Gefahr für den Frieden in Europa: Russlands Präsident Wladimir Putin.(Bild: Imago/Mikhail Metzel/TASS)
BND

Gefahr aus dem Osten

Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, warnt vor Russland und dessen militärischen Ambitionen. Auch zweifelt er die Wehr- und Rüstungsfähigkeiten Westeuropas an. Und: Der Migrationsdruck steige und sei nur schwer aufzuhalten.

Geheimdienste sind meist sehr verschwiegen, das sagt einem schon der Name. Umso bemerkenswerter ist daher die Rede, die der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, in der Hanns-Seidel-Stiftung vor rund 300 Gästen hielt. Darin beschäftigte er sich mit den Herausforderungen für die internationale Sicherheitsarchitektur.

Russland gefährdet den Frieden

Der aus europäischer Sicht entscheidende Nachbar, der den Frieden auf dem Kontinent als einziger Staat wirklich gefährde, ist laut Kahl Russland. Den wachsenden machtpolitischen Ambitionen Russlands könne nur gemeinsam mit den Vereinigten Staaten entgegen getreten werden, da es keine Anhaltspunkte gebe, dass sich das Verhältnis noch bessere. Die Machtkonzentration im Zirkel um Wladimir Putin spreche eher für das Gegenteil. Auch in der Ukraine: „Bei der Krim brauchen wir uns keine Hoffnung mehr zu machen“, so Kahl. Darum müsse Wert auf eine enge sicherheitspolitische Partnerschaft mit den USA gelegt werden, gerade auch im Bereich der Geheimdienste. Besorgniserregend, wenn auch nicht neu, sind die Erkenntnisse des BND und seines Chefs, dass Russland versucht, die EU zu schwächen, den Einfluss der USA zurückzudrängen und einen Keil zwischen die transatlantischen Partner zu treiben.

Statt einem Partner für die europäische Sicherheit haben wir in Russland eher eine potenzielle Gefahr.

Bruno Kahl, BND-Präsident

Der Frieden in Europa sei keine Selbstverständlichkeit, sondern müsse immer wieder neu erarbeitet werden, so Kahl. Dabei stellte der Geheimdienstler in Frage, ob die Wehr- und Rüstungsfähigkeit Westeuropas ausreichend gegen die neuen Bedrohungspotenziale sei. So habe man bei dem großen Sommermanöver Russlands eine umfassende Modernisierung der russischen Ausrüstung und Streitkräfte feststellen müssen. Auch habe Russland einen neuen „Höchststand“ an Streitkräften an seinen westlichen Grenzen stationiert, darunter Kurzstreckenraketen in der Enklave Kaliningrad (früher Königsberg). Die Warnung des BND-Präsidenten war unmissverständlich: „Um es deutlich zu sagen: Statt einem Partner für die europäische Sicherheit haben wir in Russland eher eine potenzielle Gefahr.“ Dennoch sei es wichtig, die Gesprächskanäle nach Russland offen zu halten.

Auch Andere warnen vor Putin

Auch die britische Premierministerin Theresa May warnte bei einer Rede in London in klaren Worten vor dem östlichen Nachbarn. Russland mische sich mit Geld in Wahlen ein, verbreite „fake news“ und manipuliere damit Medien und öffentliche Meinung. Zugleich bedrohe das Land die Friedensordnung, etwa durch die Annexion der Krim und der schleichenden Übernahme der Ostukraine. „Ihr werdet nicht gewinnen“, so May in Richtung Putin.

Kritik an Russland übten zuletzt auch britische und spanische Medien sowie die unlängst veröffentlichte „Prager Erklärung“ von Sicherheitsexperten aus 22 Ländern. Russland werden gezielte Beeinflussungsversuche vorgeworfen, sowohl beim Brexit-Referendum, dem katalanischen Unabhängigkeits-Referendum, dem italienischen Verfassungsreferendum, dem niederländische Votum über die Visafreiheit für die Ukraine sowie bei den Wahlen in Frankreich und Deutschland (ebenso wie in den USA). Spanien will im Fall Katalonien sogar „eindeutige Beweise“ für diese Versuche des Kreml haben – weil eine solche Sezession der Annexion der Krim dienlich sein könnte. Das Ziel bleibe gleich: Europa zu destabilisieren. „Ein großer Teil des westlichen politischen Establishments“ habe die Gefahr noch nicht erkannt, so die „Prager Erklärung“. Heftig kritisiert wurde speziell die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, die sich weigere, die russische Bedrohung beim Namen zu nennen.

Drei Bedrohungen der Sicherheit

BND-Chef Kahl ging bei der der Hanns-Seidel-Stiftung auch auf grundsätzliche Bedrohungen ein, die die bestehenden Friedensordnungen gefährden:

  • Erstens führe das ungleiche wirtschaftliche Wachstum zu Machtverschiebungen innerhalb der internationalen Strukturen.
  • Zweitens seien „schwache Staaten“ gefährlich, in denen die Macht substaatlich, wie durch lokale Kriegsfürsten („Warlords“), ausgeübt werde. In diesen Staaten könnten dann auch Rückzugsräume für Terrorgruppen entstehen – Beispiele dafür seien Afghanistan, Libyen, Nigeria, Mali oder Syrien.
  • Als dritte Bedrohung nannte Kahl den technologischen Wandel und die Digitalisierung. Durch den „Cyber War“ sei eine neue Dimension für zwischenstaatliche Auseinandersetzungen entstanden (was aber auch Terrorgruppen wie der IS nutzten), ebenso wie durch die militärische Nutzung des Weltraums. Außerdem sei moderne Rüstungstechnik, wie unbemannte Drohnen, effizient und fast universell einsetzbar.

Der Migrationsdruck auf Europa von „weit über einer Milliarde Menschen“ werde weiter zunehmen, meinte der BND-Chef. Allein Afrika wachse laut Prognosen um jährlich mehr als 30 Millionen Menschen. Es sei fraglich, ob die Fluchtursachenbekämpfung mit dieser steigenden Dynamik durch Krieg, Hunger, Klimawandel und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit „überhaupt Schritt“ halten könne.

Stabilität könne nur durch nebeneinander bestehende militärische Bündnisse und Handelsabkommen erhalten werden, betonte der BND-Präsident. Hohe Investitionen in Sicherheit seien weiterhin erforderlich.

Der Umzug des BND

Kahl lobte den bevorstehenden Umzug des BND von Pullach nach Berlin: Er gewährleiste eine größere Nähe zum politischen Geschehen. Rund 4000 Mitarbeiter werden 2018 umziehen, einige arbeiten schon in dem riesigen Gebäude mit 5000 Räumen. Nur die technische Aufklärung bleibt in Pullach, um mit dem neuen Cyber Defence Zentrum (CODE) der Bundeswehr zu kooperieren. Der BND werde dafür auch die eigene Ausbildung stärken: Für Nachwuchsagenten soll der Studiengang „Master of Intelligence“ geschaffen werden.

(HSS/dpa/BK)