Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt beim Interview mit dem BAYERNKURIER. (Bild: Wolf Heider-Sawall)
Verkehr

Vernunft statt Verbote

Interview Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt spricht sich im Interview mit Chefredakteur Marc Sauber klar gegen Dieselfahrverbote aus und sagt: „Ohne Mobilität keine Prosperität. Wer Wohlstand erhalten will, muss dafür sorgen, dass die Infrastruktur in Schuss ist.“

Aus dem BAYERNKURIER-Magazin

Lesen Sie hier eine gekürzte Version. Das vollständige Interview ist abgedruckt im aktuellen BAYERNKURIER-Magazin.

Herr Minister, Sie sind mit dem Auto angereist. Mit einem Diesel oder mit einem Benziner?

Natürlich mit einem Hybrid der neuesten Generation.

Aktuell sieht man noch recht wenige Elektro- oder Hybridfahrzeuge auf unseren Straßen. Warum? Liegt es allein am Preis?

Wir sind am Anfang einer rasanten Entwicklung und erleben zurzeit einen unglaublichen Wandel in der gesamten Automobilindustrie. Ganz klar: Die Zukunft gehört der Kombination aus Elektromobilität und dem automatisierten, digital vernetzten Auto. Was noch reifen muss, ist die Emotionalität. Diese steigt aber mit der Erfahrung des automatisierten Fahrens. Das schafft dann auch zunehmend Akzeptanz für elektrische Antriebe. Digitalität und elektrische Antriebe entwickeln sich gemeinsam. Trotzdem ist es wichtig, das Angebot an E-Fahrzeugen und die Verfügbarkeit von Lademöglichkeiten deutlich zu steigern. Neben dem Aufbau der Ladeinfrastruktur, den ich mit meinem Haus mit 300 Millionen Euro und dem Bau von 15.000 Ladesäulen in ganz Deutschland bereits intensiv vorantreibe, gehört dazu eine breite Modellpalette der Hersteller. Jedes Fahrzeug, das man heute als Diesel oder Benziner kaufen kann, muss künftig auch als Hybrid oder Elektrofahrzeug zur Verfügung stehen.

In Stuttgart gibt es nun das partielle Dieselverbot. In München würde so eine Regelung etwa 90 Prozent aller Dieselfahrzeuge aus der Innenstadt verbannen. Wie sollen Handwerker oder Taxifahrer das hinbekommen?

Fahrzeuge auszusperren, die ein oder zwei Mal pro Monat in die Stadt fahren, ist ein falscher Ansatz. Die Entscheidung in Stuttgart, Einfahrverbote zu erlassen, halte ich deshalb auch für den völlig falschen Weg. Das darf kein Vorbild für weitere Städte sein. Statt Menschen zu verbieten, mit ihrem Auto in die Innenstadt zu fahren, müssen die Fahrzeuge deutlich sauberer werden, die sich ständig in der Stadt aufhalten. Da geht es um den öffentlichen Nahverkehr, Busse, Taxen, Behördenfahrzeuge, Lieferverkehr, Müllabfuhr. Wenn diese Fahrzeuge zügig auf alternative Antriebe umgerüstet werden, nutzt das der Luftreinhaltung deutlich mehr als generelle Einfahrverbote. Das Motto muss lauten: Vernunft statt Verbote.

Viele Dieselfahrer sind derzeit verunsichert…

Der Diesel muss plötzlich für alles herhalten, was in den vergangenen Jahren in Sachen Luftreinhaltung in manchen Städten falsch gelaufen ist. Über Jahre hinweg haben die Industrie, die Politik, die Wissenschaft davon gesprochen, dass der Diesel einen wesentlichen Anteil für den Klimaschutz beitragen kann, weil er im Vergleich zum Benziner etwa ein Viertel weniger CO2 ausstößt. Auch deshalb haben sich immer mehr Menschen mit der Dieseltechnologie angefreundet – aktuell sind rund 14,5 Millionen Diesel-PKW auf Deutschlands Straßen unterwegs. Ich sage ganz klar: Der moderne Diesel leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und ist eine effiziente Kraftmaschine. Wer das Aus des Diesel fordert, muss auch sagen, wie er die CO2-Einsparziele erreichen will. Der Diesel wird meiner Überzeugung nach als Übergangstechnologie noch viele Jahre zur Verfügung stehen.

Die Grünen gehen in ihrem Wahlprogramm noch einen Schritt weiter. Sie wollen alle Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2030 verbieten.

Diese Idee ist geradezu irrwitzig und mal wieder ein Ausweis ideologischer Verbotspolitik der Grünen. Die Automobilindustrie ist durch die Digitalisierung, durch den Umstieg auf moderne Antriebstechniken und dem sharing-Gedanken einem extremen Wandel unterzogen, wie seit der Erfindung des Automobils nicht mehr. Dennoch wird der Verbrennungsmotor noch Jahrzehnte als Brückentechnologie zur Verfügung stehen müssen. Das Jahr 2030 beginnt in nur 13 Jahren! Was die Grünen da über ein Verbot von Verbrennungsmotoren faseln, ist nicht nur vollkommen realitätsfern, sondern auch politisch unredlich.

Im Hinblick auf die enormen Summen, die in Netze und Straßen fließen werden. Warum hat Brüssel beim Thema Maut so lange gebremst?

Brüssel fordert schon seit Jahren den Systemwechsel hin zur Nutzerfinanzierung bei der Infrastruktur. Genau das machen wir jetzt mit der PKW-Maut. Inzwischen haben wir mit der EU-Kommission eine gute Lösung gefunden und ich will, dass diese Lösung jetzt im Bund schnellstmöglich umgesetzt wird. Die PKW-Maut erfüllt den Koalitionsvertrag, deutsche Autofahrer werden nicht zusätzlich belastet, sie ist europarechtskonform, sie bringt erhebliche Mehreinnahmen und die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung steht eindeutig dahinter. Ein Versuch, das im Bundesrat hinauszuzögern, wäre nicht akzeptabel. Heute landet die KFZ-Steuer im allgemeinen Steuertopf und ist den Begehrlichkeiten der jeweiligen Politik unterworfen. Mit der Maut setzen wir in Zukunft auf Zweckbindung. Das heißt: Jeder Euro, der über die Maut reinkommt, fließt direkt in die Finanzierung unserer Infrastruktur. Künftig nehmen wir jährlich rund vier Milliarden Euro mit der PKW-Maut ein, die zweckgebunden wieder in die Sanierung und den Neubau investiert werden. Kein anderes Land in Europa nimmt mit seinem PKW-Mautsystem mehr Mittel im Verkehrshaushalt ein als wir. Damit stellen wir die Finanzierung unserer Straßen langfristig und verlässlich auf ein neues Fundament. Das ist der große Mehrwert der Maut.

Vier Milliarden? Bislang wurde doch immer die Summe von jährlich 500 Millionen genannt … 

Die Gesamteinnahmen werden bei rund vier Milliarden Euro liegen. 3,5 Milliarden von den deutschen Autofahrern, die bislang über die KFZ-Steuer eingenommen wurden, und Mehreinnahmen von ausländischen Fahrzeugen in Höhe von rund 500 Millionen Euro.

Warum ist eine funktionierende Infrastruktur so wichtig?

Ohne Mobilität keine Prosperität. Wohlstand entsteht dort, wo Infrastruktur funktioniert. Das ist ein ökonomisches Grundprinzip. Das heißt: Wer Wohlstand erhalten will, muss dafür sorgen, dass die Infrastruktur in Schuss ist. Da haben wir derzeit großen Nachholbedarf: In den vergangenen Jahrzehnten wurde der Fehler gemacht, unsere Infrastruktur nicht ausreichend zu finanzieren. Das Ergebnis: schlechte Straßen, marode Brücken. In dieser Wahlperiode ist es uns durch meinen Investitionshochlauf gelungen, endlich die Investitionslücke zu schließen. Als ich das Verkehrsministerium 2013 übernommen habe, lagen die Investitionen in die Infrastruktur bei gut 10 Milliarden Euro, Ende dieser Wahlperiode liegen sie bei rund 14 Milliarden. Mit unseren Rekordmitteln sind beim Straßenbau dabei zum ersten Mal nicht mehr die Finanzen das Nadelöhr sondern die Planungskapazitäten der Länder, die für den Bau der Straßen zuständig sind. Wir haben Geld für mehr Projekte als die Länder planen können. Das gab es noch nie.

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