Hans Reichhart, MdL - Landesvorsitzender der Jungen Union Bayern (Foto: Bernhard Huber Munich)
Junge Union

Die Suche nach der Klammer

Interview Landflucht, Heimat, Digitalisierung – diese Themen treiben auch den Vorsitzenden der Jungen Union Bayern, Hans Reichart, um. Im Zusammenhalt unserer zunehmend fragmentierten Gesellschaft sieht er die größte Herausforderung.

Der Chef der Jungen Union muss es wissen – welche Themen bewegen die bayerische Jugend?

Momentan stehen weniger einzelne Themen im Mittelpunkt, als die große Frage, wie kriegen wir die Klammer hin. Die Klammer um die Gesellschaft, aber auch die Klammer um die verschiedenen Bereiche Bayerns. Zwischen Stadt und Land, aber auch um alle Regionen. Wie bringen wir es hin, dass wir bei all den verschiedenen Interessen, die wir haben, uns am Schluss hinter einem gemeinsamen Ziel vereinigen, einer gemeinsamen Verantwortung für unsere Gesellschaft? Ich glaube, das ist das Allerwichtigste. Da zählt die Digitalisierung genauso dazu wie der Umweltschutz und der Heimatgedanke.

Die Lebenswirklichkeit der Menschen geht zunehmend auseinander. Beispielhaft steht auf der einen Seite der 28-jährige Microsoft-Programmierer in München-Schwabing und auf der anderen der 63-jährige Landwirt in Oberfranken. Beide sind Bayern, aber dennoch ist ihr Leben nicht zu vergleichen. Wie will die CSU beide erreichen?

Indem wir keine Vergangenheitsbewältigung betreiben, sondern einen Plan für die Zukunft vorgeben. Die Zukunft betrifft den Microsoft-Mitarbeiter in der Stadt genauso wie den Landwirt in der Region. Wir erreichen beide, weil wir die Zukunft von beiden verbessern wollen. Zum Beispiel bei der Digitalisierung. Diese betrifft natürlich den Microsoft-Programmierer, aber auch den Landwirt. Auch die bayerischen Bauernhöfe entwickeln sich weiter und profitieren von der Digitalisierung. Wenn wir über selbstfahrende Autos sprechen, dann muss man klar sagen: Auf den Feldern können die modernen Traktoren via GPS bereits selbständig fahren. Das ist nur ein Beispiel für die Landwirtschaft 4.0. Ganz wichtig ist zudem, dass wir die digitale Infrastruktur schaffen, damit die Menschen und ihre Kinder auf dem Land bleiben können und nicht aus beruflichen Gründen in die Stadt ziehen müssen.

Bei anderen Themen wird der Brückenschlag schwieriger – zum Beispiel bei der Ehe für alle. In den liberalen städtischen Bereichen gewinnt es bestimmt Zustimmung, im flachen Land stößt es dagegen auf klare Ablehnung…

Auch da kann der Brückenschlag gelingen – wenn wir das auf unseren bayerischen Grundsatz „leben und leben lassen“ zurückbringen. Der hat in Bayern schon immer gegolten und er gilt auch weiter. Selbst auf dem Land wurden gleichgeschlechtliche Partnerschaften zur Gewohnheit. Man hat halt weniger darüber geredet, als in den Städten. Aber die Akzeptanz für diese Lebensform, die ist überall da, denke ich. Es war nur die Frage der rechtlichen Anerkennung. Ich glaube, den meisten Leuten ist es egal, ob wir den Begriff gleichgeschlechtliche Partnerschaft verwenden oder einen ganz anderen. Hauptsache ist aber, die Ehe bleibt etwas Besonderes und wir schützen sie dementsprechend. Dafür treten wir auch trotz der Entscheidung des Bundestages weiterhin ein. Für uns als Junge Union war immer klar: Ehe bedeutet die Verbindung von Mann und Frau.

Momentan stehen weniger einzelne Themen im Mittelpunkt, als die große Frage, wie kriegen wir die Klammer hin. Die Klammer um die Gesellschaft, aber auch die Klammer um die verschiedenen Bereiche Bayerns.

Hans Reichhart

Wie definiert die Junge Union „konservativ“?

Ich bin kein Freund davon, immer Franz Josef Strauß zu zitieren, aber dieses „an der Spitze des Fortschritts stehen“ ist, glaube ich, ein Punkt, der Vieles ausdrückt von dem, was konservativ heißt. Konservativ ist zum einen zu wissen, woher man kommt, aber eben auch zu wissen, wohin man will. Und dann zu sagen, wir sind stolz auf das, was wir erreicht haben, wir sind stolz auf unsere Heimat, und wir wollen diese Heimat ins nächste Zeitalter übertragen. Wir wollen aber gleichzeitig, dass es unsere Heimat bleibt. Das ist, glaube ich, auch etwas, das junge Leute anspricht. Der Satz „wir wollen, dass Bayern Bayern bleibt“ ist ein Punkt, der eine ganz starke konservative Prägung hat.

Mit dem Themenpaket „Heimat, Umweltschutz, Werte“ würde man also auch junge Menschen ansprechen?

Auf jeden Fall. Die Besinnung auf die Fragen „Wo komme ich her?“, „Wofür stehe ich?“, „Was macht das Zusammenleben aus in einer Welt, die immer stärker auch durch Anonymität geprägt ist?“ ist ganz wichtig. Das gleiche gilt für die Umwelt. Wir wollen alle, dass wir weiterhin in einer gesunden Umwelt leben und diese auch genießen können. Wir haben in Bayern ja ein relativ gut austariertes System, indem wir sagen, wir bewahren auf der einen Seite die Natur – und schaffen auf der anderen Seite Neues. Und da gehen wir eben nicht ideologisch, sondern pragmatisch dran.

Gerade viele junge Menschen zieht es in die Stadt. Wie kann man der Landflucht wirkungsvoll begegnen?

Wir müssen viel deutlicher zeigen, dass man auf dem Land zum Teil noch mehr Möglichkeiten hat als in der Stadt. Das kulturelle Angebot mag in der Stadt größer sein, aber seien wir doch mal ehrlich, die wenigsten nutzen das doch regelmäßig. Die Lebensqualität auf dem Land ist meines Erachtens vielfach sogar höher – und das sollten wir auch verstärkt betonen. Wenn wir aufzeigen, dass wir auf dem Land mindestens genauso tolle, wenn nicht bessere, Arbeitsplätze haben und Möglichkeiten, sich zu verwirklichen – wenn wir dann noch eine Mobilität erzeugen, bei der ich jeden Ort in Bayern innerhalb kurzer Zeit erreiche, dann schaffen wir es auch, der Landflucht zu begegnen. Wenn wir zudem den Weg konsequent weitergehen, dass wir Fachhochschulen und Unis aufs Land bringen, dann ist auch die Chance viel höher, dass junge Menschen vor Ort bleiben und nach der Ausbildung nicht in den Universitätsstädten „hängenbleiben“. Ich bin im Übrigen sowieso der Meinung, dass sich das früher oder später drehen wird und die Menschen das Landleben wieder bevorzugen werden. Die Städte werden immer teurer, so dass sich viele fragen werden, ob die Stadt tatsächlich so viel mehr bietet, dass man sich das leisten will.

2018 wird auch für Sie ganz persönlich spannend. Sie kandidieren bei der Landtagswahl nicht als Direktkandidat, sondern müssen hoffen, über die Liste in den Landtag zu kommen. Mit welchen Gefühlen starten Sie ins neue Jahr?

Politik ist immer nur ein Mandat auf Zeit, ein Geschenk, das einem die Wählerinnen und Wähler machen. Jeder weiß, dass es nach vier oder fünf Jahren vorbei sein kann. Deswegen ist es mir so wichtig, dass wir allen Leuten, die auch in jungen Jahren schon Politik machen, sagen, erlerne vorher einen Beruf, damit du eine Option hast, zurückzukehren. Wir haben zu viele Leute, die von der Politik abhängig sind. Aber das ist nicht die Politik, die wir wollen. Dennoch rate ich möglichst vielen Jungen in die Politik zu gehen. Motzen kann jeder, aber gestalten können nur die, die mitmachen. Aktive Politik ist die einzige Möglichkeit, die Zukunft unseres Landes zu gestalten.

Was muss sich innerhalb der CSU mit Blick auf die Landtagswahl ändern?

Wir brauchen zum einen diese unbedingte Geschlossenheit wieder, die uns in schwierigen Situationen immer ausgezeichnet hat. Immer dann, wenn es auf der Kippe stand, waren wir geschlossen. Aber ich bin überzeugt, dass wir das wieder hinkriegen. Zum zweiten brauchen wir Konzepte und Themen, wie wir diese Klammer für Bayern hinbekommen. Und da brauchen wir wirklich ganz konkrete Punkte, um den Menschen zu zeigen, diesen Weg wollen wir mit euch, mit der Bevölkerung, zusammen gehen. Das ist das Bayern, das wir uns in Zukunft vorstellen. Da laufen wir hin. Lasst uns das gemeinsam voranbringen.

Motzen kann jeder, aber gestalten können nur die, die mitmachen. Aktive Politik ist die einzige Möglichkeit, die Zukunft unseres Landes zu gestalten.

Hans Reichhart

Welchen Kurs soll die CSU einschlagen?

Ich halte nichts davon, zu sagen, wir müssen jetzt nach rechts rücken. Das ist nicht das, was uns Probleme macht. Wir haben mehr Wähler an die FDP als an die AfD verloren. Wir haben auch in vielen anderen Bereichen einfach nicht die Bindungswirkung gehabt. Deswegen ist primär der Rückgewinn der Glaubwürdigkeit wichtig für uns. „Versprochen, gehalten“ – das müssen wir ganz deutlich kommunizieren. Glaubwürdigkeit ist das höchste Gut, das man in der Politik haben kann.

Die FDP hat auf eine mutige Kampagne mit Christian Lindner gesetzt. Sehen wir den JU-Vorsitzenden auch bald mit Muskelshirt und iPad in cooler Model-Pose?

(lacht) Das will, glaube ich, keiner sehen! Nein, das machen wir besser nicht. Die FDP hat sich zwar versucht, toll und lässig darzustellen, hat sich dann aber bei den Jamaika-Gesprächen in Berlin aus der Verantwortung gezogen. Im Unterschied dazu stehen wir dafür, Politik nicht nur anzukündigen, sondern sie auch zu machen. Deshalb brauchen wir keine Selbstinszenierung, sondern Visionen für unser Land, die wir dann auch verantwortungsvoll umsetzen.

Auszug

Dies ist ein Auszug des Interviews. Das gesamte Gespräch zwischen Hans Reichhart und Chefredakteur Marc Sauber lesen Sie im aktuellen BAYERNKURIER-Magazin.