Gefährliche Jihad-Rückkehrer
In Deutschland besteht anhaltend hohe Gefahr islamistisch motivierter Gewalttaten, warnt Innenminister Joachim Herrmann. Von zurückgekehrten IS-Kämpfern geht großes Gefahrenpotential aus. Immer mehr Linksextremisten sind immer gewaltbereiter.
Radikalismus

Gefährliche Jihad-Rückkehrer

In Deutschland besteht anhaltend hohe Gefahr islamistisch motivierter Gewalttaten, warnt Innenminister Joachim Herrmann. Von zurückgekehrten IS-Kämpfern geht großes Gefahrenpotential aus. Immer mehr Linksextremisten sind immer gewaltbereiter.

Der Islamismus bleibt „die größte Bedrohung unserer Gesellschaft“. Das betonte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bei der Vorstellung der Verfassungsschutzinformationen für das erste Halbjahr 2018. Nach wie vor gingen weltweit die meisten Anschläge, denen Menschen zum Opfer fallen, auf das Konto gewaltbereiter Islamisten. Auch in Europa, in Frankreich und Belgien, wurden im ersten Halbjahr neun Personen bei islamistischen Angriffen mit Autos, Messern oder Schusswaffen getötet.

In Deutschland besteht eine anhaltend hohe Gefahr jihadistisch motivierter Gewalttaten.

Joachim Herrmann, Bayerns Innenminister

Herrmann: „Auch in Deutschland besteht eine hohe Gefahr jihadistisch motivierter Gewalttaten.“ So entdeckten im Juni Fahnder in Nordrhein-Westfalen bei einem mutmaßlichen Islamisten die schon in geringsten Mengen tödliche Substanz Rizin. Das hochgiftige Material gilt als biologischer Kampfstoff. Herrmann: „Dies belegt, dass gewaltbereite Islamisten in ihrem Kampf gegen „Ungläubige“ und die verhasste westliche Gesellschaft sogar bereit sind biologische Kampfstoffe einzusetzen.“ Im Internet kursierten denn auch Anleitungen zur Herstellungen von Toxinen und Giften, etwa Rizin, die als Tatmittel verwendet werden könnten, warnte der Innenminister.

Jihad-Rückkehrer

Sehr wachsam sind bundesdeutsche und bayerische Sicherheitsbehörden gegenüber sogenannten Jihad-Rückkehrern aus den Bürgerkriegsgebieten in Nahost. Solche Rückkehrer des Islamischen Staates (IS) „genießen in der Szene hohes Ansehen und könnten andere ebenfalls radikalisieren“, so Herrmann. Die IS-Rückkehrer hätten zudem Kenntnisse im Umgang mit Waffen, Spreng- und Kampfstoffen. Außerdem müsse man damit rechnen, „dass ihre Hemmschwelle für die Anwendung von Gewalt gegen Menschen deutlich gesunken ist“, heißt es ergänzend in den aktuellen Verfassungsschutzinformationen des Innenministeriums.

Von Rückkehrern aus den ehemals vom IS kontrollierten Gebieten geht ein hohes Gefahrenpotential aus.

Bayerisches Staatsministerium des Innern und für Integration

Bis Ende Juni diesen Jahres lagen deutschen Sicherheitsbehörden Erkenntnisse zu mehr als 1000 Personen vor, die aus Deutschland nach Syrien oder Irak ausgereist sind. Für Bayern wurden 71 nach Nahost ausgereiste Jihadisten gezählt. Der Frauenanteil lag im Bund wie in Bayern bei rund 20 Prozent. Bislang sollen 109 neun Dschihadisten aus Deutschland zu Tode gekommen sein, davon neun aus Bayern. „28 Personen, die sich im Krisengebiet aufhielten, sind bereits wieder nach Deutschland zurückgekehrt, 22 davon nach Bayern”, berichtet das Innenministerium.

Jihadisten-Kinder

Bislang ist die befürchtete große Rückkehrwelle von Jihad-Reisenden ausgeblieben. Bayerns Sicherheitsbehörden rechnen aber weiter mit der Bedrohung. Denn in Irak und Syrien wurden inzwischen hunderte in- und ausländischer IS-Unterstützer verhaftet und müssen sich dort vor Gericht verantworten, darunter auch Personen aus Deutschland. Mit dem fortschreitenden Zerfall des IS werde deren Zahl weiter ansteigen, warnte Herrmann: „Diesem Schicksal versuchen einige durch die Rückkehr nach Europa zu entgehen.“

Der Großteil der Minderjährigen ist im Baby- und Kleinkindalter und hält sich bei den Eltern auf.

Bayerisches Staatsministerium des Innern und für Integration

Ein besonderes Problem – und eine ganz eigene Gefahr – stellen dabei Jihadisten-Kinder dar. Bundesweit seien mindestens 315 Kinder und Jugendliche entweder gemeinsam mit ihren Eltern in die Bürgerkriegsgebiete ausgereist oder wurden dort geboren, so Herrmann. Das bayerische Innenministerium geht davon aus, dass sich derzeit etwa 20 Minderjährige aus Bayern in der Krisenregion aufhalten.

Konspirative Salafisten

Bayerns Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2017 zählte für Deutschland 10.800 Salafisten, für Bayern „etwa 730“. Bayerns Sicherheitsbehörden beobachten die Salafisten und ihre sogenannte Missionierungsarbeit auch weiterhin scharf. „Ein Großteil der (Salafisten-) Aktivitäten wird konspirativer“, warnte jetzt Herrmann. Szenenangehörige agierten in geschlossenen Internetgruppen und vernetzten sich durch geheime Treffen.

Weniger rechtsextrem motivierte Straftaten

Von einem Rückgang der Straf- und Gewalttaten konnte Herrmann beim Rechtsextremismus berichten: Im ersten Halbjahr 2018 ging die Zahl der rechtsextrem motivierten Straftaten von 657 im Vergleichszeitraum des Vorjahres auf 577 zurück. Die Zahl der Gewalttaten fiel von 39 auf 15. Herrmann: „ein Rückgang um 62 Prozent.“ Im Jahr 2017 waren von insgesamt 1897 rechtsextrem motivierten Straftaten 1085 sogenannte Propagandadelikte.

Gewaltbereite Linksradikale

Auf der linksextremen Seite zählten Bayerns Sicherheitsbehörden im ersten Halbjahr 2018 schon 238 Straftaten, darunter 17 Gewalttaten. Linksextreme Propagandadelikte gibt es nicht. Die scheinbar kleinen Zahlen für Bayern kaschieren eine beunruhigende Entwicklung: Deutschlandweit steigt die Zahl der linksradikalen Schläger und ihre Gewaltbereitschaft kontinuierlich. Herrmann: „Von 2012 bis 2017 stieg die Zahl der linksextremistischen Gewalttaten bundesweit von 876 auf 1648 und damit um 88 Prozent!“. Gleichzeitig sei die Zahl der gewaltbereiten Linksextremisten im selben Zeitraum von 7100 auf 9000 Personen gestiegen.

Ich appelliere an alle Demokraten, sich deutlich von linksextremistischen Gruppierungen zu distanzieren.

Joachim Herrmann

Die Aktivitäten der der Linksextremisten würden immer stärker sichtbar, so der Innenminister. Den Linksextremisten gehe es um die Diffamierung und Zerstörung des demokratischen Rechtsstaates „unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Rechtsextremismus“. Ins linksradikale Visier gerieten neben Repräsentanten des verhassten Staates auch Vertreter von Parteien sowie Unternehmen. Herrmann: „Autonome Linksextremisten sehen sich befugt, Gewalt gegen alle auszuüben, die nicht ihrer Meinung sind.“ Nachdrücklich warnte der Innenminister davor, sich auf Demonstrationen mit Linksextremisten gemein zu machen: „Ich appelliere an alle Demokraten, sich deutlich von linksextremistischen Gruppierungen zu distanzieren, um deren demokratiezerstörendem Gedankengut keinen Vorschub zu leisten.“

Reichsbürger

Auf 4200 Personen bezifferte Herrmann die Szene der sogenannten Reichsbürger. Bis zu 400 Personen müssten zum harten Kern gerechnet werden. Bis zum 30. Juni wurden in Bayern 297 Reichsbürger mit waffenrechtlichen Erlaubnissen identifiziert. In allen Fällen wurden inzwischen von den Waffenbehörden Widerrufsverfahren eingeleitet.