Im Zentrum muss der Schutz des ungeborenen Lebens stehen: „Marsch für das Leben“ im September in Berlin. (Foto: Imago/IPON)
Abtreibung

CSU verteidigt Werbeverbot

Rot-Rot-Grün will die unklare Mehrheitslage im Bundestag nutzen, um den Schutz ungeborenen Lebens zu schwächen: Der Paragraph 219a, der Werbung für Abtreibungen verbietet, soll abgeschafft werden. Die Union stellt sich gegen diese Initiative.

SPD, Grüne und Linkspartei wollen den Paragraphen 219a im Strafgesetzbuch abschaffen. Dieser Paragraph untersagt das „Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen“ von Schwangerschaftsabbrüchen zum eigenen finanziellen Vorteil, oder wenn dies in „grob anstößiger Weise“ geschieht. Anlass für die Abschaffungs-Initiative der drei Fraktionen ist eine Strafe von 6000 Euro, zu der das Landgericht Gießen eine Frauenärztin wegen Verstoßes gegen diesen Paragraphen verurteilt hatte. Die Ärztin hatte auf ihrer Homepage dafür geworben, dass in ihrer Praxis Abtreibungen durchgeführt werden.

SPD, Grüne und Linkspartei im Bundestag legten jeweils Gesetzentwürfe zur Abschaffung des Paragraphen 219a vor, über die voraussichtlich im Januar erstmals beraten wird. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Eva Högl, sagte, man lote nun die Chancen für eine „gemeinsame interfraktionelle Initiative“ aus. Der rot-rot-grüne Berliner Senat beschloss bereits eine entsprechende Bundesratsinitiative. Ob die linke Initiative Erfolg haben wird, hängt davon ab, ob SPD, Grüne und Linkspartei die FDP dazu bringen, sie zu unterstützen. Zusammen hätten diese vier Fraktionen eine Mehrheit im Bundestag, falls sie geschlossen abstimmen.

Eine Werbung für Abtreibungen wäre gegen den Willen unserer Verfassung.

Michael Frieser, rechtspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe

Die CSU im Bundestag verurteilt diese Initiativen. „Das Werbeverbot sollte aufrecht erhalten bleiben. Es geht um den verfassungsrechtlich gewährleisteten und notwendigen Schutz des ungeborenen Lebens, der für mich weitaus schwerer wiegt als das Interesse von Ärzten für Schwangerschaftsabbrüche zu werben“, sagte der rechtspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Michael Frieser, dem BAYERNKURIER.

Abtreibungen sind „keine alltägliche Dienstleistung“

Frieser betont: „Der Schwangerschaftsabbruch ist nur in Ausnahmefällen zulässig und gewiss keine alltägliche Dienstleistung. Daher ist eine vorherige Beratung zwingend. Wer jedoch für den Abbruch wirbt, erweckt genau den Eindruck, dass es hier um etwas Banales geht.“ Daher gehörten die Beratung und der Schutz des ungeborenen Lebens weiterhin in den Mittelpunkt. Eine Werbung für Abtreibungen sei gegen den Willen der Verfassung.

Wir stehen zum Schutz des ungeborenen Lebens.

Volker Ullrich, CSU-Rechtspolitiker

Ganz ähnlich sieht das der CSU-Rechtspolitiker Volker Ullrich aus Augsburg. „Jedes Leben hat seine Größe, auch ungeborenes, und verdient unseren verfassungsrechtlichen und politischen Schutz. Der Paragraph 219a des Strafgesetzbuches verbietet zu Recht Werbung für Schwangerschaftsabbrüche“, sagt Ullrich dem BAYERNKURIER. „Wenn Linke und Grüne diesen Paragraphen jetzt ohne Not abschaffen wollen, so handelt es sich um eine emotional aufgeladene Kampagne. Der Sache wird dieser Vorstoß nicht gerecht“, kritisiert Ullrich und stellt für die CSU klar: „Wir stehen zum Schutz des ungeborenen Lebens.“

Ergebnis einer langen Debatte

Bei einer Abschaffung des Werbeverbots droht nach Ullrichs Ansicht das Gesamtgefüge das juristischen Lebensschutzes ins Wanken zu geraten: „Das Bundesverfassungsgericht verlangt vom Gesetzgeber Vorgaben zum Schutz ungeborenen Lebens. Die Reform des Paragraphen 218 mit der Beratungslösung war das Ergebnis eines langen und sehr intensiven politischen und verfassungsrechtlichen Ringens zum Schutz ungeborenen Lebens. Dieses in harten Auseinandersetzungen erarbeitete Normengefüge soll und darf nicht ohne Not aufgeweicht werden.“

Es darf kein Geschäftsmodell als Normalität beworben werden, das auf der Tötung ungeborenen Lebens beruht.

Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef

Der Chef der CSU-Landesgruppe, Alexander Dobrindt, lehnt die Gesetzesänderung ebenfalls ab: „Es darf kein Geschäftsmodell als Normalität beworben werden, das auf der Tötung ungeborenen Lebens beruht.“ Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer, sagte der Passauer Neuen Presse, es werde mit der Union keine Aufweichung oder Streichung des Paragraphen 219a geben.

Lebensrecht contra Selbstbestimmung

Auch die CDU will von einer Abschaffung des Paragraphen 219a nichts wissen. Jede Frau habe heute die freie Entscheidung darüber, ob und wann sie Kinder bekommen wolle, sagt die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker. Aber: „Ist ein Kind gezeugt, geht es aber nicht mehr nur um sie selbst, sondern auch um das Lebensrecht des Ungeborenen.“

Winkelmeier-Becker findet es traurig, dass nach dem Gießener Urteil die alten linksfeministischen Parolen und ideologischen Grabenkämpfe wieder aufbrechen. „Es ist bedauerlich, dass die jetzt aufgeflammte Debatte wieder sehr schematisch abläuft und alte Feindbilder aufleben lässt. Ein Festhalten am Werbeverbot wird in bewusstem Missverständnis mit einem Festhalten an längst überholten Rollenklischees gleichgesetzt“, so die CDU-Rechtspolitikerin.

Kirchen sind merkwürdig still

Auffällig still bei dieser Frage verhalten sich die Kirchen. Der evangelische Landesbischof Bayerns und Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, lehnte auf BAYERNKURIER-Anfrage eine Stellungnahme ab. „Der Landesbischof äußert sich derzeit nicht zu diesem Thema“, erklärte der Pressesprecher der Landeskirche. Auch der Münchner Kardinal und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), lehnte eine Stellungnahme zum Paragraphen 219a ab.

Allerdings betonte der Pressesprecher des Münchner Ordinariats gegenüber dem BAYERNKURIER, die Position der katholischen Kirche zum Lebensschutz sei eindeutig. Er verwies auf Aussagen von Karl Jüsten, dem Repräsentanten der DBK bei Bundestag und Bundesregierung in Berlin. Dieser hatte gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vor einer Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen gewarnt und betont: „Der Paragraf 219a im Strafgesetzbuch ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts integraler Teil des Schutzkonzepts.“ Zugleich beklagte Jüsten „eine bewusst oder unbewusst fehlerhafte Bewertung der rechtlichen und tatsächlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen“ in der derzeitigen Debatte.