansprechpartnerin bei allen Fragen an – auch heiklen Themen wie der Anerkennung der Renten für Spätaussiedler. „Ich bin sehr stolz auf mein neues Amt“, erklärte die Beauftragte. Sie hob hervor, dass der neue bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) derzeit die Einrichtung einer Kultur- und Begegnungstätte für die Deutschen aus Russland in Nürnberg entscheidend anschiebe.

Heimatvertriebene sind Stützpfeiler der Demokratie

„Die Unrechtsdekrete haben heute in Europa nichts mehr verloren“, erklärte auch die langjährige bayerische Sozialministerin Emilia Müller (CSU). „Ein Europa, in dem Frieden, Freiheit, Solidarität die Maßstäbe sind, verträgt die Benesch-Dekrete überhaupt nicht mehr“, sagte sie unter dem heftigen Applaus der Gäste. Die Vertriebenenverbände hätten einen großen Beitrag dazu geleistet, das demokratische Bewusstsein in Bayern zu stärken. „Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit und kein Selbstläufer“, betonte Müller unter Anspielung auf die Herausforderungen durch Populisten und Radikale. „Sie treten ein für Frieden und Gerechtigkeit, und das mit einem großen Werte- und Traditionsbewusstsein“, lobte sie die Vertriebenen.

Für ihre Verdienste um die Vertriebenen und Spätaussiedler erhielt Emilia Müller, die als Sozialministerin auch für Vertriebene und Integration zuständig war, die Wenzel-Jaksch-Medaille des Bundes der Vertriebenen (BdV). BdV-Vizepräsident Christian Knauer (CSU) verlieh ihr die hohe Auszeichnung und nannte Müller eine „tatkräftige und aufrichtige Mitstreiterin“. In der offiziellen Begründung heißt es, Emilia Müller habe sich „hervorragende Verdienste um die Zusammenarbeit der europäischen Völker im Geiste von Freiheit und im Geiste von Recht auf die Verwirklichung der in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen niedergelegten Grundsätze“ erworben. Sie habe die Verständigung mit den europäischen Nachbarn und den „vorurteilsfreien Dialog mit der Tschechischen Republik“ entscheidend mit angestoßen, ergänzte Knauer.

Zuverlässigster Partner der Vertriebenen: Bayern

Müller habe insbesondere die Vertriebenen und ihre Verbände im Erhalt der eigenen Kultur- und Heimatpflege unterstützt: Im Einzelnen nannte Knauer das Sudetendeutsche Museum in München, die Einrichtung eines bayerischen Gedenktages für Flucht und Vertreibung, ohne den es vermutlich nie zu dem entsprechenden bundesweiten Gedenktag gekommen wäre, sowie die symbolische Entschädigung für 46.000 noch lebende Nachkriegs-Zwangsarbeiter in der Sowjetunion in Höhe von 2500 Euro.

Auf ein Land konnten wir Vertriebenen uns immer verlassen, und das ist Bayern.

Christian Knauer

Knauer, der gleichzeitig BdV-Landesvorsitzender in Bayern ist, lobte die bayerische Staatsregierung: „Auf ein Land konnten wir Vertriebenen uns immer verlassen, und das ist Bayern.“ Besonders in den letzten zehn Jahren habe sich der Freistaat als „wichtigster und zuverlässigster Partner“ des BdV erwiesen – namentlich lobte Knauer neben Emilia Müller auch den langjährigen Ministerpräsidenden Horst Seehofer (CSU). Ohne den Einsatz Seehofers und Müllers wären die drei genannten Projekte – Sudetendeutsches Museum, Gedenktag und Zwangsarbeiter-Entschädigung – nicht möglich gewesen. Ausgerechnet die Sudetendeutschen seien bislang die einzige Volksgruppe ohne eigenes Museum gewesen, erinnerte Knauer. Zudem habe man an einem prominenten Ort in Straubing immerhin ein „Schlesisches Fenster“ geschaffen.

Renten für Spätaussiedler auf Sozialhilfe-Niveau

Ein großes offenes und existenzielles Problem seien allerdings die Renten für Spätaussiedler, betonte der langjährige CSU-Landtagsabgeordnete und Aichacher Landrat Knauer. Bei den Spätaussiedlern sei die Maximalzahl der erreichbaren Rentenpunkte immer noch gedeckelt – eine Spätfolge der Wendejahre 1989/90, als gleichzeitig Millionen Ex-DDR-Bürger und Spätaussiedler vor allem aus Rumänien und Russland in die Rentenkassen drängten. Doch während die DDR-Renten ab 2019 zu 100 Prozent angeglichen seien, lägen die Renten für Spätaussiedler immer noch nahe dem Sozialhilfe-Niveau, kritisierte Knauer.

„Es sind Millionen Euro für Integration und Sprachkurse da. Aber die Spätaussiedler haben als Deutsche unter Diskriminierung gelitten, haben ein Leben lang gearbeitet, haben sogar 20, 30 Jahre in Deutschland eingezahlt – und stehen jetzt beim Sozialamt an. Das geht nicht!“, sagte Knauer unter dem lauten Beifall der Zuhörer. „Beseitigt diese Ungerechtigkeit im Rentenrecht!“, forderte der BdV-Landesvorsitzende – und wies direkt auf die möglichen politischen Folgen hin: „Dies wäre ein gaubwürdiger Beitrag dazu, dass die politischen Ränder rechts und links nicht noch stärker werden, sondern dass die Mitte stark bleibt.“

Russland: Vertriebene bräuchten mehr Unterstützung

Die Herkunftsländer gingen mittlerweile durchaus unterschiedlich mit Vertreibung und Aussiedlung um und erkennen eigene Schuld teilweise an, berichtete Knauer. So habe Ungarn einstimmig die Vertreibung nach dem Krieg verurteilt und einen eigenen nationalen Gedenktag für die vertriebenen Deutschen eingeführt. Auch Serbien, das sonst keine gute Presse im Westen habe, hat die Vertriebenen eingeladen, die Rückgabe konfiszierten Eigentums zu beantragen. „Die Restitution läuft dort tatsächlich an“, so Knauer.

In Rumänien gebe es ein ständiges Auf und Ab. Staatspräsident Klaus Johannis habe alle Hände voll damit zu tun, die Korruption zu bekämpfen. In Russland hingegen sei die Anerkennung der Vertreibung und der Zwangsarbeit als Unrecht wieder in den Schubladen des Parlaments verschwunden. „Wohlgesonnene russische Parlamentarier sagen uns, wenn eure Bundesregierung euer Anliegen nicht unterstützt, können wir nicht viel ausrichten. Wir können ja nicht deutscher als die Deutschen sein“, kritisierte Knauer die mangelhafte politische Unterstützung aus dem Auswärtigen Amt in Berlin.