Die Bundespolizei durchleuchtet die Pässe von Fluggästen aus vielen Schengen-Ländern derzeit sehr genau, um Fälschungen zu entlarven. (Foto: Imago/ Fotoagentur Nordlicht)
Immigration

Flugzeug statt Balkanroute

Die Wanderrouten von Asylbewerbern verlagern sich: Seit der Schließung der Balkanroute nutzen die Schlepper verstärkt die Luftwege, um Flüchtlinge nach Deutschland zu bringen. Die Polizei und Regierung haben Konsequenzen gezogen.

„Air Asyl“ überschreibt die Tageszeitung Die Welt einen Bericht über die stark zunehmende Immigration nach Deutschland auf dem Luftweg. Statt sich über die mittlerweile stark gesicherte und beschwerliche Balkanroute zu quälen, fliegen „immer mehr Migranten über sie hinweg“, so die Welt. Demnach haben die „Feststellungszahlen“ im Bereich „illegale Migration auf dem Luftweg nach Deutschland“ zugelegt: Zu diesem Ergebnis kommen unter anderem die Experten des behördenübergreifenden „Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrums illegale Migration“ (Gasim) in Potsdam.

Zwar habe die Zahl der über die Flughäfen einreisenden Asylbewerber 2017 im Vergleich zum Vorjahr nur um 1000 auf 11.000 zugenommen. Doch die Dunkelziffer dürfte hier deutlich größer sein. Etwa ein Drittel der Asylsuchenden aus den Hauptherkunftsländern sollen auf ihrem Weg auch ein Flugzeug nutzen – das ist Beamten zufolge das Ergebnis von Befragungen zu Reisewegen. Zudem liegt der relativ geringe Anstieg der tatsächlich auf dem Luftweg eingereisten Immigranten unter anderem an staatlichen Gegenmaßnahmen: Etwa an stark verschärften Einreisekontrollen an den deutschen Flughäfen sowie im Vorfeld, zum Beispiel an einer Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden vor Ort, um gefälschte Pässe bereits am Abflug-Airport zu erkennen.

Bundesinnenministerium hat reagiert

Als Generaltrend nehmen die Fachleute außerdem wahr, dass die Einreisenden quasi weniger „verdächtige“ Flughäfen – etwa Athen oder Belgrad – als Umsteigedrehscheiben benutzten. Die früher oftmals an der Kleidung zu erkennenden Migranten tarnen sich neuerdings auch mit Anzügen als Geschäftsreisende – oder umgekehrt mit Shorts als Touristen, je nach Abflugort. Seit Kurzem durchleuchtet die Bundespolizei auch die Pässe von Einreisenden aus bestimmten EU- und Schengen-Ländern an den deutschen Flughäfen genau, um Fälschungen aufzudecken – in abgeschirmten Räumen und mit modernsten Mitteln.

Es ist sehr schwierig, bei Kontrollen von Flugzeuginsassen in kürzester Zeit eine illegale Einreise zu erkennen.

Jörg Radek, Gewerkschaft der Polizei

Innerhalb der Schengen-Region gelte Griechenland vor Polen als Hauptabflugland für die illegale Migration auf dem Luftweg nach Deutschland, erklärte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. Bereits seit November 2017 werden wieder alle Fluggäste, die von Griechenland nach Deutschland fliegen, bei ihrer Ankunft in Deutschland genau kontrolliert. Diese Verschärfung der Grenzübertrittsregeln durch die Bundesregierung ist angesichts der jüngsten Entwicklung als folgerichtig zu bewerten.

Schleuser werden immer erfinderischer

Aufgrund der verstärkten Überprüfungen vor Abflügen nach Deutschland versuchen Migranten mittlerweile häufiger, zunächst in einen anderen Staat zu fliegen. Anschließend reisen sie über den Landweg weiter. Schon Anfang 2016 war von vielen Nordafrikanern berichtet worden, die mit Billigfliegern in die Türkei reisen und von dort auf dem Landweg oder ebenfalls per Flugzeug weiter nach Deutschland kommen. Nun warnen die Experten des „Gasim“ in der Welt vor der neuen Kreativität der Schleuser: „Insbesondere im Luftverkehr nutzen Migranten und Schleuser sehr flexibel verschiedene Routen und Modi Operandi.“

Migranten in Griechenland, einer Drehscheibe der illegalen Migration, versuchten vermehrt, „nicht unmittelbar auf dem Luftweg nach Deutschland zu gelangen, sondern flogen stattdessen zunächst in andere europäische Staaten, um im Anschluss auf dem Landweg nach Deutschland weiterzureisen“. Demnach fliegen sie beispielsweise nach Polen und reisen anschließend über die Landesgrenze in die Bundesrepublik.

Serbien als neue Hintertür?

Offenbar nutzen Asylbewerber auch häufiger eine neue Hintertür auf dem Balkan: Serbien. Unter anderem Iraner, Inder oder Chinesen dürfen laut Bundesinnenministerium seit September 2017 visumfrei nach Serbien einreisen. Es bestehe daher die Möglichkeit, dass Syrer, Afghanen oder Iraker mit gefälschten Papieren – etwa als Iraner – nach Serbien kommen. Sicherheitskreise weisen darauf hin, dass ein Teil von ihnen über den Landweg weiter nach Deutschland reisen will.

Nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) stellt die Einreise per Flugzeug die Beamten vor eine große Herausforderung: „Es ist sehr schwierig, bei Kontrollen von Flugzeuginsassen in kürzester Zeit eine illegale Einreise zu erkennen“, sagte der stellvertretende GdP-Vorsitzende Jörg Radek. Von hoher Bedeutung sei daher das weltweite Netz von deutschen Dokumenten- und Visaberatern, die „nach Deutschland operierende Airlines beraten, um vor Ort dabei zu helfen, einen möglichen Missbrauch bereits vor dem Abflug zu entdecken“. So arbeiten deutsche Bundespolizisten seit Monaten an griechischen Flughäfen mit der dortigen Polizei zusammen, um gefälschte Pässe schon vor dem Abflug zu identifizieren.