Unschön und belastend: Die geplanten Stromautobahnen und viele Windräder stoßen bei manchen Anwohnern auf Gegenwehr. (Bild: Wolfram Göll)
Energiewende

Gabriel gibt sich kompromissbereit

In das Tauziehen um die Energiewende kommt Bewegung. Bereits am kommenden Mittwoch wollen die Koalitionsspitzen die offenen Fragen klären – einschließlich der Themen Stromtrassen und Castoren. „Wir sind noch nicht fertig, aber wir sind auf einem guten Weg“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer. Noch optimistischer gibt sich SPD-Chef Gabriel: Er sei „sicher“, dass sich die Koalition einigt.

Die CSU will in jedem Fall mehr erreichen, als Gabriel bislang angeboten hat: „Was unseren bayerischen Interessen nicht entspricht, werden wir nicht unterschreiben“, stellte Seehofer klar. „Dann müssen wir uns halt nochmal treffen.“ Hauptstreitthemen sind der Plan zum Bau zweier neuer Höchstspannungstrassen durch Bayern, die CSU-Forderung nach Subventionen für neue Gaskraftwerke in Bayern sowie die von Umweltministerin Hendricks (SPD) ohne Rücksprache mit der Staatsregierung angekündigten Transporte von Castoren mit hochradioaktivem Atommüll nach Bayern.

Seehofer betonte erneut, dass „alles mit allem“ zusammenhänge. Er nannte die „Trassenfrage, die Kraftwerksfrage, die Klimaschutzfrage, die Castorfrage und die Endlagerfrage“. Seehofer äußerte sich insgesamt zurückhaltender als SPD-Chef Sigmar Gabriel: „Wir haben noch Einiges zu leisten.“

Dreimal mehr Geld für Kraft-Wärme-Kopplung

Wie Gabriel erklärte, will die Koalition ihren Streit um Kohle-Abgabe, Klimaschutz und die Stromnetze am kommenden Mittwoch mit einer Paketlösung bereits endgültig abräumen. „Ich bin sicher, dass wir das am 1. Juli in der Beratung der Koalition hinkriegen werden“, meinte Gabriel. Dafür ist er offenbar zu Zugeständnissen bereit.

Durch eine Verdreifachung der Förderung von klimafreundlichen Gasanlagen, die Strom und Wärme erzeugen (Kraft-Wärme-Kopplung / KWK), auf jährlich 1,5 Milliarden Euro sowie Prämien für die schrittweise Stilllegung alter Braunkohle-Meiler drohen indes den Bürgern und dem Mittelstand neue Strompreiserhöhungen. Die Großindustrie ist von der Umlage für Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) befreit. Die ursprünglich von Gabriel geplante Strafabgabe für Kohle-Kraftwerke wird nicht kommen.

Gabriel kompromissbereit im Trassen-Streit

Gabriel gab auch einen Kompromissvorschlag in Sachen Stromtrassen bekannt: Überraschend befürwortet er nun auch die Verlegung von teuren Erdkabeln an Orten, wo Bürger Front gegen neue Leitungen machen. Das wird die Kosten des Netzausbaus in die Höhe treiben. Gabriel erklärte, die Mehrkosten seien zu verschmerzen; sie seien im Vergleich zu Verzögerungen und Gerichtskosten bei Klagen vertretbar.

Der von Wolmirstedt bei Magdeburg bis ins bayerische Meitingen geplante „Ost-Link“ soll auf einer bestehenden Trasse Wind- und Braunkohlestrom nach Bayern bringen, davon die letzten Kilometer als Erdverkabelung. Auch bei der „Hauptschlagader“ der Energiewende, der 800 Kilometer langen Trasse „Suedlink“, ist Gabriel zu Änderungen bereit. Am Endpunkt der Leitung am Kernkraftwerk Grafenrheinfeld in Unterfranken, das dieser Tage vom Netz geht, müsse aber festgehalten werden, sagte er. „Ich glaube, dass das ein sehr weitgehendes Angebot an die bayerische Staatsregierung ist, das ihnen helfen kann, den massiven Widerstand gegen den Freileitungsausbau in Bayern zu minimieren.“

Kohlendioxid-Abgabe wird nicht kommen

Gabriel ließ durchblicken, dass die Kohle-Abgabe zwar politisch noch auf dem Tisch liegt, die Entscheidung aber zugunsten eines Maßnahmenpakets ausfallen wird, das die Bergbau-Gewerkschaft IG BCE und das SPD-geführte Wirtschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen ausgearbeitet haben. Damit will die Regierung zusätzlich 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid einsparen, um ihr gefährdetes Klimaschutzziel bis 2020 noch zu schaffen.

Alte Braunkohle-Kraftwerke sollen für Engpässe in eine Reserve gehen und schrittweise stillgelegt werden. Dafür werden vor allem die Konzerne RWE und Vattenfall Geld bekommen. Gabriel betonte, er halte seine Abgabe zwar für die bessere Idee. Gewerkschaften und Kohle-Industrie hätten aber „nachvollziehbar“ das Risiko von Strukturabbrüchen und Arbeitsplatzverlusten in den Braunkohle-Revieren dargelegt.

NRW schaltet fünf Braunkohle-Dreckschleudern schrittweise ab

Derweil sollen in Nordrhein-Westfalen fünf Braunkohlekraftwerke schrittweise abgeschaltet und nur noch einige Jahre lang als Reserve für Engpässe bereitgehalten werden. Das ist nach Angaben des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministers Garrelt Duin (SPD) Teil des geplanten Klimapakets der Bundesregierung. Der Stromkonzern RWE wird für die Bereitstellung der Reserve-Kapazitäten bezahlt. Mit diesem Konzept ist die auch von der NRW-Landesregierung heftig kritisierte Klima-Abgabe vom Tisch.

Wie Duin berichtete, wird sich der Strompreis für Privat- und Industriekunden durch diese Prämie und die Verdreifachung der Förderung von klimafreundlichen Anlagen, die Strom und Wärme erzeugen (KWK), voraussichtlich um etwa 0,5 Cent je Kilowattstunde verteuern. Das sei eine verträgliche Größenordnung. Die Abschaltung der Braunkohlekraftwerke von jeweils 300 Megawatt solle gestaffelt erfolgen, sagte Duin. Die fünf Meiler sollten vier Jahre in Reserve gehalten und dann endgültig stillgelegt werden. Damit werde ein Strukturbruch im rheinischen Braunkohlerevier vermieden und ein sozialverträglicher Strukturwandel ermöglicht. Duin verwies auf Angaben der IG BCE, nach denen die schrittweise Abschaltung der Kraftwerke rund 3000 Arbeitsplätze kosten werde.

wog/dpa