Prien am Chiemsee: Der Mord an einer Christin sorgte für Entsetzen. (Bild: Imago/Westend61)
Prien

Ermordet, weil sie Christin war

Prozessauftakt in Traunstein: Ein abgelehnter Asylbewerber aus Afghanistan hatte in Prien am Chiemsee eine Landsfrau brutal vor den Augen ihrer Kinder erstochen, weil sie laut Anklage zum Christentum konvertiert war. Der Fall wirft Fragen auf.

Angeklagt ist vor dem Landgericht Traunstein ein 2016 abgelehnter, aber geduldeter muslimischer Asylbewerber aus Afghanistan, der am 29. April 2017 auf offener Straße und vor den Augen zweier ihrer Kinder (11 und 5 Jahre alt) eine Frau aus Afghanistan brutal erstochen hatte. Die Anklage lautet auf heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen. Das Motiv: Die Landsfrau war zum Christentum konvertierte.

Angriff aus dem Hinterhalt

Auf einem Supermarktparkplatz in Prien am Chiemsee attackierte der 30-jährige Hamidullah M. seine Landsfrau Farimah S. von hinten mit einem langen Küchenmesser. Er wurde während der Tat von Passanten und einem zufällig anwesenden Polizisten, der außer Dienst war, überwältigt. Laut Polizei wehrte sich der Mörder heftig. Die beiden Kinder des Opfers sind stark traumatisiert.

Hilfe, er bringt meine Mama um!

Rufe des Sohnes des Opfers während der Tat

Farimah S. wurde bei dem Angriff so schwer verletzt, dass sie noch auf dem Weg in die Klinik verstarb. 16 Stich- und Schnittverletzungen listet die Staatsanwaltschaft auf. „Der mutmaßliche Täter und die Frau kannten sich zwar“, sagt Polizeisprecher Andreas Guske. Es sei aber eher eine flüchtige Bekanntschaft gewesen, Eifersucht komme als Tatmotiv nicht infrage. Der Afghane sei bei der Tat leicht alkoholisiert gewesen und man habe bei der toxikologischen Untersuchung auch THC (Wirkstoff in Cannabis) nachweisen können. Stefan Gerl, Chefarzt der forensischen Psychiatrie am Inn-Salzach-Klinikum, sagte aus, der Angeklagte habe regelmäßig Alkohol und Haschisch konsumiert – auch am Tattag. Schon lange habe er den Gedanken gehabt, die Frau zu töten. Der Polizist, der den Täter überwältigte sagte dagegen aus, er habe, wie die anderen Zeugen auch, nicht den Eindruck gehabt, dass der Beschuldigte unter Alkohol oder Drogeneinfluss gestanden habe.

Religiöses Tatmotiv?

Als Motiv gab der Mörder selbst an, er sei frustriert gewesen über seine bevorstehende Ausweisung. Die Staatsanwaltschaft hat aber deutliche Hinweise auf ein religiöses Motiv. Farimah S. war in einer evangelischen Kirchengemeinde engagiert und galt als mustergültig integriert. Die 38-jährige Afghanin, bereits seit 2011 in Deutschland, lebte in einer eigenen Wohnung in Prien. Die geschiedene Mutter von zwei erwachsenen und zwei minderjährigen Söhnen war vor acht Jahren noch vor ihrer Flucht vom muslimischen zum christlichen Glauben übergetreten und soll den Täter gefragt haben, ob er nicht auch konvertieren wolle.

Meine Schwester musste sterben, weil sie Christin wurde.

Schwester des Opfers

Eine Konvertierung (Apostasie) ist für nicht wenige Muslime Grund genug, den oder die vom Islam Abgefallenen zu töten: Einer Umfrage des Washingtoner Pew Research Institutes zufolge befürworten 79 Prozent der afghanischen Muslime die Todesstrafe für Religionsabtrünnige. Zwar ist dafür im Koran keine Strafe im Diesseits vorgesehen, sondern nur im Jenseits. Aber einige Hadithen (überlieferte Aussprüche und Handlungen des Propheten Mohammed), die ebenfalls normativen Charakter besitzen, nennen die Todesstrafe. In islamischen Ländern wie Iran, Saudi-Arabien, Pakistan und eben Afghanistan wird noch heute die Todesstrafe für Apostasie verhängt.

„Meine Schwester musste sterben, weil sie Christin wurde“, sagte auch die Schwester von Farimah der Bild-Zeitung. „Farima war die einzige konvertierte Christin unter den Afghanen in Prien.“ Ein Beamter der Kriminalpolizei erklärte nun vor Gericht, das Opfer sei „sehr westlich geprägt“ gewesen, habe sich geschminkt, die Haare gemacht und die Fingernägel lackiert. Der Beamte mutmaßte, dass dieser westliche Lebensstil dem Angeklagten nicht gepasst habe.

Keiner Schuld bewusst

Der Angeklagte selbst schob vor Gericht dem Opfer die Schuld für seine Bluttat zu. Sie habe ihm mehrfach gesagt: „Du sollst konvertieren.“ Dann könne er in Deutschland bleiben. Einen Glaubenswechsel habe er aber nicht gewollt. Das habe ihn stark belastet. In der Tat war der Angeklagte in psychiatrischer Behandlung, aus welchen Gründen ist allerdings fraglich. Andere Zeugen sagten nämlich vor Gericht, das Opfer habe keinen Missionierungsdrang gehabt.

Die Nebenklagevertreterin sagte, dass der Angeklagte auch einen Sohn des Opfers wegen dessen Konvertierung mit dem Tode bedrohte habe. Der Täter dementierte diesen Vorwurf. An dem Prozess nehmen vier Nebenkläger teil, darunter die beiden minderjährigen Söhne sowie Bruder und Schwester des Opfers.

Am Rande des Prozesses

Eine Frage vor der Verhandlung in Traunstein war, ob das Kreuz im Gerichtssaal abgehängt wird. Es blieb. Anders als in einem anderen Prozess am Amtsgericht Miesbach. Dort hatte der Richter in einem Verfahren gegen einen Asylbewerber aus Afghanistan das Kreuz abgehängt. Der Angeklagte soll einem Landsmann mit dem Tod gedroht haben, weil dieser Christ wurde und am Sonntag in die Kirche ging.

Zur Begründung sagte der Richter im Bayerischen Rundfunk, grundsätzlich seien religiöse Symbole im Gerichtssaal nicht vorgeschrieben. Laut Bayerischem Justizministerium ist dies zutreffend. Dass dort regelmäßig Kruzifixe hingen, sei aber „Ausdruck der christlichen Tradition unseres Staatswesens“. Der Richter weiter: „Wie bringe ich einen jungen Mann, von dem behauptet wird, dass er diesem Christen das Lebensrecht abspricht und dass er ein Taliban ist, erzieherisch dazu, davon abzurücken, dass er glaubt, ein Dschihad würde zwischen Christen und Islamisten bestehen?“ Dazu habe er es für sinnvoll gehalten, ihn nicht unter dem sichtbaren Kreuz zu verurteilen.

„Wer einem anderen mit dem Tod droht, weil dieser Christ geworden ist, sollte dem Kreuz ins Auge sehen können“, sagte dagegen Bayerns ehemaliger Ministerpräsident Edmund Stoiber der Bild. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner nannte das Vorgehen als „in höchstem Maße unsensibel gegenüber den Gefühlen der Opfer“. Es sei eine „vorauseilende Distanzierung von unserer christlichen Tradition und Kultur“. Diese müsse man aber nicht aus Toleranz gegenüber anderen Religionen „verstecken oder negieren“.