Leitkultur als Anker für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. (Bild: Imago/Steinach)
Leitkultur

Heimat und Patriotismus als Kraftquellen

In einem gemeinsamen Aufruf stellen CSU und die CDU Sachsen die Bedeutung der Leitkultur für den gesellschaftlichen Zusammenhalt heraus. Den Zuwanderern weise sie den Weg zu einer erfolgreichen Integration.

Mit einem gemeinsamen „Aufruf zu einer Leit- und Rahmenkultur“ wollen CSU und Sachsens CDU in einer Zeit der weltweiten Krisen und gesellschaftlichen Umbrüche den Bürgern „Halt und Orientierung“ geben. „Die gegenwärtige Krisenpermanenz verleitet Europas Staaten dazu, sich gemeinsamen Lösungen zu entziehen und auf nationale Interessen zu konzentrieren“, schreiben die Autoren des Aufrufs. „Der umgekehrte Weg wäre besser: Aufbau starker nationaler und regionaler Identitäten – um sich dann mit breitem Rückhalt der gemeinsamen Bewältigung internationaler und globaler Aufgaben zu widmen.“

Der Aufruf ist eine Antwort auf die Ängste der Menschen, das Bemühen, den gesellschaftlichen Abstiegsängsten und kulturellen Verlustängsten etwas entgegen zu stellen.

Markus Blume

Der gemeinsame Appell sei „eine Antwort auf die Ängste der Menschen, das Bemühen, den gesellschaftlichen Abstiegsängsten und kulturellen Verlustängsten etwas entgegen zu stellen“, sagt der Vorsitzende der CSU-Grundsatzkommission Markus Blume, der das Papier mit verfasst hat. Zu den weiteren Autoren zählen der Präsident des sächsischen Landtags, Matthias Rößler, Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer, der Vizepräsident des Bayerischen Landtags, Reinhold Bocklet, und der Generalsekretär der CDU-Sachsen, Michael Kretschmer.

Nation als Schutz in der globalisierten Welt

Heimat und Patriotismus sehen die Verfasser als „Kraftquellen“ für die Bewältigung der anstehenden Aufgaben.

„Die gemeinsame Verwurzelung in liebgewonnener Heimat, gelebter Patriotismus, gesicherte Freiheit und Demokratie sowie die Aufrechterhaltung der Solidargemeinschaft der Nation bieten Schutz in einer globalisierten Welt und halten auch in schwierigen Zeiten Staat und Gesellschaft stabil“, schreiben sie. Patriotisch sei, wer „sein Land und dessen Leute“ möge, zum Gemeinwohl beitrage und sich für die freiheitliche demokratische Grundordnung einsetze. Bei der Zuwanderung warnen die Verfasser davor, die Belastbarkeitsgrenzen der Bevölkerung zu überschreiten. „Deshalb brauchen wir eine Einwanderungspolitik, die sich nach Nachhaltigkeit, plausibler Gerechtigkeit und den Bedürfnissen unseres Landes bemisst.“

Das Fundament des Zusammenlebens

Zentraler Begriff des Aufrufs ist die „Leitkultur“. Sie definieren die Verfasser als „verbindende Rahmenkultur“. Sie meine „nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern das Fundament unseres Zusammenlebens“, schreiben die Autoren des Aufrufs. Die Leitkultur umfasse neben der freiheitlichen demokratischen Grundordnung auch „jene kulturellen Errungenschaften, denen unsere Verfassungsordnung überhaupt erst ihre Plausibilität verdankt“, heißt es weiter: „Dazu gehören die Trennung von Staat und Religion, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Wertschätzung des Strebens nach selbst definiertem Lebensglück, der dauernde, verantwortungsvolle Umgang mit persönlicher Freiheit. Das alles stiftet jenes Vertrauen, in dem eine gelebte Verfassung wurzelt.“

Mehr als Recht und Gesetz

Die Leitkultur gehe aber über Werte und Rechtsnormen hinaus, so die Autoren des Aufrufs. Zu ihr gehörten auch „Übereinkünfte, die von der Regelung des Alltagslebens bis zur Ausgestaltung der Rolle Deutschlands in Europa und der Welt“ reichten. Dazu zählten der Gebrauch der deutschen Sprache sowie bewährte Umgangsformen. Sie umschließe aber auch „jene wichtigen Lehren, die unser Land aus der nationalsozialistischen und der kommunistischen Diktatur“ gezogen habe: „Zu diesen gehören die Wertschätzung von Solidarität und Freiheit, die bereitwillige Übernahme von Verantwortung, gegenseitiger Respekt und der Verzicht auf politische Gleichgültigkeit.“

Konkret nennt der Aufruf zehn Punkte, auf die es jetzt ankomme:

  1. Deutsch als Sprache des öffentlichen Lebens: Ohne gemeinsame Landessprache in Öffentlichkeit und Alltag ist gedeihliches Zusammenleben nicht möglich.
  2. Recht und Gesetz: Gesellschaftliche Vielfalt bleibt nur dann friedlich, wenn alle bereitwillig dieselben Gesetze einhalten. Deshalb erwarten wir fraglose Akzeptanz unserer Verfassungsordnung, verlässliche Rechtstreue und die Bereitschaft, die Risiken von Freiheit mitzutragen. Unverhandelbar sind die Gleichberechtigung von Frau und Mann, die sexuelle Selbstbestimmung und der Respekt vor dem Eigentum anderer. Rechtsetzung, Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung bleiben ausschließlich staatliche Aufgaben.
  3. Abendländisches Wertefundament: Jüdisch-christliche Werte sind in der Tradition der Aufklärung Grundlage unseres Zusammenlebens. Die Würde jedes Menschen, seine Einzigartigkeit, sein Recht auf staatliche Gleichbehandlung sowie seine Berufung zur freien, selbstbestimmten Ausgestaltung des eigenen Lebens sind Ecksteine unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung.
  4. Religionsfreiheit und ihre Grenzen: Gerade die Trennung von Religion und Staat ermöglicht Religionsfreiheit. Religiöse Praxis findet deshalb ihre Grenzen in den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Mehr als das schreibt der Staat den Religionen nicht vor. Umgekehrt darf Handeln gemäß religiöser Überzeugungen nirgendwo die Erfüllung staatlicher Aufgaben ersetzen. Das gilt gerade auch für das Bildungs- und Erziehungswesen.
  5. Kultur und Tradition: Ohne gemeinsame Selbstverständlichkeiten zerfällt eine Gesellschaft. Deutschland hat deshalb ein Recht zur Festlegung dessen, was weiterhin als selbstverständlich gelten soll. Natürlich können sich Selbstverständlichkeiten auch wandeln, und darauf hinzuwirken ist – im Rahmen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung – das Recht jedes Bürgers.
  6. Alltägliche Umgangsformen: Vertraute Umgangsformen strukturieren unser Miteinander. Zu ihnen gehören Offenheit und wechselseitiger Respekt.
  7. Solidarisches Zusammenleben: Nur solange ein Land als bereitwillige Solidargemeinschaft funktioniert, sind soziale und innere Sicherheit gewährleistet. Deshalb dürfen wir die wechselseitigen Solidaritätserwartungen nicht überziehen. Vor allem muss jeder nach Kräften selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen. Besondere Anerkennung verdienen jene, die sich ehrenamtlich einbringen.
  8. Geschichtliches Bewusstsein: Wir sind stolz auf unsere Kultur und Geschichte und haben aus den beiden deutschen Diktaturen und dem Holocaust wegweisende Lehren gezogen. Im Wunsch nach Frieden und guter Nachbarschaft gegründet, stehen wir für die Selbstbehauptung der Europäer durch enge Zusammenarbeit in der Europäischen Union und nehmen dabei unsere internationale Verantwortung wahr. Die Sicherung der Existenz Israels ist uns ein wichtiges Anliegen.
  9. Politische Interessen: Wir setzen uns ein für die Interessen unserer Bundesländer in einem lebendigen Föderalismus, für die Interessen Deutschlands als starkem Mitglied der westlichen Wertegemeinschaft und für das Ziel einer handlungsfähigen Europäischen Union. Die Austragung von Stellvertreterkriegen in Deutschland lassen wir nicht zu.
  10. Toleranz: Es kann in einer offenen Gesellschaft sehr herausfordernd sein, mit anderen Meinungen, Überzeugungen, politischen Einstellungen und Lebensentwürfen zurechtzukommen. Toleranz als Hinnehmen von Beliebigem hilft dabei nicht nachhaltig. Sie muss vielmehr an unserer bewährten Leit- und Rahmenkultur orientiert sein.

Dies seien „sehr konkrete Wege für Zuwanderer, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren“, schreiben die Autoren. „Wir erwarten, dass diese Wege auch beschritten werden.“

Seehofer pocht auf „Hausordnung“

In seiner Regierungserklärung am Mittwoch im Landtag hatte Bayerns Ministerpräsident ebenfalls die Bedeutung der Leitkultur für die Integration von Zuwanderern betont: „Die Menschen in Bayern sorgen sich. Sie wissen sehr genau: Zusammenhalt, Respekt und Menschlichkeit brauchen mehr als bloßen Verfassungspatriotismus!“ Integration, so Seehofer weiter, bedeute für die CSU „Integration in unsere Werte und unsere Rechtsordnung“. Die „Hausordnung“ sei nicht verhandelbar. „Wir treffen uns nicht in einer neutralen Mitte. Wir integrieren nicht in ein Niemandsland, sondern in unsere Werteordnung“, machte der CSU-Vorsitzende unmissverständlich klar. „Wer bei uns leben will, der muss mit uns leben wollen.“

Die CSU hat die Orientierung an der Leitkultur in den Entwurf für ihr neues Grundsatzprogramm aufgenommen. Die Leitkultur soll auch Bestandteil des bayerischen Integrationsgesetzes werden. Zudem will die CSU den Begriff in der Bayerischen Verfassung verankern.