Kein Familiennachzug für Gefährder: Bundesinnenminister Horst Seehofer hält Ausnahmeregel in der Praxis für irrelevant. (Bild: Imago/Jens Schicke)
Große Koalition

Kein Familiennachzug für Gefährder

Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus sollen vom 1. August an wieder Angehörige zu sich nach Deutschland holen dürfen. Eine entsprechende Änderung im Aufenthaltsgesetz verabschiedete das Bundeskabinett. Ärger gibt es dabei um Gefährder.

Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus sollen vom 1. August an wieder Angehörige zu sich nach Deutschland holen dürfen. Eine entsprechende Änderung im Aufenthaltsgesetz verabschiedete das Bundeskabinett an diesem Mittwoch in Berlin. In der Union regt sich Widerstand gegen einige Punkte im Gesetzentwurf.

26.000 Angehörige wollen Deutschland

Aktuell dürfen subsidiär Schutzberechtigte, also Menschen mit eingeschränktem Bleiberecht – darunter sind viele Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien – nur in seltenen Ausnahmefällen Angehörige nach Deutschland holen. Dies ist laut den Befürwortern dieser Regel auch sinnvoll, da der vorläufige Schutzstatus gerade bedeutet, dass die Menschen nur vorübergehend hier bleiben und bald zurück in ihre Heimatländer sollen. Erlaubte man ihnen, ihre Familien nachzuholen, würde sich ihr Aufenthalt verfestigen. Ganze Familien irgendwann abzuschieben sei wesentlich schwieriger. Auch sei die Zahl der Angehörigen kaum realistisch abzuschätzen.

Erfahrungen mit der ersten Migrantengeneration, den Gastarbeitern, zeigten laut Migrationsexperten außerdem, dass mit der Ankunft der Familie eher Parallelwelten entstanden seien. Internationale Vereinbarungen und die UN-Flüchtlingskonvention sehen zudem vor, dass Familien auch im sicheren Erstaufnahmeland zusammen bleiben können, etwa der Türkei, in das der Familienvater im Interesse seiner Familie zurückreisen könne.

Die Neuregelung sieht jetzt vor, dass dennoch Ehepartner und minderjährige Kinder von subsidiär Geschützten demnächst wieder kommen dürfen. Auch Eltern von unbegleitet in Deutschland lebenden minderjährigen Flüchtlingen mit diesem Schutzstatus könnten dann einen Visumsantrag stellen. Pro Monat sollen aber nur 1000 Angehörige einreisen dürfen, das hat die CSU durchgesetzt. Gegenwärtig liegen an deutschen Auslandsvertretungen bereits 26.000 Termingesuche von Angehörigen subsidiär Schutzberechtigter vor, berichtet die Rheinische Post und beruft sich auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP.

Ausschluss vom Familiennachzug

Neben Neuerungen für subsidiär Schutzberechtigte will die große Koalition mit ihrem Gesetzentwurf außerdem bestimmte Gruppen grundsätzlich vom Familiennachzug ausschließen. Dabei geht es um Terrorsympathisanten, Hetzer oder sogenannte Gefährder. Das sind vor allem radikale Islamisten, denen die Behörden Terroranschläge zutrauen. Allerdings sollen nach dem Willen der SPD auch hier Ausnahmen möglich sein. Und zwar für Menschen, die sich nun glaubhaft von ihrem früheren Handeln distanzieren. Das sorgt in der Union für Unmut. Betroffen wären nicht nur Migranten, sondern in der Praxis vor allem konvertierte Deutsche, die ausländische Angehörige zu sich holen wollen – also beispielsweise IS-Kämpfer, die in Syrien oder Irak geheiratet haben. Wie man überprüfen will, ob so eine Distanzierung wirklich ernst gemeint ist, das konnte die SPD bisher nicht erklären.

Die Schutzpflicht des Staates für das Leben gilt auch für seine deutschen Bürger und die hier lebenden Familien.

Lorenz Caffier, Innenminister Mecklenburg-Vorpommern

Der Sprecher der unionsgeführten Länder-Innenminister, Lorenz Caffier (CDU, Mecklenburg-Vorpommern), sagte, ausländische Gefährder gehörten abgeschoben. Damit könnten auch deren Familien keine Zukunft in Deutschland haben. Die beschlossene Regelung gefährde die innere Sicherheit erheblich. Deutschland helfe Menschen in Not, so Caffier. Aber die Schutzpflicht des Staates für das Leben gelte auch für seine deutschen Bürger und die hier lebenden Familien. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger, auch er hätte auf diesen Passus gern verzichtet. Das SPD-geführte Bundesjustizministerium von Katarina Barley habe aber „aus verfassungsrechtlichen Gründen“ darauf bestanden. Laut dem SPD-Wunsch sollen übermäßige Härten „im Hinblick auf den Schutz von Ehe und Familie“ vermieden werden.

Es ist der Versuch durch die Hintertür, weitere Kontingente für den Familiennachzug zu schaffen.

Michael Frieser, CSU

„Es ist der Versuch durch die Hintertür, weitere Kontingente für den Familiennachzug zu schaffen“, kritisierte auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Michael Frieser gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). CDU-Innenexperte Philipp Amthor warf SPD-Justizministerin Katarina Barley vor, das falsche Signal zu setzen, das obendrein „verfassungsrechtlich nicht zwingend“ sei. Die Vorsitzende des Innenausschusses, Andrea Lindholz (CSU), reagierte mit Unverständnis. „Den Familiennachzug zu Gefährdern lehne ich ausnahmslos ab. Selbst wenn nur wenige Einzelfälle betroffen sind, das politische Verhetzungspotenzial dieser Ausnahmeregelung ist enorm.“

Seehofer stellt Regelung klar

Nach den Worten von Bundesinnenminister Horst Seehofer wird es keinen Nachzug zu Gefährdern geben. Hier gebe es einen „Versagenstatbestand“, und dieser sei in der Regierung unstrittig, sagte Seehofer in Berlin. Allerdings gebe es Menschen, die sich von terroristischen Organisationen lossagten oder sogar mit den Behörden zusammenarbeiten, um Schlimmeres zu verhindern. Für diese gebe es spezielle Regelungen schon im geltenden Recht. Er halte das für „absolut verantwortlich“.

Eine Entscheidung über den Familiennachzug in einem solchen Fall könne nur er als Bundesinnenminister treffen. In seinem Ministerium kenne aber niemand einen konkreten Fall. Mit ihm werde ein verantwortungsvoller Ausgleich zwischen der Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft und der Integrationsfähigkeit der Bevölkerung hergestellt.