Zum Glück nur eine Übung: Anti-Terror-Einheiten in München. (Bild: Imago/Zuma/Sachelle Babbar)
Novelle PAG

In Bayern ist die FDP gegen das Polizeigesetz, in NRW dafür

In der Diskussion um das geplante Polizeiaufgabengesetz in Bayern macht sich die FDP unglaubwürdig. Während sie im Freistaat klagen will, setzt sie in Nordrhein-Westfalen ein ähnliches Sicherheitsgesetz mit dem Koalitionspartner CDU durch.

Als Opposition dagegen, als Regierungspartei dafür – so wankelmütig zeigt sich die FDP beim zentralen Thema innere Sicherheit. In Bayern, wo die Liberalen nicht dem Landtag angehören, erwägen sie laut ihrem Innenexperten Stephan Thomae eine Verfassungsklage gegen das Polizeiaufgabengesetz (PAG). Auch an der Anti-PAG-Demonstration Mitte Mai in München, an der mutmaßlich neben SPD, Linken und Grünen auch wieder etliche Linksradikale teilnehmen werden, will die FDP teilnehmen. Ganz anders in Nordrhein-Westfalen: Dort trägt die FDP als Koalitionspartner der CDU ein fast identisches Polizeiaufgabengesetz mit und verteidigt es gegen alle Angriffe. Das Gesetz wurde sogar „nach bayerischem Vorbild“ geschaffen, wie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) mitteilte.

In Bayern dagegen sieht der FDP-Bundestagsabgeordnete Thomae durch das Gesetz die „Balance von Sicherheit und Freiheit empfindlich gestört“. Daher müsse „geprüft“ werden, ob eine Ausweitung der Eingriffsmöglichkeiten für die Polizei überhaupt notwendig und geeignet sei und ob die Bürger Möglichkeiten hätten, sich dagegen juristisch zu wehren, sagte er der Augsburger Allgemeinen. Thomae kritisiert eine angebliche „Vergeheimdienstlichung der Polizei in Bayern“. Auch an der neuen Eingriffsgrenze einer „drohenden Gefahr“ stört sich der Rechtsanwalt. Und die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) behauptet im Handelsblatt: „Das kann sehr viele Menschen treffen, die nichts mit Kriminalität zu tun haben.“

Eingreifen bei konkreten Hinweisen

Tatsächlich soll die Polizei im Kampf gegen Kriminalität und Terror künftig schon bei einer „drohenden Gefahr“ eingreifen können – wie es das Bundesverfassungsgericht bereits 2016 gebilligt hat. Aber: „Die Polizei braucht konkrete Hinweise, dass Angriffe von erheblicher Intensität oder Auswirkungen absehbar sind“, erläutert Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Erst dann wäre es den Beamten etwa erlaubt, Post sicherzustellen, Telefone abzuhören, Daten auszulesen, mit Drohnen Verdächtige zu filmen oder verdeckte Ermittler einzusetzen.

Die Polizei braucht konkrete Hinweise, dass Angriffe von erheblicher Intensität oder Auswirkungen absehbar sind.

Joachim Herrmann, bayerischer Innenminister

Zur Anwendung kommen kann das neue Recht etwa bei geplanten Terroranschlägen. Immerhin gibt es 4070 bekannte Islamisten im Freistaat, viele davon gewaltbereit. Als weiteres Beispiel für eine „drohende Gefahr“ nannte Herrmann den Fall eines Ehemannes, der angekündigt hat, einen „Ehrenmord“ an seiner Frau zu verüben. „Hier kann die Polizei doch nicht abwarten, bis sie weitere Erkenntnisse zu Ort und Zeit der Tat hat“, sagt Bayerns Innenminister. Das geplante Gesetz führe zu mehr Sicherheit, so der Innenminister, weil es die Polizei rechtlich und technisch auf die Höhe der Zeit bringe, gleichzeitig aber auch die Vorgaben der EU und des Bundesverfassungsgerichts zum Datenschutz umsetze, etwa durch eine zentrale Datenprüfstelle.

NRW kopiert bayerisches Polizeirecht

In Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung einen Gesetzesentwurf „zur Stärkung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen“ vorgelegt, der möglichst noch vor der Sommerpause verabschiedet werden soll. Er sieht umfangreiche Änderungen im Polizeigesetz vor, als Vorbild diente das bayerische PAG. Dies zeigt etwa auch die neue „strategische Fahndung“, eine Variante der bayerischen Schleierfahndung. Unter anderem sollen nun in NRW „Gefährder“ bei einer „drohenden Gefahr“ oder einer „drohenden terroristischen Gefahr“ bis zu einem Monat (in Bayern drei Monate) in „Unterbindungsgewahrsam“ genommen werden dürfen. Wie im Freistaat muss auch hier ein Richter jeder Maßnahme vorher zustimmen. „Freiheit und Sicherheit schließen einander nicht aus. Im Gegenteil: Mehr Sicherheit bedeutet Freiheit“, begründet NRW-Minister Reul das Gesetz.

Lehren aus dem Fall Amri

Hintergrund für die Novellierung des Polizeiaufgabengesetzes ist der islamistische Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016. Fahnder hatten beklagt, dass sie den Terroristen Anis Amri damals mangels rechtlicher Möglichkeiten nicht festsetzen konnten. Der Fall Amri hat auch gezeigt, dass ein frühzeitiges Eingreifen schon bei „drohender Gefahr“ (den Behörden waren Anschlagspläne Amris bekannt) das Attentat wohl verhindert hätte. Unverständlich erscheinen daher die überzogenen Vorwürfe, es werde ein „Polizei- und Überwachungsstaat“ errichtet, Polizei und Geheimdienste würden miteinander verwoben.

Aber anders als in Bayern steht die FDP in Düsseldorf ganz auf der Seite des Innenministers. FDP-Vizefraktionschef Marc Lürbke sagt, die Polizisten müssten Tätern „auf Augenhöhe“ begegnen können. „Statt anlassloser Überwachung aller Bürger, wollen wir ganz gezielt Terroristen und Gefährdern konsequent auf den Füßen stehen.“ Es sei höchste Zeit, dass die Politik nach sieben Jahren Stillstand den hierfür notwendigen rechtlichen Rahmen setze. Die Balance mit den Bürgerrechten sei gewahrt, das habe man sehr genau geprüft. Vielleicht lag diese Erkenntnis daran: Zahlreiche FDP-Abgeordnete hatten erst vor Kurzem Polizisten auf ihrer Schicht begleitet. Vielleicht würde das auch Bayerns Liberale zur Einsicht bringen.