Die Stimmenkönigin aus Oberfranken: Emmi Zeulner. (Foto: Paul Blau)
Portrait

Die Fleißige

Aus dem BAYERNKURIER-Magazin: Emmi Zeulner holte bei der Bundestagswahl im September in ihrem Wahlkreis in Kulmbach so viele Stimmen wie kein anderer CSU-Kandidat in Bayern. Was macht die 30-jährige Stimmenkönigin so erfolgreich? Eine Annäherung.

Wer sich mit Emmi Zeulner verabredet, staunt. Vor dem Termin zum Kaffee trifft sie die Experten für Städtebauförderung bei der Regierung von Oberfranken, um aktuelle Projekte voranzutreiben. Danach holt sie ihre kleine Tochter von der Kinderbetreuung ab – im vergangenen Dezember brachte Emmi Zeulner Frida zu Welt. Zeulners Terminkalender ist voll – die 30-Jährige trotzdem entspannt. „Meine Tochter entschleunigt mich“, sagt Emmi Zeulner, „und sie diszipliniert mich“. Termine müssen perfekt organisiert sein, damit Zeulners Leben funktioniert. „Es ist ein Spagat zwischen dem Beruf, der viel fordert und den ich sehr gerne mache und dem Privatleben, in dem meine Tochter der Mittelpunkt ist. Ohne meine Familie, die mich sehr bei der Betreuung unterstützt, wäre das so reibungslos nicht möglich. Dafür bin ich sehr dankbar.“

Geprägt vom Stammtisch

Emmi Zeulner wuchs in Degendorf im Landkreis Lichtenfels auf. Sie ist eines von fünf Geschwistern. Ihre Eltern – beide sind bereits verstorben – betrieben die örtliche Gastwirtschaft. Schon als Kind lernt Emmi Zeulner, was harte Arbeit ist. Aber eben auch, dass Fleiß sich auszahlt. Und sie kommt früh mit Politik in Berührung. „Am Stammtisch wird natürlich politisiert“, sagt sie. Sie lernt, sich zu streiten, ihre Meinung zu vertreten. Und sie lernt, genau hinzuhören: Was bewegt die Menschen?

Doch Emmi Zeulner marschiert nicht direkt in die Politik. Auf dem zweiten Bildungsweg erwirbt sie ihr Abitur, absolviert eine Ausbildung zur Krankenschwester. Heute befähigt sie dieser Beruf, beim Thema Gesundheitspolitik als Expertin aufzutreten. Sie ist im Gegensatz zu vielen anderen Bundestagsabgeordneten keine Juristin. Ist das ein Schaden? „Nein“, sagt sie klar. Die Erfahrung aus dem Berufsalltag, die vielen Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern und Experten und die neuen Kontakte helfen ihr mehr als ein Jura-Studium. Doch sie gibt zu: Die Arbeit an Gesetzestexten ist hart. „Aber es gibt nichts, was man durch Fleiß nicht aufholen könnte“, sagte sie. Das ist es wieder. Dieses Wort, das Emmi Zeulner öfter sagt, als es heute üblich ist: Fleiß. Fleiß – irgendwie wirkt er Begriff so angestaubt. Er erinnert an den alten Spruch über der Tafel in der Grundschule: „Ohne Fleiß kein Preis“. Aber Emmi Zeulner verkörpert diesen Wert. Haucht ihm Leben ein. Man glaubt ihr, wenn sie ihren Erfolg so erklärt: Fleiß, Fleiß, Fleiß. In jeder Hinsicht.

Über 55 Prozent der Erststimmen

55,4 Prozent der Erststimmen holte Zeulner am 24. September bei der Bundestagswahl. Dass Emmi Zeulners Wähler ihr so sehr vertrauen, hat Gründe. Die Erwartungen, die die Menschen an sie hatten, waren groß vor vier Jahren, als sie den prominenten CSUler Karl-Theodor zu Guttenberg in Kulmbach als Abgeordnete beerbte. Zu Guttenberg war durch eine Plagiats-Affäre zu Fall gekommen. Zeulner eiferte dem umjubelten Vorgänger niemals nach, sie entwickelte ihren eigenen Stil und setzte sich durch. Mit damals 26 Jahren war Zeulner vor vier Jahren die jüngste Abgeordnete, die in den Bundestag einzog. Und nun, im Jahr 2017: Kein anderer Abgeordneter in Bayern hat so viele Stimmen geholt wie sie – und das obwohl das Gesamt-Ergebnis der CSU schlecht ausfiel. Daran konnte auch zu Guttenbergs Hilfe im Wahlkampf nichts ändern. Dass Emmi Zeulner erfolgreich ist, ist ihr eigener Verdienst. Doch ihr ist auch bewusst, dass Sie eine tolle Unterstützung durch ihre Mitarbeiter erfahren hat: „Ich weiß auch, dass das ohne mein hochmotiviertes Team in meinen Büros so nicht möglich gewesen wäre.“

Emmi Zeulner betreibt völlig andere Politik als ihr Vorgänger. Sie sucht nicht die große Bühne. Sie arbeitet an der Sache. Sie geht nicht in Berlin auf. Zuhause ist sie im Wahlkreis, „hier haben mich die Menschen schließlich gewählt“, sagt sie. Sie hält sich nicht für eine begnadete Rednerin. Aber sie ist eine sehr genaue Zuhörerin. Emmi Zeulner muss sich immer wieder zu den angeblich so großen Fußspuren des imposanten Vorgängers äußern. Sie hat gelernt, dass das mit Humor am besten funktioniert. Der „Fränkische Tag“ zitierte sie einmal so: „Ich trage High Heels, hinterlasse also völlig andere Fußabdrücke.“

Emmi Zeulner hat sich in ihrer Heimat Respekt hart erarbeitet. Sie hat ein Verkehrsprojekt, das zwanzig Jahre lang stillstand, innerhalb kürzester Zeit bis zum Spatenstich vorangebracht. Sie hat dazu ganze Dörfer im Streit um eine Umgehungsstraße miteinander versöhnt. Hat eine Taktik erarbeitet, indem sie das Großprojekt in zwei kleinere spaltete. Sie hat den Verkehrsminister Alexander Dobrindt so lange angebohrt, bis er überzeugt war, die Umgehung für Untersteinach und Kauerndorf anzugehen. Das ist einer der Gründe, warum die die Leute ihr vertrauen. Auf Zeulners Wort, so reden viele Bürger über ihre Abgeordnete, sei eben Verlass, das habe sie bewiesen.

Der Heimat verpflichtet

Die extrem starke Bindung an die Heimat, die Liebe zu den Menschen in Oberfranken, die Verantwortung ihrer Generation gegenüber – das sind die Werte, die Zeulner antreiben. Auf Parteilinie steht Zeulner nicht immer, vor allem, wenn es um Gesundheitspolitik geht. Beispiel: Sie spricht sich für eine Pflegekammer aus, um Pflegekräften eine starke Stimme im Diskurs zu verleihen. Eine Pflegekammer könnte die Interessen der Pfleger gut vertreten, ist Zeulner überzeugt. Die CSU sieht das anders, Zeulner nimmt’s locker: „Wer ist schon ,die Partei’?“, fragt sie. „Die Partei ist die Summe ihrer Mitglieder. Da kann man gar nicht immer einer Meinung sein.“ Und sie fügt hinzu: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Pflegekammer kommt.“

Ihre gesundheitspolitische Arbeit trägt auch im Wahlkreis Früchte. Etwa durch die Landarztquote. Hinter der Quote verbirgt sich folgender Plan: Abiturienten bekommen eine erleichterte Zugangsmöglichkeit zum Medizinstudium, wenn sie sich verpflichten, anschließend bis zu acht Jahre als Hausarzt in einer ländlichen medizinisch unterversorgten Region zu praktizieren. Dafür hat sich die Politikerin seit Beginn ihrer Bundestagstätigkeit im Jahr 2013 eingesetzt. Von ihr stammt der Antrag, die Landarztquote juristisch zu prüfen. Inzwischen liegt das unabhängige Gutachten vor, und die verfassungsrechtlichen Bedenken sind ausgeräumt.

Und nun? Welche Pläne hat Emmi Zeulner? Wohin will sie in der Politik? Sie zögert keine Sekunde mit der Antwort: „Ich kann diese Arbeit nur solange machen, solange die Wähler mich damit beauftragen“. Da ist sie wieder, die Bescheidenheit. Sie sagt, sie fände es traurig, wenn sie sich ein Leben außerhalb des Bundestages nicht vorstellen könnte. Aber sie liebt den Job. Und außerdem: Der Fleiß der vergangenen Jahre soll sich lohnen, sie will der Region noch viel zurückgeben.

BAYERNKURIER-Magazin

Dieser Artikel stammt aus unserem BAYERNKURIER-Monatsmagazin. Alle Informationen finden Sie hier.