Bundeskanzlerin Merkel verteidigt in der Generaldebatte die Politik der Großen Koalition. (Foto: DPA/Michael Kappeler)
Generaldebatte

Turbulenzen im Bundestag

In einer turbulenten Generalaussprache verteidigt Kanzlerin Merkel die Politik der großen Koalition. AfD-Fraktionschefin Weidel erhält für ausländerfeindliche Parolen einen Ordnungsruf. SPD-Chefin Nahles zündelt und schießt gegen Unionspolitiker.

Begrenzung und Steuerung der Migration, finanzielle Solidität, Modernisierung der Bundeswehr sowie Investitionen in Verkehrswege, Wohnungsbau und Digitalisierung: Diese Schwerpunkte setzt die Große Koalition mit dem vorliegenden Bundeshaushalt 2018 nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). In einer betont sachlichen Rede innerhalb einer turbulenten Debatte behandelte die Kanzlerin die internationalen Gefahrenherde ebenso wie die Gefahren für den deutschen Wohlstand, wenn die Politik die Modernisierung Deutschlands nicht schafft.

Grundsätzlich sei Deutschland bereit, mehr in den EU-Haushalt einzuzahlen, doch müsse auch hier Vernunft herrschen. Merkel sagte mit Blick auf die deutschen Finanzen: „Der Finanzminister ist großzügig, aber irgendwie gelten auch für ihn die Grundrechenarten.“ Deutlich mehr in den europäischen Haushalt und in den der Eurozone einzuzahlen und trotzdem die Stabilitätskriterien einzuhalten, sei „natürlich nicht ganz einfach“. Sie hob gleichzeitig die Anstrengungen ihrer Regierung hervor, weiter auf neue Schulden zu verzichten. „Das ist alles andere als selbstverständlich.“

Es geht nicht um Aufrüstung, sondern um Ausrüstung.

Angela Merkel, Kanzlerin, zur Erhöhung des Wehretats

„Es geht nicht um Aufrüstung, sondern ganz einfach um Ausrüstung“, forderte Merkel mehr Ausgaben im Wehretat. Dennoch gibt es Streit in der Koalition, da die SPD sich gegen Forderungen nach noch stärkeren Erhöhungen sperrt. Für 2018 sind bislang 38,5 Milliarden Euro an Verteidigungsausgaben vorgesehen, für das kommende Jahr 41,5 Milliarden Euro. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen möchte, dass ihr Etat mittelfristig auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigt – das wären rund 60 Milliarden Euro jährlich.

Merkel lobt Seehofers Pläne für Anker-Zentren

Ausdrücklich lobte sie die von Bundesinnenminister Horst Seehofer geplanten „Anker“-Zentren zur Aufnahme neuer Asylbewerber. „Dahinter sollten wir alle stehen“, appellierte sie an die SPD. Der CSU-Chef habe zur Flüchtlingspolitik „sehr gute Vorschläge vorgelegt“, sagte Merkel. Die offenbar jahrelangen Missstände im Bremer BAMF könnten wohl kaum dem neuen Minister angelastet werden: „Jetzt zu sagen, der Minister hat das BAMF nicht im Griff, ist ein bisschen komisch“, kritisierte Merkel die Angriffe aus SPD und Opposition.

Die Sozialkassen sind keine Sparkassen.

Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef

Mögliche Entlastungen der Bürger angesichts immer neuer Rekordeinnahmen kündigte Merkel nicht an. Dafür forderte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt eine Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um 0,5 Prozentpunkte. Union und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag auf eine Senkung um 0,3 Punkte auf 2,7 Prozent des Bruttolohns verständigt. „Wir können an dieser Stelle mehr machen“, sagte Dobrindt in der Haushaltsdebatte. „Die Sozialkassen sind in der Tat keine Sparkassen.“ Die Rücklage der Bundesagentur für Arbeit werde bald die 20-Milliarden-Euro-Marke erreichen. SPD-Chefin Andrea Nahles hatte hingegen betont: „Qualifizierung ist das Gebot der Stunde. Wer jetzt voreilig weitere Senkungen fordert, gefährdet diese Aufgabe.“

Kauder ermahnt Nahles

Die neue SPD-Chefin stieß auch mit anderen Aussagen auf Unverständnis bei der Unionsfraktion. Trotz vielfältiger Krisen in der Welt, in denen deutsche Soldaten verstärkt eingreifen, lehnte Nahles eine weitere Erhöhung des Wehretats ab. Mit Blick auf die kürzlich neu prognostizierten 10 Milliarden Euro zusätzlicher Einnahmen bis 2022 sagte sie: „Wir sind nicht bereit, die zusätzlichen Spielräume in dem Maß da reinzustecken.“

Nahles erhielt umgehend einen Rüffel von Unionsfraktionschef Volker Kauder. Es gehe um Kompetenz und Stärke der Bundeswehr, dazu sei eine moderne Ausrüstung zwingend nötig. Dass allerdings der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) völlig zurecht eine bessere Ausrüstung fordere und die SPD-Chefin gleichzeitig auf der Bremse stehe, „solche Aufgabenteilung werden wir nicht akzeptieren“, so Kauder.

Ordnungsruf gegen Weidel

Einen Eklat verursachte die AfD-Co-Fraktionschefin Alice Weidel mit ausländerfeindlichen Äußerungen in ihrer Auftaktrede. Weidel hatte die Einwanderungs- und Asylpolitik der Bundesregierung scharf angegriffen und gesagt: „Burkas, Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse werden unseren Wohlstand, das Wirtschaftswachstum und vor allem den Sozialstaat nicht sichern.“ Damit erntete sie heftige Proteste, Buh- und Pfui-Rufe aus den anderen Fraktionen. Von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble erhielt sie einen Ordnungsruf. Mit ihren Äußerungen diskriminiere Weidel alle Frauen, die ein Kopftuch trügen, so Weidel. „Dafür rufe ich Sie zur Ordnung.“