Die SPD droht mit einem Rentenwahlkampf. Dies war (außer 1998) stets ein Tabu, weil der Generationenvertrag und damit der Soziale Friede nicht angetastet werden sollte. (Symbolfoto: Imago/Christian Ohde)
Rentenwahlkampf

Geisterfahrt der SPD

SPD-Finanzminister Scholz sorgt für Streit in der Regierung: Völlig zur Unzeit stellt er Forderungen zum Rentenniveau des Jahres 2040 – dabei hat die zuständige Kommission gerade erst ihre Arbeit aufgenommen. Aus CDU und CSU kommt scharfe Kritik.

SPD-Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sät Streit in der Regierung: Obwohl die Kommission zur Zukunft der Renten gerade erst ihre Arbeit aufgenommen hat, fordert er eine Garantie des Rentenniveaus bis 2040. Ansonsten droht Scholz der Union mit einem Rentenwahlkampf – wie einst 1998, als die SPD massiv Stimmung machte gegen den „Demographischen Faktor“, den die Regierung Helmut Kohl wegen der zunehmenden Schieflage im Rentensystem hatte einführen müssen.

Rentenpolitische Geisterfahrt der SPD.

Max Straubinger, CSU-Bundestagsabgeordneter

„Kurz nach der gewonnen Wahl 1998 musste die SPD dann selbst einen Nachhaltigkeitsfaktor einführen, weil es einfach nicht anders ging“, erinnert der CSU-Sozial- und Rentenexperte Max Straubinger im Gespräch mit dem BAYERNKURIER. Der „Nachhaltigkeitsfaktor“ der SPD wirkte sich im Endeffekt deutlich negativer auf die Rentner aus als Kohls „Demographischer Faktor“. Rentenwahlkämpfe waren bis dahin in der Geschichte der Bundesrepublik tabu, weil der Generationenvertrag und damit der soziale Friede nicht durch Parteienstreit untergraben werden sollte.

CSU ist gegen Vorfestlegungen

Den jetzigen Vorstoß des SPD-Finanzministers – der gar nicht zuständig ist – nennt Straubinger, der in der vergangenen Legislaturperiode Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe war, eine „rentenpolitische Geisterfahrt der SPD“. Denn: „In der Koalition haben wir uns für stabilisierende Maßnahmen bis 2025 geeinigt.“ Dazu zählten die Umsetzung der Mütterrente und die Erweiterung der Zurechnungszeit bei der Erwerbsminderungsrente, erklärt der Bundestagsabgeordnete aus Niederbayern.

Das Thema ist schwierig genug und wir haben eine große Verantwortung.

Volker Kauder (CDU), Unionsfraktionschef

„Alle weiterführenden Maßnahmen über 2025 hinaus wurden einer Rentenkommission aufgetragen“, betont Straubinger gegenüber dem BAYERNKURIER und kritisiert: „Deshalb kann es keine Vorfestlegungen geben. Drohungen sind dem Klima in der Sache und der Arbeit der Koalition abträglich.“

Im Koalitionsvertrag ist lediglich festgelegt, dass ein Rentenniveau von 48 Prozent bis zum Jahr 2025 garantiert wird – das Rentenniveau ist das Verhältnis zwischen der Rente und dem aktuellen Durchschnittsverdienst. Zudem will man die Beiträge für die Arbeitnehmer zur Finanzierung der Renten bei 20 Prozent stabilisieren.

Scholz schadet der Rentenkommission

Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) mahnt die SPD zu Ruhe und Sachlichkeit. „Für die Arbeit der Kommission ist es nicht gut, wenn nun von Seite des Koalitionspartners weitgehende Forderungen gestellt werden, die auch noch mit der Überlegung verknüpft werden, dass im Jahr 2021 ein Rentenwahlkampf geführt werden soll, falls diese nicht erfüllt werden“, sagte Kauder den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Das Thema ist schwierig genug und wir haben eine große Verantwortung.“

Mit seiner markig vorgetragenen Vorfestlegung leistet Scholz der gerade erst begonnenen Kommissionsarbeit einen Bärendienst, ja gefährdet die Grundlagen ihrer Arbeit.

Hermann Gröhe (CDU), Unionsfraktionsvize

Schärfer formulierte der fachlich zuständige Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe (CDU), der der Rentenkommission selbst angehört. „Mit seiner markig vorgetragenen Vorfestlegung leistet Scholz der gerade erst begonnenen Kommissionsarbeit einen Bärendienst, ja gefährdet die Grundlagen ihrer Arbeit“, sagte Gröhe. „Das mag dem anhaltenden Umfragetief der SPD geschuldet sein, ist aber unverantwortlich.“ Die SPD kommt weiter über Umfragewerte um die 17 bis 18 Prozent nicht hinaus und ist nach Ansicht von Berliner Insidern händeringend auf der Suche nach Themen, mit denen sie sich profilieren kann.

Für Ruhe und Sachlichkeit in der Rentenkommission

Für die Rentenkommission gehe es darum, ein auskömmliches Alterseinkommen zu sichern und zugleich die junge Generation und Deutschlands Wirtschaftskraft nicht zu überfordern, erklärte Gröhe. Ausdrücklich verwies er auf Scholz‘ SPD-Parteikollegen, Arbeitsminister Hubertus Heil, und dessen fachliche Zuständigkeit: „Der zuständige Minister Heil hat die an der Kommissionsarbeit beteiligten Vertreter der Sozialpartner, der Wissenschaft und der Politik ausdrücklich vor Denkverboten gewarnt.“

Auch Nordrhein-Westfalens Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte, die Rentenkommission sei gerade erst eingesetzt worden. Scholz solle nun „nicht das Ergebnis vorwegnehmen“. Besonders geärgert habe ihn dessen Drohung mit einem Rentenwahlkampf, sagte Laumann im ARD-„Morgenmagazin“. „Man kann ja nicht von vornherein sagen: Wenn das Rentenniveau fällt, dann gibt es einen Rentenwahlkampf“, kritisierte er. „Die Frage, wie das mit der Rente weitergeht, wie wir den Ausgleich zwischen der jungen und der älteren Generation schaffen, das ist ganz schwer in Wahlkämpfen zu klären. Sondern ich finde, das muss in Ruhe und Sachlichkeit gemacht werden.“

Reserven wachsen

Die Reserven der Rentenkasse wachsen dank guter Konjunktur voraussichtlich stärker als zuletzt prognostiziert. Nach neuen Schätzungen der Deutschen Rentenversicherung wird die Rücklage bis Ende Dezember auf 37,3 Milliarden Euro steigen, wie der Spiegel berichtet. Noch Ende Juni hatte die Rentenversicherung einem Anstieg gegenüber dem Vorjahr um 1,4 Milliarden auf 34,8 Milliarden Euro vorhergesagt. Diese Reserven werden jedoch dringend gebraucht, wenn die geburtenstarken Jahrgänge von 1955 bis 1969 in den Ruhestand gehen.

Der Plan von Olaf Scholz könnte allerdings Zusatzkosten von 650 Milliarden Euro kosten, hat das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) ermittelt. Dafür müsste der Steuer-Zuschuss des Bundes in die Rentenkasse schon bis 2030 von 100 auf 160 Milliarden Euro im Jahr steigen, meldet die Bild-Zeitung.