Die einen warten, die anderen werden sofort behandelt: Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland? (Bild: Imago/argum/Falk Heller)
Arzthonorare

Durch die Hintertür

Die Gesetzliche Krankenversicherung hat die SPD vor einer Angleichung der Arzthonorare gewarnt. Dies führe zu steigenden Beiträgen und schlechterer Versorgung und ändere nichts an langen Wartezeiten oder dem Ärztemangel auf dem Land.

Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) hat die SPD vor einer Angleichung der Arzthonorare zu Lasten ihrer Beitragszahler gewarnt. „Die Einführung einer einheitlichen Honorarordnung würde 90 Prozent der Menschen in diesem Land derzeit keinerlei Vorteile bringen, aber die Privatversicherten entlasten“, warnte der Vize-Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Falscher Weg: Angleichung der Honorare

Ein Gutachten von fünf führenden Gesundheitsökonomen im Auftrag des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV) und der Bundesärztekammer (BÄK), das der dpa vorliegt, weist auf weitere schwere Bedenken gegen eine solche Angleichung hin.

  • So gehen die Experten davon aus, dass durch eine einheitliche Gebührenordnung der Beitragssatz zur Krankenversicherung um durchschnittlich bis zu 0,6 Prozentpunkte auf dann 16 bis 16,2 Prozent vom Brutto steigen könnte.
  • Gegen eine Vereinheitlichung der Arzthonorare für Kassen- und Privatpatienten bestehen nach Einschätzung von Experten auch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Mit einer solchen Gebührenordnung würde in die Vertragsfreiheit der Versicherten eingegriffen ebenso wie in die Berufsfreiheit der Ärzte sowie der Krankenversicherer, „ohne dass ausreichende Rechtfertigungsgründe ersichtlich wären, die den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts genügen würden“.
  • Eine einheitliche Gebührenordnung könnte zudem mit Europarecht kollidieren.
  • Zudem würden die beabsichtigten Effekte einer einheitlichen Gebührenordnung keinesfalls erreicht. Weder die „Zwei-Klassen-Medizin“ noch die „Zwei-Klassen-Wartezeiten“ oder der Ärztemangel auf dem Land ließen sich so beseitigen, heißt es in dem Gutachten weiter.

Stackelberg argumentierte, eine Angleichung der Honorare ohne Anpassung der ärztlichen Leistungen würde vor allem bedeuten, dass die gesetzliche Krankenversicherung für die gleichen Leistungen mindestens sechs Milliarden Euro mehr bezahlen müsste. Und es gebe „keinen Grund anzunehmen, dass dies tatsächlich zu einer schnelleren Terminvergabe für gesetzlich Versicherte führen würde“.

Egal ob gesetzlich oder privat versichert – dass es auch in Zukunft genug Landärzte gibt, ist für alle Versicherten wichtig.

Johann-Magnus von Stackelberg, GKV

Der GKV-Vize plädierte dafür, dass Landärzte besser vergütet und Fehlanreize bei der Niederlassung beseitigt werden. „Ärzte, die in unterversorgten Gebieten arbeiten, sollen Vergütungszuschläge erhalten, die aus der Vergütung überversorgter Regionen derselben Kassenärztlichen Vereinigung finanziert werden.“ Eine bevorzugte Vergabe von Terminen an Privatversicherte sollte künftig als Verstoß gegen die Pflichten eines Kassen-Arztes gelten und sanktioniert werden.

SPD-Plan existenzgefährdend

Der Verband der Privatversicherer lehnt die SPD-Forderung ebenfalls als existenzbedrohend ab. Ohne das Versprechen einer Vorzugsbehandlung, die auf besserer Vergütung der Ärzte beruht, fiele der wichtigste Wettbewerbsvorteil gegenüber den gesetzlichen Kassen weg. „Eine einheitliche Gebührenordnung wäre die Einheitsversicherung durch die Hintertür“, sagte Verbandsdirektor Volker Leienbach.

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml hatte sich im BAYERNKURIER-Interview auch gegen eine Angleichung der Arzthonorare ausgesprochen. Die Unterschiede bei den Honoraren seien gar nicht mehr so groß, „weil die Gebührenordnung für Ärzte seit vielen Jahren nicht reformiert wurde“. Für die anstehende Reform sollte die sogenannte „sprechende Medizin“, also die Zeit der Ärzte mit dem Patienten, besser honoriert werden. Bisher profitieren insbesondere einzelne Arztgruppen wie Laborärzte, die von Privatversicherten teilweise mehr als das Fünffache für eine vergleichbare Leistung erhalten.

Das Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung sichert die derzeit hohe Versorgungsqualität.

Melanie Huml, Gesundheitsministerin

Die Privatversicherungen überflüssig zu machen, lehnt Huml aus verschiedenen Gründen ab. „Das Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung sichert die derzeit hohe Versorgungsqualität – auch, weil wir über die Privatversicherten im Moment die Chance haben, dass viele Innovationen angestoßen werden und davon auch die Gesetzlich Versicherten profitieren.“ So bei neuen technischen Geräten in den Arztpraxen, die dann aber für alle Patienten zur Verfügung stehen. Auch neue Therapien würden zuerst von den PKV bezahlt, wodurch die GKV nachziehen müsse. Das Beispiel England zeige zudem die Nachteile eines Einheitssystems in der Gesundheitsversorgung, etwa mit sehr langen Wartezeiten.

80 Prozent zufrieden

Auch die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft lehnt die SPD-Pläne ab. „Unser Gesundheitswesen bietet eine qualitativ hervorragende Versorgung. Die Menschen in unserem Land spüren das auch. Vier von fünf Befragten sind mit den Leistungen ihrer Krankenkasse beziehungsweise Krankenversicherung zufrieden. 88 Prozent der GKV- und 91 Prozent der PKV-Versicherten erhalten bei planbaren Arztbesuchen innerhalb einer Woche einen Termin – damit liegt Deutschland weltweit an der Spitze“, so vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ist ebenfalls gegen einheitliche Arzthonorare. Zuletzt sagte er: „Wir wollen weitere Verbesserungen für gesetzlich Versicherte, ob es um die Versorgung im ländlichen Raum oder einen schnelleren Zugang zum medizinischen Fortschritt geht. Außerdem wollen wir die Servicestellen zur besseren Vermittlung von Arztterminen stärken.“ Ähnlich äußerte sich Unionsfraktionschef Volker Kauder. Doch gezielt als Anreiz für mehr Ärzte auf dem Land wären höhere Honorare „ein sinnvolles Instrument“.

(dpa/BK)