Immer mehr Flüchtlinge versuchen, ihren Anspruch auf Asyl vor Gericht einzuklagen. (Foto: Imago/Christian Ohde)
Asylpolitik

Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt

Die Bundesregierung will Tunesien, Algerien, Marokko und Georgien zu "sicheren Herkunftsstaaten" erklären. Das Kabinett verabschiedete am Mittwoch einen entsprechenden Entwurf, der bei Grünen und Linken vorab bereits auf Widerstand gestoßen war.

Ziel der Regierung ist es, mit der Einstufung von Tunesien, Algerien, Marokko und Georgien zu „sicheren Herkunftsstaaten“ die Asylverfahren und Rückführungen von Menschen aus diesen Ländern zu beschleunigen.

Der Entwurf sieht eine Stichtagsregelung für diejenigen vor, die jetzt schon einen Arbeitsplatz haben oder einen Ausbildungsvertrag geschlossen haben. Obwohl für Asylbewerber und Geduldete aus sicheren Herkunftsstaaten eigentlich ein Arbeitsverbot gilt, sollen sie weiter arbeiten dürfen. Stichtag ist dieser Mittwoch.

Grüner Widerstand

Das Gesetz muss aber noch durch den Bundesrat, wo mit starkem Widerstand der grün mitregierten Bundesländer zu rechnen ist. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erklärte vorab: „Für dieses Gesetz braucht man zwei Bundesländer mit grüner Beteiligung.“ Er wolle aber jetzt noch nicht das Gespräch mit den Landesregierungen suchen, sondern erst wenn diese ihre eigenen Forderungen benannt hätten. Laut Seehofer will die Bundesregierung im Herbst einen weiteren Gesetzentwurf verabschieden, um weitere Staaten mit einer regelmäßigen Anerkennungsquote von unter fünf Prozent zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären.

Die Maghreb-Staaten im Fokus

Während es zu Georgien keine Bedenken gibt, sagte der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Noch immer gilt, dass in den Maghreb-Staaten Journalisten, Minderheiten und Homosexuelle nicht sicher sind vor Verfolgung und Haft.“ Doch laut SPD-geführtem Außenministerium ist die Lage wohl viel besser, als die Grünen behaupten.

  • Tatsächlich sieht das Außenministerium in seiner Beurteilung etwa zu Tunesien „deutliche Fortschritte beim Schutz der Menschenrechte“ und „umfangreiche Garantien bürgerlicher und politischer sowie wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte“ in dem Land, auch wenn es eine „Tabuisierung des Schutzes sexueller Minderheiten“ und „Defizite beim Schutz vor Folter“ gebe. Beides gibt es allerdings auch in der Türkei, dem Land, das die Grünen so gerne in die EU aufnehmen wollen. Zudem plant Tunesien eine Abschaffung der Strafbarkeit von Homosexualität.
  • In Marokko sieht das Außenamt einen „Kurs der schrittweisen Modernisierung“ seit 1999 und seit 2004 sogar die „die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau“ per Gesetz. Weiter heißt es dort: „Das öffentliche Bewusstsein für Menschenrechte wächst. Der 2012 gegründete Nationalrat für Menschenrechte agiert unabhängig und nimmt seine Aufgabe als Kontrollinstanz gewissenhaft wahr.“ Durch die „weitgehend freie Diskussion von Menschenrechtsfragen“ sei die Sensibilität der Öffentlichkeit gewachsen.
  • Auch in Algerien sind seit dem „Arabischen Frühling“ 2011 Verfassungsreformen durchgeführt worden. Die neue Verfassung sieht laut Außenamt „u.a. die Stärkung von Grundrechten und Gewaltenteilung vor“. Weiter heißt es: „Algerien ist den wichtigsten internationalen Menschenrechtsabkommen beigetreten. Laut Verfassung werden die Grundrechte gewährleistet. Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen haben seit Ende der 1990er Jahre abgenommen, bestehen jedoch grundsätzlich fort.“ Von Misshandlungen durch Sicherheitskräfte wird nur „in Einzelfällen“ berichtet. „Nichtregierungsorganisationen kritisieren insbesondere Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs-,und Pressefreiheit“, steht zudem in der Beurteilung.

All das spricht nicht gegen eine Einstufung als „Sichere Drittstaaten“. Denn jeder einzelne Asylantrag wird auch bei derart eingestuften Drittstaaten trotzdem von den deutschen Behörden geprüft. Gegen deren Entscheidung steht zudem der Rechtsweg offen und schließlich gibt es auch noch „Härtefall-Kommissionen“. Die Anerkennungsquote für Menschen aus Georgien hat 2017 nur 0,6 Prozent betragen, bei Algerien zwei Prozent, bei Marokko 4,1 Prozent und bei Tunesien 2,7 Prozent. FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae erklärte deshalb: „Die Grünen verschließen die Augen vor der Realität und kreieren ein völlig falsches Bild.“

Roth ohne Kenntnis des Grundgesetzes

Ungeachtet dieser Faktenlage nannte Habecks grüne Parteikollegin Claudia Roth den Beschluss einen grundlegenden „Angriff auf das Recht auf Asyl“. „Die stetige Relativierung geltenden Rechts durch die Bundesregierung ist zutiefst besorgniserregend“, so Roth weiter.

Die Grünen werden bei diesem Gesetz Farbe bekennen müssen. Es wäre verheerend, wenn sie sich erneut sinnvollen Maßnahmen gegen illegale Migration und Kriminalität entgegenstellen würden.

Mathias Middelberg (CDU)

Tatsächlich steht aber die Einstufung zu sicheren Drittstaaten sogar im Asyl-Artikel 16a Grundgesetz und kann schon deshalb kein „Angriff“ auf das Asylrecht sein. Hier fehlt es bei der grünen Bundestagsabgeordneten offenbar an Basiswissen über die deutsche Verfassung.

Auch SPD für die Einstufung

Auch Außenminister Heiko Maas (SPD) wies die grüne Kritik zurück. „Ich warne vor Pauschalurteilen. Bloß weil wir nicht mit allen politischen Entwicklungen in den Maghreb-Staaten einverstanden sind, sollten wir sie nicht zu Folterstaaten erklären“, sagte Maas dem RND. Schon 2017 war der Versuch, die drei Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, im Bundesrat am Widerstand von Landesregierungen mit grüner und linker Beteiligung gescheitert.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU) sagte: „Die Grünen werden bei diesem Gesetz Farbe bekennen müssen. Es wäre verheerend, wenn sie sich erneut sinnvollen Maßnahmen gegen illegale Migration und Kriminalität entgegenstellen würden.“

Sichere Herkunftsländer

Neben den EU-Staaten gelten Ghana, Senegal, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Montenegro, Albanien und das Kosovo als sichere Herkunftsländer. Asylanträge aus diesen Ländern können ebenso wie Abschiebungen beschleunigt durchgeführt werden.