Grenzkontrollen und Abweisung aussichtsloser Migranten ist das beste Argument für eine vernünftige EU-Regelung. (Foto: Imago/Ronald Mühlanger)
Asylpolitik

Erst zurückweisen, dann verhandeln

Kommentar Die Pläne der CSU für direkte Zurückweisungen von chancenlosen Asylbewerbern an der deutschen Grenze sind nicht nur sachlich geboten, sondern finden auch die Unterstützung einer großen Mehrheit in der Bevölkerung: Zwei Drittel sind dieser Ansicht.

Die Zahlen sind deutlich: 65 Prozent der Deutschen sind für direkte Abweisungen von Asylbewerbern an den deutschen Grenzen und gegen ein Bleiberecht. Damit stößt Kanzlerin Merkel bei der großen Mehrheit der Bevölkerung auf wenig Sympathie mit ihrem Kurs, die Grenzen grundsätzlich offen zu halten und auf eine europäische Lösung zu hoffen. Wie das Erfurter Institut INSA herausgefunden hat, sind besonders viele Wähler der Union (63 Prozent), der FDP (75 Prozent) und der AfD (96 Prozent) für geschlossene Grenzen. Nur die Wähler der Grünen unterstützen Merkels Kurs.

Im ARD-Deutschlandtrend fordern 62 Prozent (Unions-Anhänger: 64 Prozent), dass Flüchtlinge ohne Papiere nicht nach Deutschland einreisen dürfen. Die Einrichtung von Anker-Zentren zur Erstaufnahme von Flüchtlingen finden 61 Prozent der Befragten richtig (Unions-Anhänger: 74 Prozent). Volle 86 Prozent fordern konsequentere Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern (Unions-Anhänger: 87 Prozent).

Es ist nicht nachvollziehbar, warum Merkel jetzt wieder auf die asylpolitische Bremse tritt und die Einheit der Unionsparteien gefährdet. Der Masterplan Migration von Innenminister Seehofer ist ein vernünftiges Konzept, um die Zuwanderung zu begrenzen, deutsches und europäisches Recht wieder in Kraft zu setzen – und Merkels Satz „2015 darf sich nicht wiederholen“ in die Tat umzusetzen.

Klare Regelung für die Zurückweisung

Der aktuelle Streit dreht sich um genau ein Element aus dem 63-Punkte-Masterplan Seehofers: die Abweisung von Immigranten, die ganz sicher keine Chance auf Anerkennung in Deutschland haben, direkt an der deutschen Grenze. Unter anderem sollen mit dem Masterplan zur Entlastung der Kommunen flächendeckend Anker-Zentren eingerichtet werden, die Asylverfahren sollen auf vier Wochen verkürzt werden, Abschiebungen werden erleichtert, indem der Bund zentral fehlende Ausweispapiere für Ausreisepflichtige besorgt und so weiter. Wichtige Projekte – 62 davon sind in der Union unstrittig.

Schon immer hat die CSU die Auffassung vertreten, dass es völlig sinnlos ist, Menschen, die ganz sicher keine Chance auf Asyl in Deutschland haben, überhaupt ins Land zu lassen. Diese sollten direkt an der Grenze abgewiesen werden. Das betrifft erstens Menschen, die bereits in anderen EU-Ländern registriert sind oder dort Asyl beantragt haben. Zweitens Migranten, die ihre Dokumente vernichtet haben, um ihre Identität zu verschleiern. Drittens die Personen, die bereits in Deutschland abgewiesen wurden und für die eine Einreisesperre gilt.

Bis September 2015 galt eine solche Regelung, ehe Merkel sie aufhob. Die Kanzlerin will aber auch jetzt die Grenzen grundsätzlich offen lassen, bis in zwei Wochen der EU-Gipfel über eine europäische Regelung berät. Zudem vertröstet sie Kritiker mit dem Plan eines bilateralen Rücknahmevertrags mit Italien. Freilich sind bereits seit drei Jahren weder eine einheitliche EU-Asylpolitik noch bilaterale Abkommen zustande gekommen – warum sollte das nun binnen zwei Wochen gelingen?

Miserable Verhandlungsposition, selbst verschuldet

Merkels Strategie ist zum Scheitern verurteilt, aus zwei Gründen: Erstens haben sich praktisch alle EU-Länder bereits im Herbst 2015 geweigert, größere Kontingente von Flüchtlingen aufzunehmen, sogar Schweden schloss nach einem Massenansturm die Grenzen. Warum sollte dies jetzt anders sein? Merkel hatte sich durch ihre Grenzöffnung im September 2015 in eine miserable Verhandlungsposition manövriert – nur Deutschland hatte den Leidensdruck der hunderttausendfachen Zuwanderung. Für die „Partner“ genügte es, sich zurückzulehnen und zuzuschauen, wie Deutschland sich mit dem Problem abkämpft. Warum sollten sie die Suppe auslöffeln, die Merkel eingebrockt hatte – so die Meinung in den meisten EU-Regierungen.

Zweiter Grund: Es ist absolut vordringlich, sofort zu handeln, auch wegen der unberechenbaren neuen Regierung in Rom. Nur durch die sofortige Abweisung aussichtsloser Asylbewerber ist Deutschland auf dem kommenden EU-Gipfel in der Verhandlungsposition, überhaupt etwas erreichen zu können. Denn so wie der türkische Präsident Erdogan die Flüchtlingskrise im Sommer 2015 hat eskalieren lassen, um die EU zu einem Abkommen mit hohen Geldzahlungen zu zwingen, so könnte die neue populistische Regierung in Italien binnen weniger Tage die Schleusen öffnen und Deutschland und Europa damit erheblich unter Druck setzen – einfach um ihren Wählern zu demonstrieren, dass sie es kann. Bereits im vergangenen Sommer hatte die damalige Regierung in Rom damit gedroht, Visa an die Flüchtlinge auszugeben. Darüberhinaus war es ohnehin jahrelange Praxis der Italiener, die Flüchtlinge einfach in Züge nach München oder Marseille zu setzen.

Deutschland als Anziehungspunkt

Nein, Frau Merkel. Nur umgekehrt wird ein Schuh draus: Jetzt sofort die Grenzen für aussichtslose Asylbewerber aus anderen EU-Staaten schließen, die Antragsteller zurückweisen. Und dann innerhalb der EU um eine tragfähige Lösung ringen, an der sich alle Partner gleichermaßen beteiligen. Dies ist auch der Inhalt eines Kompromissangebotes der CSU an die Kanzlerin. Eine europäische Lösung allerdings hat schon drei Jahre lang nicht funktioniert, die Hoffnungen sind auch jetzt gering. Etwa der Aufbau einer schlagkräftigen EU-Grenztruppe FRONTEX – die Grundlage jeder sinnvollen EU-Zuwanderungsregelung – muss viel rascher und entschlossener vorangehen. Viel Zeit wurde hier bereits verplempert.

Der CSU-Ansatz und Merkels Pläne schließen sich im Prinzip keineswegs aus, aber Merkels Prioritätensetzung ist falsch und wird keine Lösung bringen. Das A und O in den europäischen Verhandlungen ist die Abweisung aussichtsloser Asylbewerber. Ohne diesen Schritt wird der Sogeffekt nach Deutschland nicht abnehmen. So lange bei den Migranten die Meinung herrscht, wer es nach Europa schafft, kommt schon irgendwie nach Deutschland rein, ändert sich wenig.