Eiszeit für die christlichen Kirchen: Nur wenige Bayern haben noch Vertrauen in sie. (Foto: Imago/Jan Eifert)
Studie

Mit Bayern verbunden

Der Blick der Bayern auf die Politik, ihre grundsätzlichen Einstellungen und wie sie sich über Politik informieren, waren Gegenstand einer Studie der Hanns-Seidel-Stiftung. Ein Ergebnis: 86 Prozent der Bürger fühlen sich mit dem Freistaat verbunden.

Die Forschungsgruppe Wahlen hat im Auftrag der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) über 2.000 erwachsene, wahlberechtigte Bayerinnen und Bayern zu deren Einstellungen zur Politik befragt. Befragt wurde zur Verbundenheit mit der Heimat, zum Vertrauen in Institutionen und zu gesellschaftspolitisch wichtigen Themen. Außerdem wurde das Rezeptionsverhalten und die Glaubwürdigkeit politischer Nachrichten und verschiedener Medien untersucht.

Heimatverbundene Bayern

„Hauptziel der Studie war es“, sagte die Stiftungsvorsitzende Ursula Männle, „die Erwartungen der Bürger Bayerns an die Politik intensiver zu erfassen und besser zu verstehen.“ Woher holen sie sich ihre Informationen? Dabei sei es für sie selbst interessant gewesen, dass sich nur eine Minderheit über die „Echokammern, Filterblasen und Parallelwelten“ der sozialen Medien mit Informationen versorge, deren Glaubwürdigkeit zudem in großer Mehrheit als gering eingestuft wird (56 zu 10 Prozent).

Die Ergebnisse der neuen Studie stellte Matthias Jung, Geschäftsführer der Forschungsgruppe Wahlen, in München vor.

Hohe Verbundenheit mit Bayern

Ministerpräsident Horst Seehofer beschreibt Bayern als „Vorstufe zum Paradies“ und wird dabei von 66 Prozent der CSU-Wähler bestätigt, die sich mit Bayern „sehr verbunden“, weitere 28 Prozent „verbunden“ fühlen. Keine andere Parteipräferenz erreicht diese hohen Zustimmungswerte, ganz hinten liegen Linke-Wähler mit 26 Prozent „sehr verbunden“ und 39 Prozent „verbunden“.

Bezogen auf die Gesamtbevölkerung bestehen aber regionale Unterschiede: Die Altbayern und Schwaben fühlen sich mit Bayern stärker verbunden als die Franken, die sich dafür mehr mit Deutschland identifizieren. Insgesamt fühlen sich 32 Prozent der Bayern mit dem Freistaat verbunden, 54 Prozent sogar stark verbunden. Regional sind die Oberpfälzer mit 91 Prozent die überzeugtesten Bayern (70 Prozent „verbunden“ und 21 Prozent „stark verbunden“), die niedrigsten Werte hat Oberfranken mit 79 Prozent (37/42).

Mit ihrer jeweiligen Region sind sogar 34 Prozent „verbunden“ und 58 Prozent „stark verbunden“.

Migration ist klar beherrschendes Thema

Das beherrschende Thema in Bayern war der Punkt „Ausländer, Integration, Flüchtlinge und Asyl“, 32 Prozent aller Nennungen entfielen hierauf. Deutlich dahinter kamen „Schule/Bildung“ mit 13 Prozent und „Rente Alterssicherung“ mit 9 Prozent. Interessant: Das Thema „Innere Sicherheit“, das in bundesweiten Umfragen meist vorne auftaucht, wird in Bayern nicht als Top 10-Problem gesehen – die Bürger sind offenbar zufrieden mit der Sicherheitslage.

Sie sehen aber auch Nachholbedarf: Für 61 Prozent wird für die Energiewende „zu wenig“ getan. Zu wenig Fortschritte sieht 57 Prozent bei der Ganztagsbetreuung von Kindern. Bei der Videoüberwachung sehen 48 Prozent der Bevölkerung ebenfalls Handlungsbedarf. Beim Thema der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften überwiegt die Zufriedenheit mit dem Ist-Zustand: 51 Prozent der Erwachsenen im Freistaat halten es für „gerade richtig“, was für die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften getan wird, 20 Prozent geht dies zu weit und 22 Prozent nicht weit genug.

Hohes Interesse für Politik, kaum Vertrauen in Kirchen

Politikverdrossenheit? In Bayern haben 50 Prozent der Menschen starkes oder sehr starkes Interesse für Politik, 37 Prozent zumindest „etwas“. Nur 13 Prozent sagen „kaum“ oder „gar nicht“. Ähnliche Werte gibt es für Kommunalpolitik, die allerdings regional verschieden sind: In Schwaben sind nur 43 Prozent stark oder sehr stark an Kommunalpolitik interessiert, in der Oberpfalz sind es 59 Prozent. Grundsätzlich gilt: „Je älter und gebildeter, desto interessierter in Politik“, so Institutsleiter Jung.

Beim Vertrauen in öffentliche und staatliche Institutionen fällt vor allem ein Wert auf: Während die Polizei mit 3,1 den höchsten Vertrauenswert auf der Skala von -5 bis +5 erhält, liegen die Kirchen mit 0,4 noch hinter Parteien mit 0,6 und Medien mit 0,7. Die Gründe für diesen Vertrauensverlust bleiben spekulativ – zumal die Missbrauchsskandale der Kirchen doch eine Weile zurückliegen. Selbst unter evangelischen und katholischen Christen liegen die kirchlichen Vertrauenswerte mit 1,3 und 0,8 nicht besonders hoch. Was sich die Kirchen möglicherweise wieder ins Bewusstsein rufen sollten: Den Wert 1,0 erzielen sie nur bei CSU-Wählern, die Wähler aller anderen Parteien liegen zum Teil deutlich unter den 0,4.

Die Informationsquellen

Ein zentraler Befund der Studie „Einstellungen zur Politik“ lautet: Die wichtigsten Quellen politischer Information sind ARD und ZDF sowie regionale oder lokale Tageszeitungen. 64 Prozent bzw. 58 Prozent aller Wahlberechtigten nutzen diese Medien nach eigenen Angaben „häufig“ zur Informationsbeschaffung, jeweils gut ein weiteres Viertel zumindest „manchmal“.

Dies ist aber eine Altersfrage: Bei den unter 30-Jährigen werden ARD und ZDF zur „häufigen“ politischen Information mit 36 Prozent nur geringfügig intensiver genutzt als soziale Medien mit 33 Prozent. In der Generation 60plus sind ARD, ZDF und BR sowie Lokalzeitungen das eindeutig dominierende politische Medium.

Nur jeweils rund einer von fünf Erwachsenen nutzt dazu private Fernsehsender wie RTL, Sat.1 oder Pro 7, sowie überregionale Tageszeitungen wie FAZ, SZ oder der Welt oder soziale Medien wie Facebook und Twitter.

Nutzung von Internet und sozialen Medien

Während bei den unter 50-Jährigen nahezu alle Befragten online sind, ist dies in der – bei Wahlen besonders beteiligungsstarken – Generation 60plus gerade einmal rund die Hälfte. Daneben variiert die Internetnutzung aber auch hinsichtlich von Merkmalen wie Bildung oder Geschlecht mitunter erheblich. 13 Prozent aller Männer, aber 25 Prozent der Frauen nutzen kein Internet, bei den ab 60-jährigen Frauen ist dies mit 61 Prozent sogar eine klare Mehrheit.

58 Prozent aller Wahlberechtigten – dies sind 72 Prozent der Internetnutzer – lesen im Internet auch etwas über Politik, gut die Hälfte davon mindestens einmal täglich. Facebook nutzen derzeit 35 Prozent, Twitter nur 4 Prozent der Wahlberechtigten.

Der Umfrage-Leiter Jung bilanzierte: „Bayern ist weit moderner als vermutet, nicht nur technisch, sondern auch gesellschaftspolitisch. Das belegen unsere Ergebnisse, gerade wenn man auf die Kritik in Sachen Energiewende oder Ganztag oder auf die Nutzung des Internets schaut.“ Auffällig sei auch, dass die Bedeutung sozialer Medien derzeit offenbar massiv überschätzt werde, auch wenn sich das in 20 oder 30 Jahren ändern könne.