Heimreise vorbereiten: Sachsen und Bayern wollen Lagebericht aus Syrien. (Bild: Imago/Rüdiger Wölk)
Debatte

Abschiebung nach Syrien?

Die Innenminister der Länder beraten in Leipzig über eine Neubewertung des seit 2012 geltenden Abschiebestopps nach Syrien. Sachsen und Bayern fordern eine aktualisierte Einschätzung der Sicherheitslage in dem Bürgerkriegsland.

Die Innenminister von Sachsen und Bayern fordern in Leipzig eine aktualisierte Einschätzung der Sicherheitslage in Syrien und eine Überprüfung des seit 2012 geltenden Abschiebestopps, der immer wieder verlängert wurde. Zuletzt konnten sich SPD- und CDU-geführte Länder nicht auf den Zeitraum einigen, die SPD will ein Jahr, die Union nur sechs Monate verlängern.

Viele Syrer sind es nicht, die von einer Abschiebung betroffen wären: 4607 Syrer sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums ausreisepflichtig, 3588 davon aber geduldet. Es geht also um 1019 Personen.

Neubewertung erforderlich

Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU), der den Vorsitz der Innenministerkonferenz führt, sagte der Leipziger Volkszeitung: „Zunächst brauchen wir eine aktuelle, zuverlässige und offizielle Lagebeurteilung, weil die letzte aus dem Jahr 2012 stammt. Dann muss man wissen: Wir reden hier über Straftäter und terroristische Gefährder, die auch aus Syrien stammen.“ Es geht also nicht um die massenweise Abschiebung, wie manche Politiker der linken Parteien gleich befürchteten. Ulbig ist ein Mann der klaren Worte: „Als Innenminister des Freistaates bin ich für die Sicherheit in Sachsen zuständig – und da haben sowohl diese Gefährder als auch Kriminelle nichts zu suchen.“ Weil Syrien aber noch als Kriegsgebiet deklariert ist, dürften sogar solche Leute laut Europäischer Menschenrechtskonvention nicht abgeschoben werden.

Als Innenminister des Freistaates bin ich für die Sicherheit in Sachsen zuständig – und da haben sowohl diese Gefährder als auch Kriminelle nichts zu suchen.

Markus Ulbig

Natürlich bestehe noch die Möglichkeit der elektronischen Fußfessel, „doch wir können ja nicht alle, die wir aus unterschiedlichen Gründen nicht abschieben können, mit Fußfesseln ausstatten“, stellte der sächsische Innenminister klar. Zudem sie die Fußfessel kein Allheilmittel. „Gefährder oder schwere Straftäter, wie zuletzt der Vergewaltiger einer Sozialpädagogin in Dresden, haben hier nichts zu suchen. Das hat mit dem Verständnis, den Menschen, die aus Krisen- und Kriegsgebieten kommen, Schutz zu geben, nichts zu tun.“ Es gehe neben Gefährdern und Intensivstraftäter auch um jene, „die sich hartnäckig ihrer Mit­wirkungspflicht entziehen“. Das betreffe nicht nur das Herkunftsland Syrien. Und er macht auf eine andere Volksgruppe aufmerksam: „Ein Drittel der hier lebenden Libyer ist schon straffällig geworden, doch wir dürfen sie nicht abschieben.“

Lage in Syrien bessert sich

„In einzelnen Regionen wie um Aleppo ist es mittlerweile wieder relativ sicher“, gab außerdem Ulbigs bayerischer Kollege Joachim Herrmann (CSU) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe zu bedenken. Auch aus der Türkei würden mittlerweile syrische Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) berichtet, zwischen dieses Jahr bis Oktober 715.000 Vertriebene freiwillig in ihre Heimatorte oder in den befreiten Norden des Landes zurückgekehrt sind, darunter auch einige Zehntausend, die in einem Nachbarland Syriens Zuflucht gefunden hatten.

Die IMK hält es für erforderlich, Abschiebungen nach Syrien wieder aufzunehmen, sobald es die Sicherheitslage im Land erlaubt.

Position der Unions-Innenminister

Bundesländer wie Sachsen, Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen bestätigen laut einem Bericht der Zeit, dass auch aus Deutschland einige Hundert Syrer freiwillig in die Heimat aufbrachen. Der Schluss liegt nahe: Wenn Flüchtlinge freiwillig heimkehren, muss Syrien zumindest in einigen Gegenden wieder sicher sein. Allerdings wurden in der gleichen Zeit laut IOM auch wieder viele Tausend Syrer neu vertrieben.

Und der Schutz der deutschen Bevölkerung?

Für Schwerkriminelle wie Vergewaltiger und Totschläger könnten zudem schon aus Sicherheitsgründen nicht die gleichen Maßstäbe gelten wie für andere Bürgerkriegsflüchtlinge, sagte Herrmann. Abschiebung in ein Land, wo Gefahr für Leib und Leben besteht, ist auch nach deutschem Aufenthaltsgesetz verboten. Das gilt sogar für kriminelle Flüchtlinge oder Asylbewerber – was viele Einheimische nicht verstehen können. Das Dilemma ist den Ministern auch klar, wie die Beschlussvorlage der Unionsgeführten Länder deutlich macht: „Die IMK hält es für erforderlich, Abschiebungen nach Syrien wieder aufzunehmen, sobald es die Sicherheitslage im Land erlaubt. Dabei soll mit Straftätern und Gefährdern begonnen werden.“

Sachsen will zudem nach Auskunft des Innenministeriums künftig freiwillige Ausreisen nach Syrien mit Geldzahlungen fördern. Niedersachsen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern tun dies bereits.

Vorbereitung auf die Zukunft

Klar ist: Asyl ist ein Recht auf Zeit. Es erlischt, wenn die Gründe dafür entfallen. Das wäre in Syrien zum Beispiel der Fall, wenn dort niemand mehr politisch verfolgt würde, wenn der Krieg endete oder befriedete Landstriche existierten, die eine Rückkehr erlauben (denn es gibt kein Recht, in den eigenen Wohnort zurückzukehren). Dafür gibt es gegenwärtig in Syrien wenig Anhaltspunkte, dort wird weiter getötet, gefoltert, verhaftet und gehungert. Rechtssicherheit ist für das Assad-Regime ein Fremdwort. Seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 wurden rund 400.000 Syrer getötet, mehr als elf Millionen vertrieben, davon flohen 5,5 Millionen ins Ausland – 650.000 nach Deutschland.

Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU), sagte darum vor der Leipziger Konferenz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, zurzeit sehe es danach aus, dass Syrien auf dem Weg zu einer Befriedung sei. Jetzt müsse man mittelfristig dafür sorgen, dass die Menschen in ihre Heimat zurückkehrten. „Sie werden dort dringend beim Wiederaufbau gebraucht“, so Caffier. Es geht also auch darum, dass man sich und die Flüchtlinge auf die Zukunft vorbereitet.