Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer. (Foto: Imago/Zuma Press)
Extremismus

Immer mehr islamistische Gefährder

Die Zahl der islamistischen Salafisten sowie Terror-Gefährder steigt erschreckend stark an, ebenso die Zahl militanter „Reichsbürger“. Das sind die wichtigsten Entwicklungen im neuen Verfassungsschutzbericht, den Innenminister Seehofer vorstellte.

Ein besorgniserregender Zuwachs von islamistischen Terror-Gefährdern, Salafisten sowie selbsternannten „Reichsbürgern“, eine Zunahme linksextremistischer Straftaten sowie ein Rückgang bei den rechtsextremistischen Straftaten: Das sind die wichtigsten Entwicklungen im Verfassungsschutzbericht 2017, den Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen in Berlin präsentiert haben.

Bei der Abschiebung islamistischer Gefährder müssen die Behörden noch besser werden.

Horst Seehofer (CSU), Bundesinnenminister

Größte Gefahr für die freiheitliche-demokratische Grundordnung sind die radikalen Islamisten, hier vor allem die Salafisten. Die Zahl der Salafisten in Deutschland hat 2017 erstmals die Marke von 10.000 überschritten, auf exakt 10.800 Personen. Im Jahr 2016 waren es noch 9700 Salafisten gewesen, 2012 waren es erst 4500.

775 islamistische Terror-Gefährder

Die Zahl der islamistischen Gefährder stieg binnen Jahresfrist erschreckend stark, um mehr als 50 Prozent: von 500 auf 775. Gefährder sind Menschen, denen die Polizei eine schwere politisch motivierte Straftat zutraut – etwa einen Terroranschlag. Bei der Abschiebung islamistischer Gefährder müssten die Behörden „noch besser werden“, sagte Seehofer.

Dem „islamistisch-terroristischen Personenpotenzial“ rechneten die Behörden Ende Mai 2018 rund 1900 Salafisten zu. Unter diese Definition fallen sogenannte Gefährder, „relevante Personen“ sowie andere Menschen aus dem islamistischen Spektrum, die der Verfassungsschutz auf dem Schirm hat. Zum Vergleich: Im Juni 2017 fielen etwa 1700 Salafisten in diese Kategorie. Als „relevant“ wird eingestuft, wer innerhalb des extremistisch-terroristischen Spektrums eine Führungsrolle einnimmt, als Unterstützer gilt oder enge Kontakte zu Gefährdern pflegt.

Fünf mal mehr Terror-Verfahren vor Gericht

Durch die zunehmende Radikalisierung der salafistischen Szene stieg in den vergangenen Jahren auch die Zahl der Strafverfahren mit einem islamistischen Hintergrund an. Insbesondere gegen Kriegsrückkehrer aus Syrien und dem Irak sowie gegen Personen, die Anschlagspläne im Inland vorbereiteten oder unterstützten, wurden Gerichtsverfahren durchgeführt und Urteile gesprochen. Einige „Gefährder“ sitzen inzwischen im Gefängnis. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft gab es 2017 rund 1200 eingeleitete Terror-Verfahren. Das waren fast fünf Mal so viele wie im Jahr 2016 (rund 250). Von diesen Verfahren hätten rund 1000 einen islamistischen Hintergrund (2016: etwa 200) gehabt.

Laut Verfassungsschutz steht die Bundesrepublik nach wie vor im Fokus islamistischer Terroristen. Weiterhin besteht demnach eine ernstzunehmende Bedrohungslage. Die Anschläge der letzten Jahre etwa in Brüssel, London, Manchester und Paris machten deutlich, dass jederzeit mit einem islamistisch motivierten Terroranschlag zu rechnen sei. Das identifizierte islamistisch-terroristische Personenpotenzial liege bei 1880 Personen – Tendenz steigend.

Gefahr durch gewaltbereite Reichsbürger

„Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ haben starken Zulauf und sind in Teilen zu „schwersten Gewalttaten“ bereit, heißt es weiter im Verfassungsschutzbericht. Inzwischen würden rund 16.500 Personen dieser Szene (2016: 12.800 Personen) zugerechnet. 900 Mitglieder der Szene seien Rechtsextremisten (2016: 800). Beide Gruppen erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an, lehnen deren Rechtssystem ab und weigern sich oftmals, Steuern oder Bußgelder zu zahlen. Die Mitglieder werden daher vom Verfassungsschutz aktuell als „staatsfeindlich und extremistisch“ eingestuft.

Die Szene ist laut Verfassungsschutz von einer hohen Militanz geprägt und beweise dabei neben ihrer „verbalen Aggressivität“ auch eine „hohe Affinität zu Waffen“. Unter den Angehörigen der Szene haben 1200 eine waffenrechtliche Erlaubnis, 450 Personen wurde sie entzogen. Der Anteil der Personen mit waffenrechtlichen Erlaubnissen ist unter „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ mit 7 Prozent höher als in der Gesamtbevölkerung (2 Prozent). Sowohl die „Reichsbürger“ als auch die „Selbstverwalter“ sind nach Einschätzung der Sicherheitsbehörde „bereit, ihre Waffen für schwerste Gewalttaten einzusetzen“. Gerichte, Polizei und Behörden würden von Szene-Angehörigen zunehmend in ihrer Arbeit behindert, Mitarbeiter würden bedroht, heißt es im Verfassungsschutzbericht. In Einzelfällen komme es auch zu körperlichen Übergriffen.

29.500 Linksextremisten, 24.000 Rechtsextremisten, 16.500 „Reichsbürger“

Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund ging 2017 um 35 Prozent zurück. Das hänge auch damit zusammen, dass es heute weniger Sammelunterkünfte für Asylbewerber gebe. Diese waren in den Vorjahren häufig Ziel von Angriffen der Rechtsextremisten gewesen. Die Behörden zählten Ende 2017 bundesweit rund 24.000 Rechtsextremisten – eine leichte Zunahme, denn ein Jahr zuvor hatten sie diesem Spektrum rund 23.100 Menschen zugeordnet. Die Zahl der Neonazis stieg um 200 auf etwa 6000.

Dass die Zahl der Linksextremisten im vergangenen Jahr um vier Prozent auf 29.500 Menschen zugenommen hat, hängt nach Ansicht der Experten auch mit dem Erstarken der AfD zu tun. Sie gilt vielen Linksextremisten als Feindbild.