Vom Münchner Haus auf der Zugspitze ist der Blick über die Alpen atemberaubend. (Bild: AS)
Zugspitze

Vom Schlosser zum Wirt

Generationenwechsel auf der Zugspitze: nach 35 Jahren übergibt Hüttenwirt Hansjörg Barth das Geschäft an seinen Sohn. Jetzt kann er sich seinem Hobby widmen. Im Gegensatz zu früher habe sich das Leben auf 2000 Metern Höhe aber geändert, findet Barth.

Den einen ist der Apfelstrudel zu klein, den anderen der Glühwein zu heiß. Hansjörg Barth, scheidender Hüttenwirt auf der Zugspitze, entschuldigt die Nörgeleien mit der Höhenluft. „Es sind manchmal schon sehr nervige Leute hier oben. Da muss man die Nerven bewahren und denken: Weißt was, in einer Stunde fahrt ihr wieder, habt mich gern“, sagt er. Der Abschied von seinem Arbeitsplatz in den Alpen fällt ihm nach 35 Jahren trotzdem schwer. Sommer für Sommer, sieben Tage die Woche, hat Barth als Hüttenwirt des Münchner Hauses auf der Zugspitze geschuftet. Jetzt ist Schluss. Der Wirt von Deutschlands höchstgelegener Berghütte, der schon den Dalai Lama zu Gast hatte, hört auf. Doch wenn Barth an seine Oldtimer denkt, freut er sich aufs Rentnerdasein. „Endlich kann ich im Sommer mit meinem Ford Mustang Nobly 66 offen fahren“, sagt der 69-Jährige.

Leidenschaft für das leibliche Wohl

Seit fast 100 Jahren ist das Münchner Haus in Familienhand. Schon Barths Vater und Großvater waren Hüttenwirte auf der Zugspitze. Von Beruf ist Barth eigentlich Schlossermeister. Seine handwerklichen Fähigkeiten kann er als Hüttenwirt gut gebrauchen. In dem behutsam modernisierten Haus aus dem Jahr 1897 gibt es ständig etwas zu reparieren. Barth packt dann selber an. Lieber ist ihm aber, am alten Herd zu stehen und Sauerkraut oder Kartoffelpüree zu kochen. Der mit Holz befeuerte Herd in der Mitte der kleinen Küche, die zugleich Aufenthaltsraum der Familie ist, wird jeden Abend blitzblank geputzt und ist Barths ganzer Stolz. Auf der Speisekarte stehen die typischen Gerichte, die Bergwanderer gerne essen: Erbsensuppe mit Wiener, Hauswurst mit Kraut und Püree, Leberknödelsuppe, Weißwürste oder Wiener Würstl.

„Früher war es gemütlicher“

In 35 Jahren als Wirt des Münchner Hauses hat Barth den Wandel im Alpintourismus hautnah erlebt. „Früher war es gemütlicher“, meint der 69-Jährige. Nicht nur, dass damals den ganzen Bergsommer über kaum mehr Übernachtungsgäste kamen als heute in einem Monat, „sie hatten auch mehr Zeit und waren geselliger“.

Abends holte Barth die Zither aus dem Schrank und musizierte mit seinen Gästen. „Heute sitzt jeder alleine an einem Tisch und tippt auf dem Handy herum“, bedauert der scheidende Hüttenwirt. Kopfschütteln hat der 69-Jährige mit den kräftigen Händen und dem penibel gestutzten Schnäuzer für die wachsende Zahl von Nörglern übrig. „Der eine beschwert sich, weil die Weißwürste zu wenig heiß sind, dem andern ist der Senf zu süß.“ Barth gibt dem Internet eine Mitschuld. Es transportiere zum Teil die Beschwerden und zwinge ihn zur Rechtfertigung gegenüber seinem Arbeitgeber Alpenverein.

Einst war Barth leidenschaftlicher Bobpilot. „Ich habe im Zweierbob die Bronzemedaille bei den Europameisterschaften der Senioren gewonnen.“ Im Kontrast dazu steht ein weiteres Hobby von ihm: Malen. Die Wände der Wirtsstube sind voll mit seinen bunten Bildern – überwiegend Landschaftsmotive. Barth verkauft keine Gemälde. Nur örtliche Vereine bekommen hie und da eines für wohltätige Zwecke geschenkt. Auch politisch ist Barth aktiv. Er sitzt für die Bayernpartei im Bezirkstag von Oberbayern.

Vom Schlossermeister zum Hüttenwirt

Im kommenden Frühjahr übernimmt Sohn Toni Zwinger das Münchner Haus. Der 31-Jährige wird der fünfte Wirt in Folge der Familie, auch wenn er anders heißt. Seine Mutter hat bei der Heirat mit Hansjörg Barth ihren Namen behalten, und auch ihr gemeinsamer Sohn trägt ihn. Er ist wie sein Vater Schlossermeister und längst als neuer Hüttenwirt angelernt. „Gott sei Dank koche ich gerne, sonst würde mir die Arbeit da heroben nicht so viel Spaß machen“, sagt er. Stadtluft ist Zwinger gewöhnt. Bereits in Berlin und Hamburg hat er gearbeitet.

Seine Mutter wird dem hochgewachsenen künftigen Wirt mit markantem Vollbart weiterhin in der Küche zur Seite stehen und die Buchführung machen. Ohnedies ist die Frau mit der leisen Stimme und dem freundlichen Wesen der wichtigste Mensch für die Männer, wie beide betonen. Auch Barth will regelmäßig im Münchner Haus vorbeischauen und mit anpacken – wenn er nicht gerade mit einem seiner Oldtimer zu Füßen der Zugspitze gemütlich durch die Gegend fährt.

Tourismus mit Tradition

Das Münchner-Haus hat eine in Sachen Tourismus bemerkenswerte Geschichte. Anfang Dezember 1893 debattierten Befürworter und Gegner ob es eine Hütte auf der Zugspitze überhaupt gegen sollte. Die Gegner argumentierten, Wirtschaften gehören nicht auf Bergspitzen, Gasthäuser würden die Einsamkeit der Berge entweihen. Die Argumentation klingt modern. Gebaut wurde schließlich eine einfache Unterkunft mit einer meteorologischen Station. Unterhalb der Alpenvereinshütte liegt Deutschlands höchstgelegene Umweltforschungsstation, das Scheefernerhaus. Ludwig Ries arbeitet dort als Wissenschaftler – er ist aber auch Fotograf, Informatiker und Koch. Lesen Sie hier mehr über die Station: Die Datenschmiede auf der Zugspitze.