So sieht es aus, im "Liebesbier". (Bild: Maisel)
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In Bayreuth gibt es einen verwinkelten Abenteuerspielplatz für Bier-Liebhaber und Experimentierfreudige: Im „Liebesbier“ vereint die Brauerei Maisel traditionelles Handwerk und zeitgenössische Gastronomie.

Wer sich eine oberfränkische Brauerei-Gaststätte als zünftige Stube vorstellt, ein bisschen düster, mit Schafkopf-Stammtisch und grantigem Wirt mit groben Händen, der sollte einmal nach Bayreuth reisen.

An diesem Montagmorgen um neun Uhr ist es laut im „Liebesbier“ – so heißt die neue Gaststätte der Maisel’s Brauerei. Es poltert und rattert. Hier wird mitten im Lokal Bier gebraut. Und an diesem Montag eben gerade Malz geschrotet und zum Sudhaus befördert.

Hinter Glas stehen direkt am Eingang glänzende Sudkessel aus Edelstahl, darin entsteht das Craft-Bier der Brauerei. Seit dem Jahr 2012 braut Maisel sein „Maisel & Friends“: spezielle Sorten Bier, wie Pale Ale oder Porter. Keines zum Saufen, eins zum Genießen. Mit Freunden, wie der Name es sagt. Den Begriff Craft-Bier kannte in Deutschland kaum jemand, als Maisel seine ersten ungewöhnlichen Biere kreierte. Und das ist nur ein Teil der Erfolgsgeschichte des Bayreuther Unternehmens.

Jeff Maisel ist überpünktlich an diesem Montagmorgen. Er weiß, warum. Wertschätzung. „Ich bin viel unterwegs, weil ich mich bei den Kunden persönlich sehen lassen will“, sagt er. Maisel weiß, wie man seinem Gegenüber zeigt: Mit geht’s um dich, du bist jetzt wichtig. Das ist einerseits einfach solide Unternehmensführung. Gleichzeitig beschreibt es Jeff Maisels Mentalität. Die hat der Bayreuther mit dem amerikanischen Vornamen in die Wiege gelegt bekommen.

Brauer in vierter Generation

Jeff Maisel führt die Brauerei in der vierten Generation. Sein Vater Oscar Maisel, verheiratet mit einer Amerikanerin, hat dem Sohn die Geschäfte im Jahr 2000 überlassen und sich dann zurückgezogen. Bis heute schaut der Senior regelmäßig vorbei, immer in Cowboy-Stiefeln. Oscar Maisel war es, der den amerikanischen Geist ins Haus gebracht hat. Ganz offensichtlich zeigt sich der an Kleinigkeiten wie dem breiten Bar-Tresen aus urigem Eichenholz und tief genug für große Teller mit saftigen Steaks. Auch in der Brauerei Maisel gibt es viel amerikanisches Unternehmertum, weniger offensichtlich nur: Ein lockerer Umgangston gehört dazu. Alle duzen sich, vom Azubi bis zum Geschäftsführer. Jeff Maisel erwartet vollen Einsatz und bietet dafür, was er kann: faire Bezahlung, Familienfeste, Work-Life-Balance und Teamgeist.

Sorge vor weniger Bierkonsum

In jährlichen Umfragen geben die Mitarbeiter an, wie sehr sie sich mit dem Unternehmen identifizieren. 195 Frauen und Männer arbeiten in der Brauerei, davon sind 16 Brauer.

Die Werte in den Umfragen sind gut. Trotzdem offenbaren sie auch immer wieder Schwachstellen. „Deswegen machen wir das, damit wir wissen, wo wir ansetzen müssen, um besser zu werden“, sagt Jeff Maisel. Besser. Heißt das, immer mehr Bier zu verkaufen? „Nein“, sagt Maisel deutlich. Deswegen spricht er auch nicht über produzierte Mengen oder Volumenziele. Der Markt, sagt Maisel, ist dynamisch. Seine Zufriedenheit und die seiner Mitarbeiter soll nicht von einer nackten Zahl abhängen. Dass die Deutschen immer weniger Bier trinken, bereitet ihm keine Sorgen. Auch klar ist: Alleine Weizen brauen und hoffen, dass das ewig funktioniert, so begreift Maisel seinen Job nicht. Dafür ist das „Liebesbier“ mit seinem modernen Konzept, das schon Starkoch Tim Mälzer und Schauspieler Til Schweiger in die oberfränkische Stadt zog, ein Beweis. Maisels Vision von der eigenen Kaffeerösterei neben seinem unkonventionellen Wirtshaus ist ein weiterer.

Bierfass trifft Barkultur

Überhaupt: So richtig mag einem das Wort Wirtshaus gar nicht über die Lippen kommen. Das „Liebesbier“ ist ein Erlebnis. Das Gebäude ist das älteste auf dem Gelände der Brauerei, Baujahr 1887. Früher wurde hier das Bier abgefüllt und die Pferdefuhrwerke warteten auf die Beladung. Ganz oben im Gebäude können Besucher heute die alte Maisel-Brauerei mit Kupferkesseln und Dampfmaschine besichtigen.

Mit uns bleibt Bayreuth die Heimat erlebbarer, handwerklicher Braukultur.

Jeff Maisel

Die Ausstattung des Lokals ist so hochwertig wie sinnhaft. Der Eichenboden steht für die ursprünglichen Bierfässer, die Sitze sind mit grobem Leder überzogen – solchem, das an die Schürzen der Brauer zu damaligen Zeiten erinnert. Hier trifft traditionelles Handwerk gegenwärtige Barkultur. „Das ist genau das, was Bayreuth gefehlt hat“, sagt Jeff Maisel. Ein Ort für alle. Geschäftsreisende, Studenten, Familien. Fürs Frühstück, zum Business-Lunch, zum Feierabendbier, zur Entschleunigung, zum Seminar. Das „Liebesbier“ ist ein verwinkelter Abenteuerspielplatz für Design-Liebhaber und Bier-Fetischisten. 21 Biere gibt es vom Fass, 100 Sorten aus der Flasche. Am Ende des Gastraumes stehen Holzfässer hinter Glas, in denen einst Spirituosen ruhten. Darin entwickeln sich die Edel-Bier-Kreationen von morgen.

Lust auf Weizenbock?

Maisel bietet im „Liebesbier“ auch Produkte seiner Mitbewerber an. Zwei Kriterien müssen die Biere erfüllen, die auf der Karte landen: Sie müssen aus einer inhabergeführten Brauerei stammen und besonders sein. „Schneider Weisse, also unser direkter Marktbegleiter, das ist eine Familienbrauerei. Die brauen einen wahnsinnig guten Weizenbock. Warum sollte ich den nicht ausschenken?“, fragt der Chef. Auch, wenn er zugibt, dass er sich erst daran gewöhnen musste, jeden Tag zu sehen, dass den Leuten eben nicht nur Maisel’s schmeckt.

Jeff Maisel trinkt seinen Kaffee aus, hat die Uhr im Blick und atmet durch. Wo sieht er seine Brauerei im Jahr 2030? „Dann sind wir ein erfolgreiches Unternehmen mit mindestens 200 Mitarbeitern. Wir sind anerkannte Brauer außergewöhnlicher Bierspezialitäten, ob mehr oder weniger als heute, ist zweitrangig. Sicher ist: Mit uns bleibt Bayreuth die Heimat erlebbarer, handwerklicher Braukultur.“

Zeit für Charakterbiere

Sei es im Sudhaus, Hopfengarten oder Getränkehandel – die Bierbranche ist im Umbruch. Denn die sogenannte Craft-Bier-Welle aus Übersee macht auch vor Bayern nicht Halt. Dass die Szene im Freistaat in Schwung kommt, hat zu einem erheblichen Anteil das Hopfenforschungszentrum in Hüll zu verantworten.

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Zeit für Charakterbiere: Craft-Bier-Bewegung in Bayern

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