Mehr Gerechtigkeit? Bei der Pkw-Maut, die in fast ganz Europa erhoben wird, sieht SPD-Kandidat Martin Schulz das nicht so eng. (Bild: Imago/IPON)
Pkw-Maut

Zeit für mehr Gerechtigkeit

Kommentar SPD-Kandidat Martin Schulz will als Kanzler die Pkw-Maut abschaffen. So viel zur Vertragstreue der SPD. So viel aber auch zur Gerechtigkeit, die Schulz als Slogan plakatiert. Denn in fast ganz Europa werden deutsche Autofahrer abkassiert.

Seit Wochen poltert SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz trotz seines Antrittsversprechens eines sachlichen Wahlkampfes gegen alles, was ihm vielleicht Stimmen und Aufmerksamkeit verschaffen könnte.

Ich werde fair mit unseren politischen Mitbewerbern umgehen.

Martin Schulz, SPD-Kanzlerkandidat, im Januar 2017

Der Bundeskanzlerin Angela Merkel warf Schulz vor einigen Wochen einen „Anschlag auf die Demokratie“ vor – weil sie sich angeblich vor einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit ihm drücke. In Zeiten des islamistischen Terrors war das eine völlig unangebrachte Ansage und nebenbei natürlich falsch. Merkel hat Wichtigeres zu tun, als über jedes Stöckchen zu springen, mit dem Schulz hektisch herumfuchtelt.

Angriff auf die Maut

Nun hat sich der „Erlöser“ der deutschen Sozialdemokratie also die Pkw-Maut herausgegriffen. „Eigentlich will – außer der CSU – niemand diese Maut“, behauptete der SPD-Vorsitzende in der Zeitschrift Motorwelt des mautkritischen ADAC. Voraussetzung für die Einführung sei gewesen, dass die Maut sich rechne. „Bei den Einnahmen sehe ich das nicht“, meinte Schulz. „Wenn aber Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis stehen, muss sie abgeschafft werden. Genau das werde ich als Bundeskanzler tun.“

Das ist der nächste Vorschlag aus Schulzes Kabinett der Peinlichkeiten.‎

Alexander Dobrindt, CSU, Verkehrsminister

Und wieder irrt der Genosse, nicht nur beim künftigen Kanzler: Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts dimap für den BAYERNKURIER von Mitte 2015 hielten drei Viertel der Deutschen die Einführung der Infrastrukturabgabe für richtig – darunter auch 72 Prozent der SPD-Wähler, 54 Prozent der Linken und 50 Prozent der Grünen. Es gab übrigens auch eine ADAC-Umfrage dazu: TNS Infratest ermittelte, dass sogar 55 Prozent der ADAC-Mitglieder die Einführung einer Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen unterstützten, sofern inländische Autofahrer über die Kfz-Steuer entlastet würden. „Und genau diesen Bürgerwillen verfolgt die CSU mit der Maut. Das lassen wir von einem Kandidaten Schulz auf seiner täglichen Suche nach Wahlkampfthemen nicht schlechtreden“, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.

Die Ankündigung zeigt auch die Ansicht der SPD über den Rechtsgrundsatz „Verträge sind einzuhalten“. Denn der Bundestag hat die Maut mit Zustimmung der SPD beschlossen, die dafür im Gegenzug ihren umstrittenen Mindestlohn durchsetzen konnte. Auch laufen bereits Ausschreibungen für das System, ein Rückzug könnte zu Schadenersatzansprüchen führen.

Streit um Einnahmen

Deutsche Autofahrer sollen ebenso die Pkw-Maut zahlen, aber über die Kfz-Steuer entlastet werden. Auch das ist gerecht. Denn sie zahlen bereits für den Ausbau der Straßeninfrastruktur über verschiedene andere Steuern.

Bei den Einnahmen gibt es vor dem geplanten Start des Projektes 2019 naturgemäß unterschiedliche Prognosen. Nach Abzug der Kosten soll die Maut gut 500 Millionen Euro im Jahr einbringen, so eine laut Dobrindt „konservative“ Berechnung. Die schlechteste Berechnung stammt mit 40 Millionen Euro Verlusten nach Abzug der Kosten vom ADAC. Andere Gutachten treffen sich irgendwo in der Mitte dazwischen. Dabei ist doch völlig klar, dass notwendige Änderungen nicht ausgeschlossen sind, auch Österreich hat das getan.

Aber das Ziel bleibt. „Wohlstand entsteht dort, wo Infrastruktur funktioniert“, bekräftigte Dobrindt seine Ziele im BAYERNKURIER. „In den vergangenen Jahrzehnten wurde der Fehler gemacht, unsere Infrastruktur nicht ausreichend zu finanzieren. Das Ergebnis: schlechte Straßen, marode Brücken“, kritisierte Dobrindt seine SPD-Amtsvorgänger. Allein für die 12.800 Kilometer Autobahnen und 39.700 Kilometer Bundesstraßen würden jährlich 7,5 Milliarden statt der bisherigen fünf Milliarden Euro gebraucht.

Eine Frage der Gerechtigkeit

Die Pkw-Maut ist eben kein „Vorzeigeprojekt der CSU“, wie auch Medien immer wieder titeln. Sie ist eine Frage der Gerechtigkeit! Genau das, was Schulz wie eine Monstranz vor sich her trägt. Denn in vielen europäischen Ländern zahlen deutsche Autofahrer eine Pkw-Maut – auch bei den lautesten Gegnern der deutschen Maut, in Österreich. Das Land gewährte seinen Autofahrern diverse Vergünstigungen im Zuge seiner eigenen Mauteinführung und die EU hat das damals nicht gekümmert. Jetzt wird es Zeit, dass sich endlich auch auf deutschen Straßen Pkw aus dem Ausland an der Finanzierung beteiligten. Zeit für mehr Gerechtigkeit. Kommt Ihnen das bekannt vor, Herr Schulz?