In den Umfragen führen CDU und CSU - hier Angela Merkel und Horst Seehofer bei der Vorstellung des gemeinsamen Regierungsprogramms - deutlich vor der SPD. (Foto: Imago/Christian Thiel)
Editorial

Das Spiel dauert 90 Minuten

Kommentar Fußball und Politik haben bekanntlich viele Parallelen. Eine wichtige Gemeinsamkeit: Die Entscheidung über Sieg oder Niederlage fällt erst ganz zum Schluss. Trotz guter Umfragen hat die Union die Wahl noch nicht gewonnen. Zeit für einen Schlussspurt!

Diese Schmach wird ein wahrer FC Bayern-Fan nie vergessen: Die Niederlage im Finale der Fußball-Champions-League 1999 gegen Manchester United. Bis kurz vor Schluss sahen die Münchner aus wie die klaren Gewinner, einige Spiele auf der Ersatzbank zogen sich bereits die Sieger-T-Shirts über und bereiteten die legendären Weißbier-Duschen vor. Doch dann kam die Wende: Manchester schoss auf den allerletzten Drücker noch zwei Tore, die Bayern gaben den sicheren Sieg aus den Händen und versanken am Ende in ihren Tränen.

Ganz so dramatisch wird das Finale der Bundestagswahl am 24. September gewiss nicht ausgehen – aber Fußball und Politik haben bekanntlich viele Parallelen. Und man kann es nicht oft genug sagen: nicht zu früh freuen, die Wahl ist noch nicht entschieden! Die Mannschaft stimmt, Aufstellung und Taktik ebenso – CDU und CSU dominieren seit Wochen das politische Spielgeschehen. Die Zuschauer goutieren das mit konstant hoher Zustimmung, die Umfragewerte zeigen sich erfreulich stabil. Festzustellen ist aber auch, dass in keinem politischen Lager so wirklich Euphorie aufkommen will. Die Stimmung wirkt zwar grundsätzlich positiv, stellenweise aber auch undurchsichtig-diffus. Die Anhänger sind erfolgsverwöhnt, da kann die Stimmung schnell mal kippen. Man kennt das aus der Allianz Arena, wenn der FC Bayern einen schlechten Tag erwischt und die Fans nicht lange warten, bis sie zum Pfeifkonzert ansetzen. Auch im politischen Spielbetrieb auf Bundesebene stimmen die Ergebnisse, unser Land steht so gut da wie noch nie. Allerdings ist der Erfolg von gestern bei Fußballfans und Wählern gleichermaßen schnell vergessen.

Mehr als ein Drittel der Wähler hat sich knapp zwei Wochen vor der Wahl noch gar nicht entschieden, ihre Entscheidung fällt in den letzten Tagen oder direkt am Wahltag. Für die Union wird es spielentscheidend sein, in welchem Ausmaß sie gerade ihre eigenen Anhänger mobilisieren kann. Denn eine der bedeutendsten Fragen ist noch total offen – die Frage der Regierungskoalition! Schwarz-gelb? Schwarz-rot? Oder gar Schwarz-gelb-grün? Dabei geht es nicht um bloße Farbenspiele, sondern um die grundlegende Frage, mit welcher politischen Aufstellung unser Land in die nächsten vier Jahre geht.

Das Spiel dauert 90 Minuten – Sie kennen die alte Fußballerweisheit. Beim Champions-League-Finale 1999 dauerte es sogar einige Minuten länger. Das kann bei der Bundestagswahl nicht passieren, Schlusspfiff ist definitiv am 24. September um Punkt 18.00 Uhr, wenn die Wahllokale schließen. Nicht später, aber auch nicht früher. Die Entscheidung über Sieg oder Niederlage fällt eben erst ganz zum Schluss.

Aus dem BAYERNKURIER-Magazin

Dies ist das Editorial von Chefredakteur Marc Sauber im aktuellen BAYERNKURIER-Monatsmagazin. Sie möchten Probe lesen? Alle Informationen finden Sie hier.