Eine Studie schlägt vor: Mehr Bäume als CO2-Speicher. (Bild: imago images/Florian Gaertner/photothek.net)
Klimaschutz

Neue Bäume braucht die Welt

Die Lösung heißt Aufforstung: Mehr Bäume könnten den Klimawandel wirksam bekämpfen. Das zeigt eine Studie der ETH Zürich. Eine alte Idee, wissenschaftlich unterlegt.

Jeder hat es in Biologie gelernt: Pflanzen speichern CO2. Nun lässt eine Schweizer Studie zu diesem Thema aufhorchen, die in Berlin vorgestellt wurde.

Der Klimawandel kann demnach durch nichts so effektiv bekämpft werden wie durch Aufforstung. Die Erde könne ein Drittel mehr Wälder vertragen, ohne dass Städte oder Agrarflächen beeinträchtigt würden, schreiben Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich im Fachmagazin „Science“.

Bäume als Kohlenstoffspeicher

Dort zeigen die Forscher auf, wo auf der Welt neue Bäume wachsen könnten und wie viel Kohlenstoff sie speichern würden. Bäume zu pflanzen habe das Potenzial, zwei Drittel der bislang von Menschen gemachten klimaschädlichen CO2-Emissionen aufnehmen. ETH-Professor Tom Crowther, Mitautor der Studie und Gründer des Crowther Lab, meinte dazu: „Unsere Studie zeigt deutlich, dass Flächen zu bewalden derzeit die beste verfügbare Lösung gegen den Klimawandel ist.“

Wir müssten aber schnell handeln, denn es wird Jahrzehnte dauern, bis die Wälder reifen.

Tom Crowther, Studienleiter

Die Studie belege erstmals, dass das vom Weltklimarat (IPCC) vorgegebene Ziel einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad erreichbar sei, schreiben die Autoren. Laut IPCC müssen dafür bis 2050 nicht nur die klimaschädlichen Treibhausgas-Emissionen begrenzt werden, etwa im Energie- und im Transportsektor. Zudem müssten auch bis zu eine Milliarde Hektar Land neu mit Bäumen bepflanzt werden. „Das ist zweifellos erreichbar“, heißt es in der Studie. „Die Regierungen müssen diese Erkenntnisse nun in ihre nationalen Strategien zur Bekämpfung des Klimawandels einbeziehen“, forderte Studienleiter Jean-François Bastin im Beisein von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Sein Ministerium hat die Studie mitfinanziert.

Wer das Klima schützen will, muss den Wald und insbesondere die Tropenwälder des Planeten retten.

Gerd Müller

„Wer das Klima schützen will, muss den Wald und insbesondere die Tropenwälder des Planeten retten“, forderte Entwicklungsminister Müller. Laut Müller werden jährlich mehr als sieben Millionen Hektar Tropenwald gerodet. Rund 15 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes seien auf Brandrodung für den Anbau von Soja zurückzuführen. Im neuen Handels-Abkommen mit dem südamerikanischen Staatenverbund Mercosur will Müller deshalb eine verbindliche Kennzeichnung für Sojaimporte verankern, um auf diese Weise angebautes Soja auszuschließen.

900 Millionen Hektar Wald

Die Erde ist nach Angaben der Forscher derzeit mit 2,8 Milliarden Hektar Wald bedeckt. Um herauszufinden, welche Flächen sich für Aufforstung eignen, haben die Züricher Geographen und Biologen fast 80.000 hochauflösende Satellitenbilder mittels künstlicher Intelligenz untersucht. Sie halten die Neubepflanzung von 900 zusätzlichen Millionen Hektar für möglich. Das entspräche in etwa der Fläche der USA oder einer Fläche mehr als 27 Mal so groß wie Deutschland.

Die Forscher des Crowther Lab, die an der ETH Zürich nach natürlichen Lösungen für die Folgen des Klimawandels suchen, haben Städte und landwirtschaftliche Flächen bei ihrer Berechnung bewusst ausgespart. Es gehe vor allem um ehemals intakte, aber heute zerstörte Ökosysteme, schreiben Studienleiter Bastin und seine Kollegen.

Wer pflanzen sollte

Die Studie zeigt auch, wo eine Aufforstung am besten möglich wäre. Der Großteil der Fläche entfällt auf nur sechs Länder: Russland (151 Millionen Hektar), USA (103 Millionen Hektar), Kanada (78,4 Millionen Hektar), Australien (58 Millionen Hektar), Brasilien (49,7 Millionen Hektar) und China (40,2 Millionen Hektar).

Die neuen Wälder könnten 205 Milliarden Tonnen Kohlenstoff speichern, wenn sie herangewachsen sind. Das sind etwa zwei Drittel der 300 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, die seit der industriellen Revolution durch den Menschen in die Atmosphäre gelangten. „Wir müssten aber schnell handeln, denn es wird Jahrzehnte dauern, bis die Wälder reifen und ihr Potenzial als natürliche CO2-Speicher ausschöpfen“, sagt Tom Crowther. Die zur Aufforstung geeignete Fläche werde durch den Klimawandel jedes Jahr kleiner.

Klimawandel verringert den Wald

Viele Wissenschaftler gingen in ihren Berechnungen davon aus, dass die Baumbedeckung durch den Klimawandel steige, heißt es in der Studie. Das stimme zwar für die nördlichen Wälder, etwa in Sibirien. Die Berechnungen seien aber falsch, denn die Baumdichte liege dort durchschnittlich nur bei 30 bis 40 Prozent. Gleichzeitig gingen tropische Wälder mit einer Baumdichte von 90 bis 100 Prozent verloren.

Die Universität hat auf ihrer Webseite einen Rechner, der für jeden Ort der Erde berechnet, wie viele Bäume dort wachsen könnten und wie viel Kohlenstoff sie speichern würden.

Aufforstung läuft

Viele Länder praktizieren diese Idee schon länger. Staaten wie Israel oder China versuchen schon seit Jahrzehnten, die Wüste durch Wiederaufforstung zu stoppen.

Auch in Afrika wollten elf afrikanische Länder bis 2030 gemeinsam die Sahara mittels der „Großen Grünen Mauer“ aufhalten – einem Waldgürtel von 7.000 Kilometern Länge, der vom westafrikanischen Senegal bis hin zu den ostafrikanischen Küstengebieten von Dschibuti reichen sollte. In Teilen steht sie schon, wenn auch nicht so weit, wie erhofft. Das Projekt läuft mittlerweile dezentraler. Die Bäume sollten zugleich als neue Einnahmequelle für die Einheimischen dienen und so deren Unterstützung gewinnen. 2015 sagten die Vertragsstaaten der Weltklimakonferenz in Paris (COP21) zu, vier Milliarden Dollar für das Vorhaben bereitzustellen.

Bis Anfang diesen Jahres haben sich zudem 48 Staaten der sogenannten „Bonn Challenge“ und der „African Forest Landscape Restoration Initiative“ angeschlossen, um in den nächsten zehn Jahren etwa 250 Millionen Hektar Wald zu pflanzen.

Auch Nichtregierungsorganisationen wie das „The Green Belt Movement“ der kenianischen Nobelpreisträgerin Wangari Maathai, das „Plant for the planet“ des oberbayerischen Schülers Felix Finkbeiner oder das algerische „Barrage vert“ setzen auf Baumpflanzungen.

Jeder kann helfen

Studienleiter Crowther nimmt ohnehin nicht nur Staaten in die Pflicht: „Die Aufforstung ist eine Klimalösung, an der wir uns alle beteiligen und damit einen spürbaren Beitrag leisten können“, sagte er. „Sie können selbst Bäume züchten, an Baumpflanzinitiativen spenden oder ihr Geld einfach verantwortungsbewusst in Unternehmen investieren, die Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen.“