Alles zubetoniert? Herbst in den Weinbergen mit Ausblick auf den Main bei Nordheim. (Bild: Imago/imageBROKER/Andreas Vitting)
Flächenfraß

Watschn für die Grünen

Bayerns Gemeinden halten das Volksbegehren der Grünen zur Begrenzung des Flächenverbrauchs für verfassungswidrig, undurchführbar und bevormundend. Die Gemeinderäte entschieden "aus eigenem Interesse" verantwortungsbewusst, wo und wie gebaut wird.

Schallende Ohrfeige der Kommunen für die Grünen und die ÖDP im Freistaat: Der Bayerische Gemeindetag, immerhin die Vertretung von 2028 bayerischen Städten, Märkten und Gemeinden, lehnt deren Volksbegehren „Damit Bayern Heimat bleibt – Betonflut eindämmen“ rundheraus ab. Die beabsichtigte Festschreibung eines Flächenverbrauchs in den Gemeinden auf durchschnittlich 5 Hektar pro Tag ab dem Jahr 2020 hält der Gemeindetag „für politische Augenwischerei, in der Praxis undurchführbar und darüber hinaus für verfassungswidrig“.

Politische Augenwischerei, in der Praxis undurchführbar und darüber hinaus für verfassungswidrig.

Bayerischer Gemeindetag, über das grüne Volksbegehren

Gemeindetagspräsident Uwe Brandl (CSU), zugleich Bürgermeister in Abensberg, erklärte: „Die verfassungsrechtlich garantierte Planungshoheit als Ausfluss der kommunalen Selbstverwaltung der Gemeinden und Städte beinhaltet, dass jede Kommune über die Bebaubarkeit ihres Gemeindegebiets selbst entscheiden darf. Eine gesetzliche Begrenzung auf festgelegte Flächengrößen würde dieses verfassungsrechtlich garantierte Recht aushöhlen und bei vielen Gemeinden und Städten zu einem faktischen Stillstand kommunaler Planung führen. Das würden wir niemals akzeptieren.“ Brandl wies auch darauf hin, dass die mit dem Volksbegehren verfolgten Regelungen viel zu schwammig wären und der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts widersprächen, wonach „wesentliche Entscheidungen“ durch den Gesetzgeber selbst getroffen werden müssen und nicht an die Verwaltung delegiert werden dürfen. Genau dies sehe der Gesetzentwurf des Volksbegehrens aber vor.

Grüne misstrauen den Kommunen

Diesem Misstrauensantrag der Grünen gegen Bayerns Kommunen hielt Brandl entgegen: „Bayerns Stadt- und Gemeinderäte entscheiden seit jeher verantwortungsbewusst, ob, wie und wo im Stadt- oder Gemeindegebiet gebaut werden soll. Nur wer die örtlichen Verhältnisse kennt, hat das Recht, über die Gestaltung der Heimat zu entscheiden.“ Die Gemeinden nutzten sowieso „im ureigensten Interesse“ die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente, um Flächen zu sparen, nachzuverdichten sowie Leerstände zu reaktivieren.

Planwirtschaft und Zentralismus

Auch die gewünschte grüne Planwirtschaft und der grüne Zentralismus stießen auf Widerspruch: „Wir brauchen keinen staatlichen Dirigismus von oben, der die Gemeinde- und Stadträte faktisch entmachten würde“, so Brandl.

Der Bayerische Gemeindetag stehe weiter zum „Bündnis zum Flächensparen“, erklärte er. Bayerns größter Kommunalverband setze sich aber auch dafür ein, dass strukturschwache Regionen Entwicklungschancen und Perspektiven erhalten. Staatliche Vorgaben zur Bebaubarkeit würden gerade solchen Gemeinden die Luft zum Atmen nehmen und sie an einer gesunden Gemeindeentwicklung hindern. „Das Volksbegehren ist eindeutig politisch motiviert, verfassungswidrig und widerspricht jeglicher Praxis in den Gemeinden und Städten. Es gehört in die Tonne“, bilanzierte der Gemeindetagspräsident.

Der Vorschlag der Grünen

Um Flächenverbrauch beschränken zu können, soll laut Volksbegehren das Landesplanungsgesetz geändert werden, inklusive einer Obergrenze von 5 Hektar pro Tag in Bayern. Wie diese Grenze genau umgesetzt wird, soll im Landesentwicklungsprogramm geregelt werden – konkrete Vorschläge gibt es hier offenbar noch nicht.

Dabei hatten die Grünen zuerst einen komplizierten Mechanismus vorgeschlagen: Gemeinden sollen Zertifikate für den Flächenverbrauch erwerben und ähnlich wie beim CO2-Emissionsschutz damit handeln. Fehlten die Papiere, hätten sie bei einer anderen Kommune eingekauft oder durch Renaturierungen von versiegelten Flächen erwirtschaftet werden müssen. Dafür wäre aber ein enormer Bürokratieapparat erforderlich.

Inhaltlich falsch und widersprüchlich

Das Volksbegehren ist nach Ansicht der CSU auch inhaltlich falsch. „Von einem Zubetonieren der Landschaft kann keine Rede sein“, betonte Heimatminister Markus Söder schon Ende 2016. „Mit einer Siedlungs- und Verkehrsnutzung von 11,8 Prozent der Landesfläche“ liege Bayern deutlich unter dem Bundesschnitt von 13,7 Prozent. Außerdem sei Bayern seit 1990 um zwei Millionen Einwohner gewachsen, für die es Wohnraum und andere Infrastruktur brauche. Der Ausbau der Infrastruktur auf dem Lande durch Verkehrswege und schnelle Internetverbindungen sei zudem erfolgreiches Mittel dagegen, um sich nicht mehr „in den allmorgendlichen Stau Richtung Großstädte stellen“ zu müssen. Den grünen Begriff von Heimat hält er für „verklärt und romantisch, aber unserer entspricht der Realität“. Nötig sei eine Balance zwischen den notwendigen Neubauten und dem Umwelt- und Landschaftsschutz.

Wir brauchen keine Bevormundung der Kommunen.

Erwin Huber, CSU

CSU-Wirtschaftsexperte Erwin Huber ergänzte: „Wenn im Jahr 100 Millionen Touristen nach Bayern kommen, dann kommen die doch nicht in eine Betonwüste.“ Im Übrigen seien auch die meisten Bürger dafür, nicht in unmittelbarer Nähe zu ihrer Wohnung Gewerbegebiete zu errichten – schon wegen des Lärms. Das zeigten zahlreiche Bürgerbegehren. Im Gegensatz zu den Grünen gelte für die CSU: „Wir vertrauen unseren Kommunalpolitikern, dass sie nicht Heimat zerstören, sondern Heimat erhalten, und dass sie sinnvoll mit dem Instrument umgehen. Wir brauchen keine Bevormundung der Kommunen.“

Das Volksbegehren ist nach Ansicht der CSU zudem ein Beleg für die Widersprüchlichkeit der Grünen: Einerseits forderten sie, man müsse möglichst viele Flüchtlinge ins Land lassen und für sie möglichst schnell Wohnungen bauen, um sie aus den Sammeleinrichtungen zu holen. Andererseits stellten sie sich mit ihrem Volksbegehren gegen die dafür notwendigen Neubauten, da man mit Sanierungen leerstehender Häuser und Wohnungen den Bedarf niemals decken könnte.