Ein falsches Signal
Bayerns massiver Protest wirkt: Die EU-Kommission rudert zurück. Die Fortsetzung der Grenzkontrollen ist doch möglich – mit neuer Begründung. Die Sicherheitslage zwingt dazu: Die Terrorgefahr wächst, in Italien stauen sich 200.000 Migranten.
Grenzkontrollen

Ein falsches Signal

Bayerns massiver Protest wirkt: Die EU-Kommission rudert zurück. Die Fortsetzung der Grenzkontrollen ist doch möglich – mit neuer Begründung. Die Sicherheitslage zwingt dazu: Die Terrorgefahr wächst, in Italien stauen sich 200.000 Migranten.

Bayerns entschiedener Protest wirkt. Die EU-Kommission rudert zurück: Plötzlich ist die Verlängerung der Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze über den 11. November hinaus doch möglich. Die Bundesregierung darf ihn nur nicht mehr mit dem nicht vorhandenen Schutz der EU-Außengrenzen begründen. „Mitgliedsländer haben die Möglichkeit, aus anderen Sicherheitsgründen als jenen, die mit den Mängeln beim Umgang mit den Außengrenzen in Griechenland zu tun haben, Grenzkontrollen zeitweise wieder einzuführen“, heißt es jetzt aus Brüssel.

Zuerst hatte eine Kommissionssprecherin angekündigt, dass die EU-Kommission entschlossen sei, die Sondergenehmigung für Personenkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze nicht zu verlängern. Am 11. November endet die Zweijahresfrist, die das Schengener Abkommen für die Wiedereinführung von Grenzkontrollen im Falle einer „ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit“ gibt. „Wir empfehlen ein Auslaufen der Kontrollen“, so die Kommissionssprecherin. Die Kommission verwies auf die eindeutige Rechtslage und empfahl alternative Maßnahmen zur Herstellung der Sicherheit an den Grenzen und in den Mitgliedsländern.

Warnungen aus München, Berlin und Wien

Ein Affront. Seit Monaten fordern bayerische, deutsche und österreichische Politiker die Fortsetzung der wichtigen Grenzkontrollen an deutschen und österreichischen Außengrenzen. Schon im Januar sprach Bundesinnenminister Thomas de Maizière von einer Verlängerung der Kontrollen „für viele Monate“. Und: „Im Moment kann ich kein Ende absehen.“ In Wien erklärte Ende April ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka: „Solange die Außengrenzen nicht entsprechend geschützt werden können, werden wir auch weiterhin nationale Maßnahmen ergreifen.“

Würden wir die Kontrollen beenden, wäre das ein Signal an die Ganze Welt: Deutschland ist wieder offen.

Innenminister Joachim Herrmann

„Die Kontrollen werden mindestens bis Jahresende weitergeführt“, betonte zur gleichen Zeit in München Innenminister Joachim Herrmann: „Ein Ende ist heute noch nicht absehbar.“ Der Innenminister fügte eine deutliche Warnung hinzu: „Würden wir die Kontrollen beenden, wäre das ein Signal an die ganze Welt: Deutschland ist wieder offen.“ Das wollten die Deutschen nicht. Herrmann weiter: „Die Grenzkontrollen müssen wir solange beibehalten, bis ein wirksamer Schutz der EU-Außengrenzen steht.“

Empörung in Bayern

Umso größer die Empörung, als nun die EU-Kommission ankündigte, dass sie ohne Rücksicht auf die Lage-Analysen der Innenminister auf dem Ende der Grenzkontrollen am 11. November bestehen würde. „Das ist jetzt wieder so eine Sommeräußerung von irgendjemandem aus Brüssel“, wunderte sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer: „Das zeigt, wie wenig Bezug die zu den Befindlichkeiten der Bevölkerung haben.“ Seehofer erinnerte außerdem an das Versagen der EU beim Thema Schutz der Außengrenzen: „Die EU hat das Durcheinander an den Außengrenzen in zwei Jahren nicht annähernd lösen können.“

Das zeigt, wie wenig Bezug die zu den Befindlichkeiten der Bevölkerung haben.

Ministerpräsident Horst Seehofer

Auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sprach sich für eine Beibehaltung der Kontrollen aus: „Für die CSU gilt klar: Sicherheit zuerst. Das sollte auch für die EU gelten. Europa geht es nicht gut, wenn die EU den Schutz der Außengrenzen nicht hinbekommt und dann den Mitgliedstaaten eigene Grenzkontrollen verbieten will.“

Die EU bekommt den Schutz der Außengrenzen nicht hin und will dann den Mitgliedstaaten eigene Grenzkontrollen verbieten.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer

Diesen Widerspruch in der Brüsseler Haltung kritisierte ebenso massiv auch Bayerns Europaministerin Beate Merk: „Europa hat es seit zwei Jahren leider nicht geschafft, seine Außengrenzen wirksam zu schützen.“ Die Forderung der Kommission, die Grenzkontrollen zu beenden, „kommt deshalb absolut zur Unzeit und sendet ein völlig falsches Signal“. Merk weiter: „Wenn die EU-Kommission das nicht versteht, ignoriert sie das berechtigte Sicherheitsbedürfnis der Menschen und untergräbt letztlich auch das Vertrauen der Menschen in ein gemeinsames sicheres Europa.“

Wachsende Terrorgefahr

Tatsächlich hat sich für die EU-Mitgliedsländer in den vergangenen Jahren an der schwierigen Sicherheitslage nichts geändert: Presseberichten zufolge warten in Libyen und Nordafrika Hunderttausende, wenn nicht Millionen afrikanische Migranten auf Transfer nach Europa. In Griechenland sind 60.000 und in Italien etwa 200.000 Migranten blockiert, die alle weiter wollen nach Norden.

Dazu kommt wachsende Terrorbedrohung: Genau jetzt kehren Terroristen des Islamischen Staates mit europäischen Pässen in drei- oder vierstelligen Zahlen aus Syrien und Irak nach Europa zurück. Hunderte sind schon zurückgekehrt – und stellen eine Bedrohung dar, nicht nur für ihre jeweilige Wahlheimat, sondern ebenso für die Nachbarländer. „Angesichts dieser menschlichen Bomben ist das Europa ohne Grenzen ein Ding der Unmöglichkeit“, kommentierte ausgerechnet am Tag der islamistischen Terrortat von Barcelona die Pariser Tageszeitung Le Figaro. Man müsse mit allen Mitteln verhindern, dass diese Rückkehrer Europa je wiedersähen, so das Blatt: „Aber wenn sie da sind, dann müssen wir sie unbedingt an unserer Türschwelle abfangen können.“