Ein Prosit auf das neue Weißbier (v.l.): Günter Glasner, Werner Kastner und Christian Dobmaier, Vorstände der Brauereigenossenschaft Ismaning. (Foto: C. Dahlmann, "Profil"/fkn)
Brauerei

Im Bann des eigenen Bieres

Gastbeitrag In Bayern schließen sich immer öfter Menschen zusammen, um gemeinsam eine Brauerei zu gründen. Zwei Genossenschaften in Ismaning und Schleißheim gehen mit gutem Beispiel voran.

Im Zentrum von Ismaning liegt ein Duft von Steckerlfisch und Bratwurst in der Luft. Schon aus der Ferne ist Blasmusik zu hören. Zahlreiche Menschen strömen zusammen, viele in Tracht. Ihr Ziel ist der Hainplatz. Dort präsentierte an diesem frühsommerlichen Christi-Himmelfahrtstag die Brauereigenossenschaft Ismaning zum ersten Mal ihr neues Weißbier.

Stolz auf eigenes Bier

Beim Ausschank bildete sich eine lange Schlange. 9000 Liter hatten die Genossen in der Schloßbrauerei Au-Hallertau brauen lassen. „Wenn es so weitergeht, hoffe ich, dass es noch bis nächste Woche reicht“, sagte Vorstand Günter Glasner bereits eine Stunde nach Veranstaltungsbeginn. „Süffig“, „wohlbekömmlich“ und „verdammt gut“, waren nur einige der positiven Attribute, die die Besucher dem neuen Weißbier zuschrieben. Man merkte: Viele Ismaninger waren und sind stolz darauf, dass ihnen die Brauerei gehört.

Wir hatten Lieferengpässe, weil uns das Leergut ausging.

Christian Dobmaier

Die Brauereigenossenschaft Ismaning existiert seit rund einem Jahr. Ihre Feuerprobe bestand sie Ende Juni 2017, als sie ihr Helles bei der Gründungsveranstaltung präsentierte. Glasner erinnert sich gut an die Anfangstage: „Wir waren aufgeregt, ob sich genug Menschen für das Projekt interessieren.“ Er und die anderen Mitglieder der ersten Stunde hatten gehofft, bis zum Ende des vergangenen Jahres 20.000 Liter Bier zu verkaufen. Es wurden 50.000 Liter – und es hätten noch mehr sein können: „Wir hatten Lieferengpässe, weil uns das Leergut ausging“, sagt der Vorstandsvorsitzende Christian Dobmaier.

Mittlerweile hat die Brauereigenossenschaft investiert. Nun verfügt sie über 4700 Bierträger für Halbliter-Flaschen sowie 3000 für 0,33-Liter-Flaschen. Dazu kooperiert sie mit einem lokalen Getränkehändler. Das Interesse am Ismaninger Bier zeigt sich aber nicht nur am Absatz, sondern auch am Zulauf der Mitglieder: 650 Genossen halten mittlerweile rund 1250 Anteile à 250 Euro, das am weitesten entfernt lebende Mitglied wohnt in Australien.

Je mehr Bier die Ismaninger trinken, desto näher kommt die Genossenschaft ihrem Fernziel. „Irgendwann einmal wollen wir eine eigene Brauerei besitzen“, sagt Dobmaier. Bis dahin ist es, Stand heute, aber noch ein weiter Weg. Denn eine passende Immobilie und die Ausrüstung würden mehrere 100.000 Euro kosten.

Schleißheim: Anknüpfen an eine jahrhundertealte Brautradition

Auch die Idee zu einer Brauerei kann aus einer Bierlaune entstehen. So zum Beispiel bei der Sonnenwendfeier Ende 2017 in Lustheim, einem Ortsteil von Oberschleißheim. Beim Fest gingen die Getränke aus. Doch einer der Gäste half mit selbstgebrautem Bier aus. „Da war das Thema sofort gefunden: Ein eigenes Bier in Schleißheim brauen, das wär’s doch“, erinnert sich Sandra Kunstwadl. Rund elf Monate später ist aus der Idee Realität geworden: Im April 2018 haben 23 Bürger die Brauereigenossenschaft „Remonte-Bräu Schleißheim“ gegründet.

Wir wollen ein Bier von Schleißheimern für Schleißheimer machen.

Sandra Kunstwadl

Die Genossen knüpfen an eine jahrhundertealte Brautradition an. In Oberschleißheim wurde über 300 Jahre – von 1598 bis 1912 – ein eigenes Bier hergestellt. Die Produktion fand im zum Schloss gehörigen Wilhelmshof statt. Selbst als das königlich-bayerische Kriegsministerium das Gut im Jahr 1840 erwarb, wurde die Braukunst fortgeführt. Da das Militär in der Schlossanlage Pferde aufzog und trainierte – der französische Fachausdruck hierfür lautet Remonte – hieß der Betrieb fortan „Königliche Remonte-Depot-Brauerei Schleißheim“. Der Name „Remonte-Bräu“ greift die Geschichte bewusst auf.

Die Hürdenläufer

Bis zur Gründung mussten die Initiatoren einige Hürden überspringen. „Wir sind eine bunte Gruppe mit ganz unterschiedlichen Vorstellungen. Deswegen haben wir zunächst Werte gesucht, mit denen sich jeder identifizieren kann“, sagt Vorständin Kunstwadl. Aus den Diskussionen entstanden die Prinzipien Geselligkeit, Tradition, Heimatgefühl, Qualität und Genuss, für die alle Mitglieder einstehen wollen.

Die Entscheidung für die Rechtsform Genossenschaft fiel, weil sie mit den selbst gesteckten Werten perfekt vereinbar ist. „Wir wollen ein Bier von Schleißheimern für Schleißheimer machen, ein Bürgerprojekt eben. Und da passt die Genossenschaft einfach am besten“, sagt Kunstwadl. Hinzu kamen die positiven Erfahrungen der anderen jüngst gegründeten Brauereigenossenschaften. Beispielsweise tauschten sich die Schleißheimer Gründer mit den Ismaninger Vorständen aus. „Dort herrscht eine enorme Euphorie, die uns angesteckt hat“, sagt Kunstwadl. Binnen einer Woche nach der Gründung haben zahlreiche Menschen nachgefragt, wie sie das Projekt unterstützen können.

Bier aus dem Schloss?

Für die Bierproduktion greift die Remonte-Bräu ebenfalls auf genossenschaftliche Erfahrung zurück. Da sie noch keine eigene Braustätte besitzt, lässt sie das Bier bei der Privat-Brauerei Gut Forsting eG östlich von München produzieren. Das Rezept ist angelehnt an das historische Vorbild: Früher wurde in Schleißheim das sogenannte Braunbier hergestellt, ein unfiltriertes Kellerbier. Am 14. Juni wurde der erste Sud angesetzt, „Remonte Urhell“ soll es heißen und am 16. September erstmals ausgeschenkt werden. Derzeit kümmern sich die Mitstreiter der Remonte-Bräu darum, Flaschen, Gläser, Kästen und Kronkorken für die angepeilten 10.000 Liter anzuschaffen.

Bis Ende des Jahres wollten die 23 Gründer rund 100 Mitglieder gewinnen. Mit 11.000 Einwohnern in Oberschleißheim und 29.000 Einwohnern in Unterschleißheim klang das machbar – es sind aber schon mehr als 120. Weit in der Ferne liegt dafür ein anderer Wunsch: Die Genossen träumen davon, irgendwann einmal das Bier wieder in Schleißheim zu brauen – am besten natürlich in der historischen Schlossbrauerei. „Wir sind total davon überzeugt, dass unser Projekt zu einem Erfolg wird“, sagt Kunstwadl.

Junge Brauereigenossenschaften

Den Anfang machte die Brauereigenossenschaft Oberhaching 2015. Sie hat mittlerweile 500 Mitglieder und setzte 2017 rund 60.000 Flaschen Bier ab. Auch in Nürnberg und Regensburg gibt es erste Bestrebungen.

Brauereigenossenschaft Ismaning:

http://www.ismaninger.de/

Facebook-Auftritt der Remonte-Bräu Schleißheim:

https://de-de.facebook.com/Remontebraeu/

Der Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift „Profil das bayerische Genossenschaftsblatt“ und wurde vom BAYERNKURIER aktualisiert.