Wie die Obergrenze für die jährliche Migration nach Deutschland am Schluss heißt, ist nicht entscheidend, das hat die CSU von Anfang an gesagt, das wird aber in der ganzen Debatte gerne vergessen. „Wenn die Asylpolitik nicht korrigiert wird“, dann gehe das „an die Existenz von CDU und CSU“, warnte Seehofer beispielsweise Anfang Oktober 2015. Er forderte darum wie schon im September eine „Begrenzung und Steuerung der Zuwanderung“. Eine Forderung, die er bereits in der Integrationsdebatte 2010 formuliert hatte: Dort sprach sich Seehofer gegen eine Zuwanderung von außerhalb der EU aus, solange nicht alle Möglichkeiten zur Rekrutierung von Fachkräften aus der EU ausgenutzt seien. Der Fachkräftemangel könne „kein Freibrief für ungesteuerte Zuwanderung“ sein, warnte der CSU-Chef damals. Deutschland könne „nicht das Sozialamt für die ganze Welt“ sein.
Eine Ansicht, die auch die Kanzlerin früher teilte, als sie 2003 den Missbrauch des Asylrechts ansprach.
Da muss man natürlich sagen, die Folge kann nur sein, Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung. Alles andere wird keine Akzeptanz in der Bevölkerung finden. Und deshalb kämpfen wir dafür, ganz hart und ganz entschieden!
Angela Merkel, auf dem CDU-Bundesparteitag 2003 in Leipzig
Nur ein Prozent Asylberechtigte
Klar ist nur: Deutschland braucht diese Begrenzung der ins Land strömenden Flüchtlinge und Migranten. Das betonten erneut wenige Tage vor Beratungen der Unionsspitze über eine gemeinsame Linie für die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt.
Für Herrmann bleibt Deutschlands Integrations- und Aufnahmefähigkeit das entscheidende Kriterium. Das erklärte er gegenüber der in Düsseldorf erscheinenden Tageszeitung Rheinische Post. „Wir sagen jetzt: Anstatt alle, die nicht politisch verfolgt werden, an der Grenze zurückzuweisen – was rechtlich möglich wäre – legen wir eine Größenordnung fest, wie viele Flüchtlinge wir der Erfahrung nach integrieren und verkraften können.“
Wir brauchen gar keine Verfassungsänderung für die Obergrenze, wie manche glauben.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann
Herrmann erinnert daran, dass überhaupt nur ein Prozent der Asylbewerber im Sinne des Grundgesetzes asylberechtigt seien, was zahlenmäßig überhaupt keine Rolle spiele. Damit ist klar: Für den Rest gibt das Grundgesetz keinen besonderen Schutz. „Wir brauchen deshalb auch gar keine Verfassungsänderung für die Obergrenze, wie manche glauben.“ Denn alle Flüchtlinge, die aus einem sicheren Nachbarland wie Frankreich oder Österreich nach Deutschland kämen, könnten sich sowieso gar nicht auf Artikel 16a des Grundgesetzes berufen, sondern müssten dort Asyl beantragen, wo sie in die EU eingereist seien.
Eine Frage des politischen Willens
Bei alledem, so Herrmann, gehe es für die CSU auch gar nicht um eine Änderung oder gar Beschränkung des Asylrechts: „Was das Asylgrundrecht betrifft – das hat die CSU nie in Frage gestellt. Es hat in der CSU-Führung nie jemand von einer Beschränkung des Asylrechts gesprochen.“ Das alles bedeutet: In der Debatte um die Obergrenze geht es nicht um eine Verfassungsfrage, sondern allein um eine Frage des politischen Willens.
Wir brauchen ein verlässliches Konzept, wie wir die Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, dauerhaft niedrig halten können.
Joachim Herrmann
Zudem machen die aktuellen Entwicklungen den Streit um die Obergrenze überflüssig. Denn derzeit gingen die Flüchtlingszahlen stetig zurück, so Herrmann: „In diesem Jahr erwarten wir bis zum Jahresende deutlich unter 200.000.“ Trotzdem ist für Herrmann eine pragmatische und vor allem weitsichtige Entscheidung darüber, wie es mit der Migrationsfrage für Deutschland weiter gehen soll, unerlässlich: „Wir brauchen ein verlässliches Konzept, wie wir die Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, dauerhaft niedrig halten können.“
Grenzen schützen
Für den Noch-Verkehrsminister und neuen Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, ist die sogenannte Obergrenze „deutlich mehr als die Verengung auf ein Wort“. Es gehe dabei um Fluchtvermeidung und für Deutschland um die Fluchtfolgen, so Dobrindt zur Augsburger Allgemeinen: „Die Obergrenze hat einen thematischen Unterbau und der heißt: Fluchtursachen bekämpfen, Grenzen schützen, Integration fördern, Rückführungen beschleunigen.“ Soll heißen: Die richtige Politik kann und soll zum Rückgang der Migrantenzahlen führen.
Wir brauchen eine substanzielle Begrenzung der Zuwanderung in unser Land.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt
Wie Herrmann erinnert auch Dobrindt: „Die Integrationsfähigkeit unseres Landes hat eine Obergrenze.“ Dobrindts Schlussfolgerung: „Deshalb brauchen wir eine substanzielle Begrenzung der Zuwanderung in unser Land.“ Genau das wollen auch die Wähler, so der neue Landesgruppenchef: „Das Wahlergebnis spricht hier eine klare Sprache. Und die politische Debatte darüber muss so geführt werden, dass sich nicht ganze Wählergruppen ausgeschlossen fühlen.“
Nicht der Begriff entscheidet
„Entscheidend ist für mich nicht der Begriff, sondern ein konkretes Maßnahmenbündel, damit die Kanzlerin ihr Wahlversprechen ,2015 darf sich nicht wiederholen‘ erfüllen wird“, sagte auch der Landtagsabgeordnete Wolfgang Fackler der FAZ zur Obergrenze. Sein Kollege Klaus Steiner erklärte auf Facebook: „Eine Obergrenze für Bürgerkriegsflüchtlinge ist doch nicht neu. Während des Balkankrieges waren es die sogenannten ‚Kontingentflüchtlinge‘. Bei anerkannten Asylbewerbern, nach Art 16 a des Grundgesetzes, gibt es natürlich keine Obergrenze.“ Die sei aber auch nicht notwendig, „weil das Asylrecht für individuell Verfolgte reserviert ist, und eben kein Instrument der Einwanderung ist, oder auf Bürgerkriegsflüchtlinge Anwendung findet„.
(HM/avd)