Im Zwielicht: Canan Bayram, grüne Direktkandidatin in Friedrichshain-Kreuzberg. (Foto: Imago/IPON)
Personalie

Grüne Kandidatin im Zwielicht

Sie fordert die Enteignung von Wohnungsbesitzern und kämpft für die verbotene linksextreme Internetplattform „Linksunten“: Canan Bayram, grüne Direktkandidatin in Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg. Grüne Realos fordern einen Boykott.

Der Berliner Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg hat für die Grünen eine ganz besondere Bedeutung: Mit Hans-Christian Ströbele stellen sie hier ihren einzigen direkt gewählten Abgeordneten im Bundestag. Bisher. Denn Ströbele tritt mit 78 Jahren nicht mehr an, und die designierte Nachfolgerin, Canan Bayram, wird zu einem Riesenproblem für die Partei der Grünen.

Ihr wird unter anderem vorgeworfen, linksextreme Gruppen zu unterstützen und Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele nicht ausdrücklich abzulehnen. Auf dem Grünen-Parteitag im Juni schrie sie dem Tübinger OB Boris Palmer entgegne, er solle „die Fresse halten“. Derzeit fordert sie auf einem Wahlplakat faktisch die Enteignung von Wohnungsbesitzern. Mehrere grüne Realos, unter anderem Volker Ratzmann und Gerd Poppe, fordern nun zu einem Boykott der umstrittenen Kandidatin auf.

Grünen-Werbung mit Hausbesetzer-Parole

„Die Häuser denen, die drin wohnen“ ließ Bayram plakatieren – ursprünglich eine Kampfparole der Hausbesetzerszene. Im Fall der Umsetzung bedeutet das die Enteignung von Wohnungseigentümern. Die Bundesführung der Grünen distanzierte sich nach kritischen Medienanfragen umgehend von dem umstrittenen Spruch, denn der Grünen-Parteitag hatte die Enteignungen von Wohnungseigentümern eindeutig abgelehnt und stattdessen eine strengere Mietpreisbremse gefordert. Bayrams Grünen-Bezirksverband Friedrichshain-Kreuzberg nennt die Parole hingegen weiterhin „konsequent und richtig“.

Zudem demonstrierte die umstrittene Grünen-Kandiatin Bayram gegen das Verbot der linksextremen Internetplattform „linksunten.indymedia“ und machte sich damit mit der linksradikalen Szene gemein. Das läuft der Strategie der Grünen-Spitzenkandidaten Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt diametral zuwider, bis hinein in bürgerliche Schichten Stimmen zu jagen.

Bayram macht Front gegen Künast

Innerparteilich machte sich Bayram sehr unbeliebt durch eine Postwurfsendung in ihrem Wahlbezirk. „Unabhängig davon, welcher Partei Sie ihre Zweitstimme geben, wählen Sie mit der Erststimme eine Kandidatin Ihres Wahlkreises in den Bundestag. Sie können also Canan Bayram ankreuzen, selbst wenn Sie einer anderen Partei nahegestehen und diese wählen.“

Praktisch ruft Bayram die Wähler damit dazu auf, nur die Erststimme den Grünen, also ihr, zu geben – und mit der Zweitstimme eine andere Partei zu wählen. Das läuft, so sagen Insider aus der Grünen-Führung, frontal gegen die Grünen-Ikone Renate Künast, die nur auf Listenplatz drei steht und auf ein gutes Zweitstimmenergebnis angewiesen ist, um erneut in den Bundestag einzuziehen.

Poppe und Ratzmann wollen Bayram stoppen

Zwei prominente Parteikollegen rufen nun zum Wahlboykott von Canan Bayram auf: Einmal der 76 Jahre alte Bürgerrechtler Gerd Poppe. Er war Minister in der einzigen freigewählten Regierung der DDR und Mitinitiator des Zusammenschlusses von Bündnis 90 mit den Grünen nach der Wende. Poppe nennt Bayram in einem Brief an Freunde „eine Zumutung“ und plädiert dafür, sie nicht zu wählen. Poppe kündigte an, seine Erststimme der SPD-Kandidatin im Bezirk zu geben.

Der zweite prominente innerparteiliche Bayram-Boykotteur ist Volker Ratzmann, den Leiter der baden-württembergischen Landesregierung in Berlin und damit verlängerter Arm von Realo-Ministerpräsident Winfried Kretschmann. „Die ist echt nicht wählbar“, schreibt Ratzmann in einer Mail in einem parteiinternen E-Mail-Verteiler, die allerdings an die Medien weitergegeben wurde. „Dass die auch noch Renate rauskegelt, das darf echt nicht passieren“, so Ratzmann weiter. Zwischen Bayram und Ratzmann besteht auch eine starke persönliche Rivalität, da die umstrittene Kandidatin den Realo einst aus dem Fraktionsvorsitz in der Bürgerschaft verdrängte.