Marcel Huber, Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Sonderaufgaben und Leiter der Bayerischen Staatskanzlei. (Foto: Archiv)
Atommüll

Alleingang verärgert Staatsregierung

Der noch aus dem Ausland zurückkommende Atommüll wird möglicherweise zum Teil auch in Bayern zwischengelagert. Das schreibt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Darauf hätten sich das Bundesumweltministerium und die vier großen Energiekonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW verständigt. Bayerns Staatskanzleichef Marcel Huber kritisiert den Alleingang.

Die Einigung soll laut FAZ heute bei einem Treffen von Umweltministerin Barbara Hendricks mit den Konzernchefs besiegelt werden. Im Gegenzug wollen die Konzerne laut dem Bericht auf eine Klage gegen das Atomgesetz verzichten. Mit der Klage wollten die Unternehmen erzwingen, dass die Castorbehälter in das Zwischenlager Gorleben gebracht werden. Die betroffenen Landesregierungen sind offenbar nicht am Zustandekommen der Übereinkunft beteiligt worden – eigentlich ein Unding, auch wenn das Atomrecht in die Zuständigkeit des Bundes fällt. Hendricks werde sich auf Widerstand aus Bayern einstellen müssen. Dies machte auch Bayerns Staatskanzleiminister Huber in einer ersten Stellungnahme deutlich, der die fehlende Einbeziehung der Länder scharf kritisierte: „Einseitige Festlegungen des Bundes hier sind politisch unklug und dreist. Fakt ist: Wir stehen bei der Energiewende auf der Zielgeraden unserer schwierigen, komplexen Verhandlungen. Dabei lässt sich kein Bereich isoliert betrachten und entscheiden. Vielmehr gilt: Alles hängt mit allem zusammen. Eine Energiewende gegen den Willen einzelner Länder hat keine Chance.“

Rückführung aus England und Frankreich

Es geht um 26 Castor-Behälter mit hoch radioaktivem Atommüll aus deutschen Kernkraftwerken, die noch aus der Wiederaufarbeitung in Frankreich und Großbritannien zurückkommen. Die Verträge mit Frankreich und England sehen vor, dass die Castoren aus den Aufbereitungsanlagen La Hague und Sellafield zwischen 2016 und 2018 rückgeführt werden müssen. Bisher hatten sich nur Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Hessen bereiterklärt, einen Teil der Behälter in Zwischenlagern unterzubringen. Nun sollen laut „FAZ“ auch am Atomkraftwerk Isar 1 (abgeschaltet 2014) und 2 (Laufzeit bis 2022) bei Landshut in Bayern Castoren ins Zwischenlager kommen, außerdem an den Standorten Philippsburg (Baden-Württemberg), Brokdorf (Schleswig-Holstein) und Biblis (Hessen).

Staatskanzleiminister Marcel Huber kritisierte weiter: „Wir müssen alle Entscheidungen im gegenseitigen Einvernehmen treffen, auch die schwierige Frage der Zwischenlagerung deutschen Atommülls, der aus dem Ausland zurückkommt. Wenn der Bund hier allein entscheiden will, stellt er eine Einigung bei der Energiewende insgesamt in Frage. Ich fordere den Bund daher auf, die Entscheidung über die Zwischenlagerung von Atommüll zurückzustellen und – wie alle Fragen der Energiewende – am Verhandlungstisch mit den Ländern zu lösen.“

Zwischenlager für 40 Jahre

Zwischenlager für hoch radioaktive Abfälle gibt es an Kernkraftwerken, an den Kernforschungszentren und sonstigen kerntechnischen Anlagen, bis ein Endlager in Betrieb geht – dies schreibt das Atomgesetz vor. Die Zwischenlager wurden für 40 Jahre genehmigt, bis dahin soll das Endlager fertig sein. Bundesweit wurden rund 1.400 Stellplätze für Transport- und Lagerbehälter, wie beispielsweise Castorbehälter, genehmigt. Insgesamt gibt es in Deutschland drei zentrale Lager – Gorleben (Niedersachsen), Ahaus (Nordrhein-Westfalen) und das Zwischenlager Nord in Rubenow (Mecklenburg-Vorpommern) – und 14 dezentrale Lager, die auf dem Gelände von Kernkraftwerken errichtet wurden. Im Januar hatte das Bundesverwaltungsgericht die Betriebsgenehmigung für das Atommüll-Zwischenlager Brunsbüttel wegen rechtlicher Zweifel am Verfahren zur Sicherheitsbewertung entzogen. Insbesondere ist fraglich, ob dieses Zwischenlager gegen Flugzeugabstürze und Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter (beispielsweise durch terroristische Angriffe) gesichert ist. Diese Zweifel bestehen auch für andere dieser oberirdischen Anlagen.