Nach den Erfolgen der AfD bei den Wahlen in Brandenburg und Sachsen fordert CSU-Chef Markus Söder eine bessere Zusammenarbeit der großen Koalition im Bund. „Natürlich kann man jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen. Das Ergebnis der AfD ist viel zu hoch”, sagte der bayerische Ministerpräsident am Montag vor seinem Auftritt auf dem Gillamoos-Volksfest im niederbayerischen Abensberg der Deutschen Presse-Agentur. Es sei entscheidend, die Regierungsarbeit in Berlin zu verbessern und Ergebnisse zu liefern. „Daher ergeht der Appell an die SPD, trotz der innerparteilichen Klärungsprozesse konstruktiv in der Klima- und Konjunkturpolitik an Ergebnissen zu arbeiten.”
Lob für Michael Kretschmer
Söder lobte den Erfolg der CDU in Sachsen, die trotz hohen Verlusten wieder deutlich stärkste Kraft wurde: „Durch den persönlichen Einsatz von Michael Kretschmer hat es am Schluss noch einmal einen klaren Vorsprung für die CDU gegeben.” Zudem hätten die Wahlen gezeigt, dass der grüne Höhenflug (8,6 und 10,8 Prozent) nun abgebremst sei. „Da wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel. Deswegen kann die Union die gesamte Breite als Volkspartei zeigen und klare Orientierung geben.”
Durch den persönlichen Einsatz von Michael Kretschmer hat es am Schluss noch einmal einen klaren Vorsprung für die CDU gegeben.
Markus Söder, Bayerns Ministerpräsident
Auch CDU-Vize Thomas Strobl lobte Kretschmer für seinen Kurs der klaren Abgrenzung zu AfD und Linkspartei als Vorbild für die Gesamtpartei. Gegenüber rechts- und linksextremen Erscheinungen müsse in der Demokratie eine klare Kante gezeigt werden, wie dies Kretschmer für die Sachsen-Union getan habe, sagte Strobl der Deutschen Welle in Berlin. Die CDU müsse „eindeutig und klar sagen: Mit den Leuten von der AfD gibt es nichts − also keine Koalition, keine Kooperation, keinerlei Zusammenwirken. Diese Klarheit ist notwendig.”
Dreierkoalitionen notwendig
Allerdings ist die AfD nun in beiden Ländern zweitstärkste Kraft, mit hohen Ergebnissen. In Sachsen konnte sie ihren Stimmenanteil auf 27,5 Prozent fast verdreifachen, in Brandenburg auf 23,5 Prozent nahezu verdoppeln. Nach Ansicht des Parteienforschers Jürgen W. Falter ist die AfD damit sozusagen die neue Ostpartei. „Die AfD hat die Linke als eigentliche Regionalpartei Ost abgelöst”, sagte der Wissenschaftler von der Universität Mainz der Passauer Neuen Presse. Die AfD ziehe die Proteststimmen auf sich und habe die unzufriedenen Wähler für sich gewonnen. „Das sind nicht nur überzeugte AfD-Wähler, sondern auch solche, die den anderen einen Denkzettel geben wollen.”
Die AfD hat die Linke als eigentliche Regionalpartei Ost abgelöst.
Jürgen W. Falter, Parteienforscher
Beide Länder steuern nun auf ein Dreierbündnis zu. In Sachsen, wo die CDU zuletzt mit der SPD regierte, ist das wahrscheinlichste Bündnis eine Koalition der beiden mit den Grünen. In Brandenburg reicht es nicht länger für die rot-rote Regierung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Er könnte aber mit knapper Mehrheit in einer rot-grün-roten Koalition weiter regieren. Rechnerisch wäre auch ein Bündnis aus SPD, CDU und Freien Wählern möglich oder eins mit CDU und Grünen.
Sachsen: CDU vorne, SPD und Grüne einstellig
In Sachsen rutschte die seit 1990 regierende CDU auf einen neuen Tiefstand. Laut vorläufigem amtlichen Endergebnis erreicht sie nur noch 32,1 Prozent (2014: 39,4). Die AfD kommt auf 27,5 Prozent (2014: 9,7). Das ist bundesweit ihr bestes Landtagswahlergebnis überhaupt. Zwar konnte sie die CDU − anders als zuletzt bei der Europawahl − nicht überholen. Sie löst aber die Linke klar als zweitstärkste Kraft ab.
Die SPD von Spitzenkandidat Martin Dulig fiel auf klägliche 7,7 Prozent (2014: 12,4). Sie fuhr damit ein einstelliges und das bundesweit schlechteste Landtagswahlergebnis ihrer Geschichte ein. Die Grünen steigerten sich im Freistaat leicht auf 8,6 Prozent (2014: 5,7 Prozent) und blieben ebenfalls einstellig. Die Linke fuhr mit 10,4 Prozent das schlechteste Ergebnis seit der Einheit 1990 ein (2014: 18,9). Die FDP verpasste mit 4,5 Prozent (2014: 3,8) erneut den Sprung in den Landtag.
Brandenburg: Rot-Rot abgewählt
In Brandenburg kamen die Sozialdemokraten auf 26,2 Prozent der Stimmen (2014: 31,9). Die AfD erreichte mit 23,5 Prozent Platz zwei (2014: 12,2). Die in Brandenburg traditionell schwache CDU fiel mit 15,6 Prozent (2014: 23,0) auf ihr schlechtestes Landesergebnis und rangiert nun − wie schon bei der Europawahl im Mai − hinter der AfD auf Platz drei.
Auch die bisher mitregierenden Linken brachen ein und kommen nur noch auf 10,7 Prozent (2014: 18,6). Die Grünen fahren mit lediglich 10,8 Prozent ihr bestes Ergebnis in Brandenburg und überhaupt in einem ostdeutschen Flächenland ein (2014: 6,2). Die FDP verpasst mit 4,1 Prozent (2014: 1,5) die Rückkehr ins Parlament. Die Freien Wähler kommen auf 5 Prozent (2014: 2,7) und ziehen diesmal ohne Hilfe von Direktmandaten in den Landtag ein.
Grüne in der Strategie-Klemme
Problematisch können die Wahlergebnisse für die Grünen werden. Die zuletzt erfolgsberauschte Partei hat im bisher für sie so schwierigen Osten nur leicht zulegen können. Von 20 plus wie in in bundesweiten Umfragen blieben die Grünen weit entfernt: In Brandenburg reichte es nur ganz knapp für die Zweistelligkeit, in Sachsen blieben die Grünen deutlich darunter.
Für die Grünen wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel.
Markus Söder, Bayerns Ministerpräsident
Heikel: In beiden Ländern könnten sie nun in sehr unterschiedlichen Konstellationen als Mehrheitsbeschaffer gefragt sein. Was die strategische Positionierung, auch bundesweit, nicht gerade leicht macht: In Brandenburg Partner von SPD und Linken, in Sachsen von CDU und SPD? Grünen-Chef Robert Habeck schwanen denn auch schon „schwierigste Verhandlungen” mit den eher konservativen Christdemokraten in Dresden. Gibt es dabei für die Grünen eine rote Linie? „Ein Atomkraftwerk bauen”, scherzte Habeck noch am Wahlabend.
Wie weiter im Osten?
Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU), sprach sich nach der Doppel-Wahl für verstärkte politische Anstrengungen im Osten aus. „Im positiven Sinne rüttelt das Ergebnis wach: Wir müssen den in dieser Bundesregierung gestarteten Weg der echten Strukturpolitik weiter verstärken”, sagte der Wirtschafts-Staatssekretär der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Der Osten braucht dabei weiter Vorfahrt.” Gerade der Erfolg von Sachsens Ministerpräsident Kretschmer resultiere aus einem Kurs, der nicht der Rhetorik an den politischen Rändern gefolgt sei. Hirte sprach sich mit Blick auf die AfD für einen Kurs der „klaren Abgrenzung statt Ausgrenzung” aus. Bei 7,3 Prozent CDU-Verlusten gilt dennoch: Erfolge sehen anders aus.
Zuhören, überall präsent sein, in die kleinsten Veranstaltungen gehen und all diese Wut, die es ja auch bei den Wählern gibt, versuchen aufzufangen und Antworten zu geben.
Armin Laschet, NRW-Ministerpräsident
Mit Blick auf das AfD-Ergebnis sagte CDU-Bundesvize Armin Laschet im ZDF: Abhilfe könne man nur schaffen mit „klarer, knallharter Abgrenzung”. Und der Methode Kretschmer: „Zuhören, überall präsent sein, in die kleinsten Veranstaltungen gehen und all diese Wut, die es ja auch bei den Wählern gibt, versuchen aufzufangen und Antworten zu geben.” (dpa/BK/H.M.)