Zu weit links von der Mitte? Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel im Konrad-Adenauer-Haus. (Bild: Imago/Jens Schicke)
CDU

Landespolitiker rebellieren

Immer mehr Führungsleute der CDU äußern Zweifel an Parteichefin Merkel, ihrem Linkskurs und der geplanten Jamaika-Koalition. Vertreter der CDU Sachsen geben Merkel die Hauptschuld an dem Desaster bei der Bundestagswahl und dem Tillich-Rücktritt.

Immer mehr CDU-Politiker aus den Ländern gehen auf Distanz zu Parteichefin Angela Merkel oder warnen vor einem weiteren Linkskurs der CDU durch ein Jamaika-Bündnis: Sachsens Landtagsfraktionschef Frank Kupfer, Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier und der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther üben teils deutliche Kritik an Merkel.

Ich habe die Hoffnung, dass auch in Berlin ein Umdenken geschieht. Merkel sollte zumindest in ihrer Haltung Konsequenzen ziehen.

Frank Kupfer, Vorsitzender der CDU-Fraktion im sächsischen Landtag

Nach der Rücktrittsankündigung von Ministerpräsident Tillich griff der sächsische CDU-Fraktionschef Frank Kupfer die Kanzlerin massiv an. Im Deutschlandfunk sagte Kupfer, die Hauptschuld an den massiven CDU-Verlusten in Sachsen, wo die rechtspopulistische AfD bei der Bundestagswahl knapp vor der CDU stärkste Partei wurde, liege nicht bei der Landespolitik, sondern bei der Bundesregierung – insbesondere an deren Flüchtlingspolitik.

Die Mitte ist mittlerweile rechts von der CDU

„Ich habe die Hoffnung, dass auch in Berlin ein Umdenken geschieht“, sagte Kupfer. Auch Parteichefin Merkel „sollte zumindest in ihrer Haltung Konsequenzen ziehen.“ Einfach alles zu verteidigen und zu sagen, sie habe alles richtig gemacht, sei nicht das, was der Wähler erwarte. Sollte die von ihm geforderte Kurswende im Bund nicht in einer Jamaika-Koalition von CDU, CSU, FDP und Grünen möglich sein, „dann muss man neu denken“, sagte Kupfer.

Kupfer betonte, die CDU sei in den letzten Jahren generell politisch massiv nach links geschwenkt. Wenn die Partei wieder mehr in die Mitte kommen wolle, müsse sie daher logischerweise nach rechts rücken. Das gelte beispielsweise für die Themen Innere Sicherheit und Wirtschaftspolitik.

Tillich-Nachfolger Kretschmer ist ein Konservativer

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich hatte als Konsequenz aus dem Wahldesaster angekündigt, im Dezember seine Ämter als Regierungschef und als CDU-Landesvorsitzender aufzugeben. Nachfolger soll auf beiden Positionen der Generalsekretär der sächsischen CDU, Michael Kretschmer, werden. Das Präsidium der Sachsen-CDU nominierte ihn einstimmig. Der 42 Jahre alte Michael Kretschmer gilt als konservativer CDU-Mann: Im September 2016 hatte er gemeinsam mit der CSU ein Positionspapier präsentiert, in dem die deutsche Leitkultur als selbstverständliches Fundament des Zusammenlebens in Deutschland herausgestellt wird. Auch die massive Kritik, die Linkspartei und Grüne jetzt über ihm ausgossen, adelt Kretschmer als Konservativen.

Ich befürchte, dass Jamaika aus Sicht der inneren Sicherheit nicht gut wäre.

Lorenz Caffier (CDU), Innenminister in Mecklenburg-Vorpommern

Im Bundestag war Kretschmer zuletzt stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion Bildung, Forschung, Kunst, Kultur und Medien, allerdings verlor er am 24. September seinen Wahlkreis Görlitz an die AfD und gehört nach 15 Jahren nicht mehr dem Bundestag an. Als gelernter Informationselektroniker und Wirtschaftsingenieur galt Kretschmers besonderes Interesse bisher der Bildungs- und Forschungspolitik. Er ist derzeit Mitglied des Senats der Helmholtz-Forschungsgesellschaft und Präsident des Sächsischen Volkshochschulverbandes.

Kritik auch von der Küste

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister und CDU-Landeschef Lorenz Caffier hat vor einer Gefährdung der Inneren Sicherheit durch ein Jamaika-Bündnis im Bund gewarnt – und damit vor einem weiteren Linksruck der CDU. „Ich befürchte, dass Jamaika aus Sicht der Inneren Sicherheit nicht gut wäre“, sagte Caffier dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Als Stichworte nannte Caffier, der auch Sprecher der Unions-Innenminister ist, die Asyl- und Ausländerpolitik sowie die Datenspeicherung. Mit der SPD habe die Union hingegen einiges Sinnvolle umgesetzt.

Unser mäßiges Wahlergebnis bei der Bundestagswahl legt uns ans Herz, personell eine Erneuerung anzugehen.

Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident Schleswig-Holsteins

Die Union dürfe in der Asyl- und Ausländerpolitik beim Familiennachzug und bei der Forderung, die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, nicht einknicken, forderte Caffier. Außerdem sei für den Anti-Terror-Kampf eine erweiterte Vorratsdatenspeicherung erforderlich. „Das wird alles nicht einfach.“ Die FDP sei bisher gegen Videoüberwachung und Vorratsdatenspeicherung. Die Grünen müssten sich „erst noch orientieren“, erklärte er – im Idealfall an Männern wie dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, den Caffier als „pragmatisch und sachorientiert“ lobte.

CDU-Nachwuchsstar über Merkels Nachfolge

Sogar der schleswig-holsteinischen CDU-Ministerpräsident Daniel Günther, der einer Jamaika-Koalition vorsteht und im Obergrenzen-Streit stets die Merkel-Linie verteidigt hatte, thematisierte einen Rücktritt Merkels und mahnte eine rasche Regelung der Nachfolgefrage an. Die Parteichefin müsse klarstellen, wer nach ihr in vier Jahren das Ruder übernehmen könnte, betonte Günther im Focus.

„Die Menschen haben ein Rieseninteresse, dass Angela Merkel das Land weitere vier Jahre erfolgreich führt. Sie wollen aber dann auch Perspektiven sehen, wie es danach weitergeht“, sagte der Ministerpräsident. „Unser mäßiges Wahlergebnis bei der Bundestagswahl legt uns ans Herz, personell eine Erneuerung anzugehen“, so Günther. Die CDU brauche „neue Gesichter in Führungspositionen, die dafür Gewähr bieten“. Der 44 Jahre alte Günther betonte, geeigneter Nachwuchs stehe bereit. Die CDU sei personell „extrem gut“ aufgestellt. „Wir haben so viele Persönlichkeiten in der zweiten Reihe wie seit vielen Jahren nicht.“