Hat Österreich bewegt: ÖVP-Chef Sebastian Kurz. (Bild: Imago/Roland Mühlanger)
Österreich

Klarer Kurs, klarer Sieg

Kommentar Österreich hat vor allem eines gezeigt: Man kann mit einem konservativen Kurs und einer strengen Migrationspolitik Wahlen gewinnen. Das sind bürgerliche, nicht "rechte" Themen. Merkel sollte sich an ÖVP-Chef Sebastian Kurz orientieren. Eine Analyse.

Manchmal muss man sich von einem „Weiter so“ verabschieden, wenn alles dafür spricht, dass dieser Kurs falsch ist. Der neue Politstar der ÖVP, der erst 31-jährige Sebastian Kurz, hat in Österreich genau das getan. „So wie es war, kann es nicht bleiben“, sagte er am 12. Mai nach dem Rücktritt seines Vorgängers Reinhold Mitterlehner als ÖVP-Chef. Damit meinte er nicht nur die verkrustete ÖVP. Nun hat Kurz die Wahl gewonnen. Mit einem Zugewinn von fast acht Prozent.

Die FPÖ führte lange die Umfragen an und konnte ihren Kandidaten noch Ende 2016 in die Stichwahl um das Bundespräsidentenamt bringen, wo er mit 46,2 Prozent nur knapp unterlag. Und auch bei der Wahl am Sonntag hat die FPÖ gewonnen, etwa sechs Prozent auf nun etwa 26 Prozent. Doch wie dieses Ergebnis ohne Kurz ausgefallen wäre, zeigen die Umfragen im Januar, als die Rechtspopulisten bei 34 Prozent und die ÖVP bei 18 Prozent lagen.

Gegenentwurf zu Merkel

In Gegensatz dazu eine deutsche Kanzlerin, die ihre Politik der offenen Tür für alternativlos hielt, damit aber nur die Migrationswelle verstärkte. Eine Kanzlerin, die unschöne Bilder von leidenden Flüchtlingen an der Grenze fürchtete und fürchtet. Eine Kanzlerin, die bei der jüngsten Bundestagswahl fast acht Prozent mit ihrer Partei CDU verlor.

Es geht auch darum, die Wahrheit auszusprechen.

Sebastian Kurz, in Wildbad Kreuth Anfang 2016

Und ja, die Merkel-kritische CSU hat in Bayern 10,5 Prozent, bundesweit jedoch nur 1,2 Prozent verloren. Vergessen wird dabei, dass die CSU in Bayern von einem viel höheren Ausgangswert kam (2013: CSU 49,3 Prozent; CDU im Bund: 34,2), der Verlust in Relation also geringer ausfiel: Die CDU verlor bei gestiegener Wahlbeteiligung 21,6 Prozent ihrer Wähler von 2013, die CSU „nur“ 21,2 Prozent – ohne das schönreden zu wollen. Zum anderen war Bayern als Erstankunftsland das Epizentrum der Flüchtlingskrise, in dem sich alle Probleme ballten und das vom Bund obendrein viel zu lange im Stich gelassen wurde.

Furcht vor Bildern

Schon als in Österreich immer mehr Migranten ins Land strebten, hat der Jungpolitiker Kurz in einem diplomatischen Alleingang gegen den Willen von Angela Merkel die Balkanroute zusammen mit einigen Balkanstaaten abgeriegelt. Das war weitsichtig. Kurz wusste, dass durch die Grenzschließung solche „hässlichen Bilder“, wie er sie nannte, für einige Tage oder Wochen kommen könnten, dass sich aber ein geschlossener Fluchtweg schnell herumsprechen würde. Nicht nur bei den Migranten, vor allem bei den Schleusern. Der Flüchtlingsstrom ebbte ab, viele Leben wurden so gerettet, lange bevor Merkel sich selbst für ihren Türkei-Deal feiern ließ. Die hier abgebildete Grafik zeigt das deutlich.

Den Türkei-Deal hält Kurz überdies für unsicher: „Wenn wir uns auf die Türkei verlassen, begeben wir uns in eine gefährliche Abhängigkeit. Plan A muss ein starkes Europa sein, das imstande ist, seine Grenzen selbst zu schützen.“ Zudem gab es solche „hässlichen Bilder“ natürlich auch in der Türkei, jedoch weitgehend unbeachtet.

Charismatischer Wunschtraum

Glückliches Österreich! Kurz wurde in wenigen Monaten aufgrund seiner unaufgeregten, charismatischen Art und seines klaren Kurses der beliebteste Politiker in Österreich – und nebenbei zum Wunschtraum vieler konservativer- und Mitte-Wähler in Deutschland. Er zeigte, dass Politiker das Wort Alternativlosigkeit gar nicht in ihrem Wortschatz haben sollten, weil sie sich sonst überflüssig machen.

Kurz gilt nun als Macher, als einer, der auch vermeintlich unpopuläre Entscheidungen trifft, ohne ständig auf Meinungsumfragen zu blicken – die ihn dann ja auch noch bestätigt haben. Und er gilt seitdem als konservativer und handelnder Gegenentwurf zur positionslosen und lange abwartenden Merkel.

Klarer Kurs überzeugt

Kurz überzeugte vor allem mit dem von Anfang an klaren Kurs in der Asylpolitik, den er durch eine funktionierende Obergrenze, mit deutlichen Worten an die durchwinkenden Staaten Italien und Griechenland sowie mit stets ruhiger Argumentation gegen die hysterisch keifenden Linkstruppen untermauerte. Als er 2017 von Journalisten wiederholt hämisch gefragt wurde, wie er denn das Mittelmeer schließen wolle, verwies er auf das australische Inselmodell: „Australien zeigt: Seegrenzen sind kontrollierbar.“ Und auf Spanien. Das Land hatte mit Marokko einen Pakt beschlossen, nach dem Migranten sofort wieder an ihren Ausgangsort zurückgebracht werden.

Wir müssen sicherstellen, dass die Rettung aus Seenot nicht mit einem Ticket nach Mitteleuropa verbunden ist.

Sebastian Kurz

Der ÖVP-Chef leitete daraus in der österreichischen Zeitung Die Presse drei Prinzipien ab: „Erstens: Wer illegal versucht, nach Europa durchzukommen, soll seinen Anspruch auf Asyl in Europa verwirken. Zweitens müssen wir sicherstellen, dass die Rettung aus Seenot nicht mit einem Ticket nach Mitteleuropa verbunden ist. Drittens müssen wir bedeutend mehr Hilfe vor Ort leisten (…).“ Ohne die Aussicht, nach Europa zu kommen, versiege der Strom der Migranten. Genauso kam es. Und er wies auch auf die damit verbundenen Themen Innere Sicherheit und Erhalt des Sozialsystems hin.

Kurz äußerte sogar Zweifel an der Genfer Flüchtlingskonvention, die in einer anderen Zeit entstanden sei, nicht mit dem heutigen Massenansturm vergleichbar. Hierzulande wären solche Zweifel ein Sakrileg. Für Kurz ist klar: „Es wäre fatal zu glauben, die Krise sei gelöst, denn es sind immer noch jede Woche Tausende, die unsere Außengrenzen überschreiten“, so der Österreicher Ende 2016 im Merkur-Interview.

Die Wahl in Österreich hat deshalb vor allem eines gezeigt: Man kann mit einem konservativen bürgerlichen Kurs und mit einer strengen Migrationspolitik Wahlen gewinnen. All dies hat auch die CSU seit 2015 und teilweise noch vor Sebastian Kurz gefordert, scheiterte aber an Merkel.