In München werden nicht genügend Wohnungen gebaut. (Foto: Imago/Sven Simon)
SPD und Grüne

Wer im Glashaus sitzt …

Kommentar Etwa 10.000 Menschen sind in München unter dem Motto "#ausspekuliert" gegen Luxussanierungen, steigende Mieten und für mehr bezahlbaren Wohnraum auf die Straße gegangen. Mit dabei: SPD und Grüne, mitverantwortlich für den Mietwahnsinn.

Nirgendwo in Deutschland sind die Mieten höher als in München. Hier bekommen nicht nur Geringverdiener Probleme bei der Wohnungsfindung, sondern mittlerweile auch die Mittelschicht. Gegen diese Entwicklung haben am Wochenende etwa 10.000 Menschen demonstriert.

Steinewerfer im Glashaus

So berechtigt die Sorge vieler Menschen um eine bezahlbare Wohnung ist, so dreist ist der Versuch, mancher Parteien im Protest vom eigenen Versagen abzulenken. In den Münchner Demonstrationszug mischten sich nämlich auch die Grünen Claudia Roth, Katharina Schulze, Margarete Bause und Ludwig Hartmann sowie die SPD-Politiker Natascha Kohnen und Markus Rinderspacher – Spitzenvertreter zweier Parteien, die zu einem guten Teil den Mietwahnsinn in der Landeshauptstadt zu verantworten haben. 24 Jahre lang haben diese beiden Parteien gemeinsam die Stadtpolitik bestimmt.

Für Wohnungsbau sind sowohl kommunale, wie auch Landes- und Bundesebene verantwortlich, mit unterschiedlichen Zuständigkeiten. „Jedem, der den Stein auf jemand anderen schmeißen will, sage ich: Vorsicht, du sitzt im Glashaus“, warnte darum der Initiator der Demonstration, Maximilian Heisler. Doch SPD und Grüne versuchen genau das: Die CSU soll wie immer an allem schuld sein.

Das ist wie immer Unsinn. Fakt ist: Wohnungsbau unterliegt der kommunalen Planungshoheit. Seit Kriegsende stellte die SPD mit einer Ausnahme (1978-1984) den Münchner Oberbürgermeister sowie die Mehrheit im Stadtrat, zuletzt mit den Grünen. Insbesondere unter dem sich immer als „Anwalt der Mieter“ gerierenden Alt-OB Christian Ude hat die SPD 24 Jahre lang Fehler um Fehler gemacht.

Die Mängelliste der Stadt

Seit mehr als 20 Jahren warnten die Bevölkerungsprognosen, dass in München die Einwohnerzahl stark steigen wird. Hat die rot und rot-grün geführte Stadtregierung in all dieser Zeit mal irgendwann eine Gesamtstrategie für München erstellt, die klar sagt, wo, wann und wie gebaut und entwickelt werden soll? Wie die Infrastruktur mitwachsen muss? Hat sie sich dafür eingesetzt, dass sich Unternehmen möglichst am Stadtrand ansiedeln oder besser noch im Münchner Umland? Hat die Stadt München angesichts der Prognosen besonders stark in Wohnungsbau investiert und besonders viel Bauland angekauft, auf das sie oft ein Vorkaufsrecht hat? Hat sie etwas gegen die zahlreichen Leerstände in München unternommen? Hat sie ihre kommunalen Steuerungsmöglichkeiten voll ausgenutzt und etwa darauf bestanden, dass in Neubaugebieten vorwiegend Zwei- und Dreizimmerwohnungen entstehen müssen? Nein! Im Gegenteil: Eine der größten Grundstücks-Reserven bei Freiham, seit Jahrzehnten in städtischem Besitz, wurde viel zu lange nicht beplant.

Immerhin, denkt man, in München mussten mindestens 30 Prozent der in einem Neubauprojekt geförderten Wohnungen geringere Mieten haben. Doch daraus folgte, dass Investoren die übrigen 70 Prozent Wohnungen entsprechend teurer angeboten haben. Obendrein waren die Baugenehmigungsverfahren in München die langsamsten im ganzen Freistaat, das bemängelte die Bauindustrie seit langem.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Ude geht immerhin der neue OB Dieter Reiter (SPD), der seit 2014 gemeinsam mit der CSU regiert, auf die Münchner Umland-Gemeinden zu. Die durch Udes Arroganz entstandene Eiszeit hatte ein gemeinsames Vorgehen beinahe unmöglich gemacht.

CSU fördert Wohneigentum

Wohnungsbau ist längst auch eine nationale Aufgabe. Die Bundesregierung will 1,5 Millionen neue Wohnungen und fünf Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau bis 2021. Hier setzt auch der anstehende Wohnungsgipfel an: Mehr Bauland zur Verfügung stellen und kürzere Verfahren. Mit dem von der CSU durchgesetzten Baukindergeld wird außerdem auch Wohneigentum und nicht nur Mietwohnungen gefördert.

Die meisten Gesetze gibt es auf Bundesebene, etwa im Bau-, Miet- oder Bodenrecht. Hier gibt es viel unnötige Bürokratie, die Wohnungsbau behindert, etwa bei den Dämmvorschriften. Doch haben SPD und Grüne während ihrer Regierungszeit im Bund von 1998 bis 2005 Entscheidendes verändert? Im Gegenteil, gerade in dieser Zeit sind die Mieten besonders stark explodiert und es wurden immer weniger Wohnungen gebaut.

Man sollte auch beachten: Wenn sich Vermieten nicht mehr lohnt, wird der Mietwohnungsbau schrumpfen. Man kann nicht nur auf Investoren schimpfen, denn ohne sie gäbe es kaum Wohnungsbau – auch nicht jeder ist ein gieriger Miethai. Gewinnerzielung ist nichts grundsätzlich Schlechtes, sondern der Antrieb für Investitionen.

Es gibt keine einfachen Lösungen

Zudem gibt es einen Konflikt zwischen dem Erhalt von Erholungs- und Grünflächen auf der einen Seite sowie Wohnungsbau (plus Schulen, Kindergärten, Kliniken etc.) auf der anderen Seite. Wenn man dann wie die Grünen den „Flächenfraß“ einschränken und Baustandards verschärfen will, aber zugleich mehr Wohnungen fordert, verspielt man jede Glaubwürdigkeit.

Was also tun? München ist ein Opfer der guten Wirtschaftsentwicklung Bayerns. Entscheidend wird darum sein, Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Entscheidend wird sein, Unternehmen dazu zu bringen, sich auch wieder im Umland oder auf dem Land anzusiedeln. Breitbandversorgung und Hochschul-Außenstellen können dabei helfen.

Überall nur ein oder zwei Stockwerke aufzustocken, würde auch viel bringen. Aber Wachstum in die Höhe stößt auf Widerstand der Anwohner, bringt oft teure Wohnungen und verursacht auch immer mehr Verkehr. Gerade auf Straßen, Radwegen und im öffentlichen Nahverkehr platzt aber in München schon jetzt alles aus den Nähten. Auch das ein rot-grünes Versäumnis.