CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt (Foto: BK/Henning Schacht)
CDU/CSU

„Wir halten, was wir versprechen“

Interview Drei Landtagswahlen hat die SPD in diesem Jahr verloren. Im Interview mit dem Bayernkurier analysiert die scheidende CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt warum die Sozialdemokraten bei den Themen Gerechtigkeit und Sicherheit zu kurz springen.

Frau Hasselfeldt, die SPD hat zuletzt drei Landtagswahlen verloren – auch die sogenannte „kleine Bundestagwahl“ in NRW. Stellen Sie schon mal den Sekt kalt für den 24. September?

Nein, gewiss nicht. Wir machen jetzt mit Sicherheit nicht den Fehler, übermütig zu werden. Wir bleiben auf dem Boden der Realität und arbeiten konzentriert weiter. Wir haben Rückenwind, weil unser Land sehr gut dasteht und die Union auf die richtigen Themen setzt – wie die Innere Sicherheit, Erhalt und Ausbau der klassischen und digitalen Infrastruktur sowie die Bildung. Aber natürlich steht fest, dass die Wahl in Nordrhein-Westfalen die dritte krachende Niederlage in Folge für Martin Schulz und die SPD darstellt. Rot-Grün wurde im sogenannten „Stammland“ der SPD klar abgewählt, die CDU stellt den nächsten Ministerpräsidenten in NRW. Der SPD-Kandidat hat den Praxistest nicht bestanden.

SPD-Chef Martin Schulz hat vor allem auf das Thema Gerechtigkeit gesetzt. War das das falsche Thema?

Das war auf jeden Fall zu kurz gesprungen. Für die Menschen ist soziale Gerechtigkeit zwar wichtig, gehört aber aktuell nicht zu den absolut drängendsten Themen. Das belegen ja auch die guten Daten. In Bayern haben wir in vielen Regionen Vollbeschäftigung. Die soziale Lage war noch nie so gut. Die Rahmenbedingungen stimmen einfach. Das nenne ich gerecht. Insgesamt ist Martin Schulz inhaltlich sehr an der Oberfläche geblieben. Dort, wo er konkret wurde, hat er sich entweder verrechnet oder hat in erster Linie ein Ausgaben-Programm gefordert, das viele Milliarden kosten würde und nur durch Steuererhöhungen zu finanzieren wäre. Das wäre ein Teufelskreis! Nehmen Sie nur die angedachte Verlängerung des Arbeitslosengeldes. Dies würde nicht zu mehr Gerechtigkeit, zu mehr Beschäftigung führen, sondern eher dazu, dass sich die Arbeitslosigkeit der Menschen verlängert. Im Unterschied dazu wollen wir Chancen eröffnen und die Menschen möglichst schnell wieder in Arbeit bringen. Das fördert den Wohlstand, für jeden Einzelnen und für die Gesellschaft insgesamt.

Geht es derzeit gerecht zu in Deutschland?

Ich glaube, dass wir mit den Bemühungen, gerade wirtschaftlich für Prosperität zu sorgen, den Menschen viel an Gerechtigkeit gegeben haben. Denn wenn sie keine Jobs haben, dann haben wir eben auch keine Gerechtigkeit. Das Schlagwort muss mit Leben erfüllt werden – wie zum Beispiel bei der Mütterrente. Hier sieht es so aus, dass Mütter, die vor 1992 Kinder geboren haben, bei der Rente anders behandelt werden als Mütter, die nach 1992 Kinder bekommen habe.

Wo genau liegt dort die Ungerechtigkeit?

Der Unterschied ist, dass Mütter, die nach 1992 Kinder geboren haben, drei Jahre Erziehungszeit in der Rentenversicherung anerkannt bekommen. Mütter, die vor 1992 Kinder geboren haben, bekommen weniger Rente, weil ihnen nur zwei Jahre Erziehungszeit anerkannt werden. Wir wollen, dass alle Mütter drei Jahre Erziehungszeit in der Rentenversicherung anerkannt bekommen. Das ist eine konkrete Frage der Gerechtigkeit, die wir anpacken.

Viele Menschen treibt die Gefahr einer möglichen Armut im Alter um. Was ist Ihr Lösungsansatz in diesem Bereich?

Auch hier gilt: Das Wichtigste ist eine gute Beschäftigungslage. Nur, wenn Beschäftigung vorhanden ist, wenn Rentenbeiträge einbezahlt werden können, haben wir auch eine gute Absicherung im Alter. Zweitens wollen wir den Bereich der betrieblichen und der privaten Altersversorgung, also die beiden weiteren zentralen Säulen der Altersvorsorge, stärken. Wir sind derzeit dabei, mit dem sogenannten Betriebsrentenstärkungsgesetz Verbesserungen zu erreichen. Gerade in der jetzigen Phase der Niedrigzinspolitik der EZB, die eine Belastung für die private Vorsorge bedeutet, brauchen wir einen starken Anreiz zur individuellen Vorsorge.

Deutschland steht am 24. September vor einer Richtungsentscheidung. Vereinfacht gesagt – für was stehen CDU/CSU, für was stünde eine linke Mehrheit?

Wir halten, was wir versprechen. Wir können stolz sein auf die Bilanz der vergangenen vier Jahre: Wir haben die Mütterrente eingeführt, die Pkw-Maut durchgesetzt, Entlastung für Bayern beim Länderfinanzausgleich von 1,3 Mrd. Euro erreicht und natürlich gab es keine Steuererhöhungen und keine neuen Schulden. Wir stehen klar für Entlastung im steuerlichen Bereich und bei der Bürokratie, für Freiheit, für eine weiterhin gute wirtschaftliche Entwicklung: Arbeitsplätze sind die beste Sozialpolitik! Dazu brauchen wir auch weiterhin stabile Bedingungen für Unternehmen. Dazu werden wir die großen Aufgaben im Infrastrukturbereich weiter vorantreiben – beim Breitbandausbau und bei den Verkehrswegen. Die Bildung steht bei uns auf der Prioritätenliste weit oben, zudem die gleichmäßige Weiterentwicklung zwischen Stadt und Land. Wir stehen für Sicherheit im umfassenden Sinn. Dazu gehören ganz klar die Innere und Äußere Sicherheit, aber auch die Sicherheit der Menschen in allen Lebenslagen, das heißt auch im Bereich der Pflege, der Krankheit, des Alters, aber natürlich auch im Alltag. Die Menschen können sich darauf verlassen, dass wir diese Kernthemen angehen und sie können sicher sein, dass wir für sie und ihre Familien sorgen. Wir stehen für Stabilität; SPD, Linke und Grüne stehen für Instabilität im ökonomischen, innenpolitischen und außenpolitischen Bereich. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie diese Republik aussähe, wenn Frau Wagenknecht etwas zu sagen hätte.

Im Unterschied dazu: Wofür steht Rot-Rot-Grün?

Die Sozialisten in vielen Ländern und die Sozialdemokraten in Deutschland haben bewiesen, dass die wirtschaftliche Lage unter ihrer Führung immer schlechter geworden ist. Beim Regierungswechsel 2005 haben wir knapp fünf Millionen Arbeitslose übernommen, heute liegen wir bei der Hälfte. Rot-Rot-Grün steht auch für außenpolitische Instabilität und Unzuverlässigkeit. Wenn wir nur daran denken, dass die Linken aus der Nato ausscheiden möchten – und das in diesen ohnehin instabilen außenpolitischen Zeiten. Rot-Rot-Grün steht für Blockade in jeder Hinsicht, auch im wirtschaftlichen Bereich, beispielweise bei Freihandelsabkommen. All das, was wir beim Thema Sicherheit in den letzten Monaten durchgesetzt haben, wurde von der SPD nur halbherzig mitgemacht und so lange wie möglich blockiert, wie zum Beispiel die härteren Strafen beim Wohnungseinbruchsdiebstahl. Wir stehen für Sicherheit, die anderen für Unsicherheit.

Gerade das Thema Sicherheit hat der CDU in Nordrhein-Westfalen im Endspurt des Wahlkampfes Auftrieb gegeben. Inwieweit werden die Themen Sicherheit und Migration den Bundestagswahlkampf bestimmen?

Sicherheit und Migration werden in den bevorstehenden Wahlen zentrale Punkte bleiben, keine Frage. Insofern sind wir mit unserem Spitzenkandidaten Joachim Herrmann perfekt aufgestellt: Er steht glaubwürdig für das Thema Innere Sicherheit und hat als bayerischer Innenminister im gesamten Bundesgebiet ein sehr hohes Ansehen. Wir haben in Bayern schon immer auf eine konsequente Sicherheitspolitik gesetzt, das zahlt sich jetzt aus. Bayern ist das sicherste Bundesland, in Nordrhein-Westfalen haben die Bürgerinnen und Bürger die chaotische und obendrein gefährliche Sicherheitspolitik von Frau Kraft und Herrn Jäger abgewählt. Die NRW-CDU hat ja bereits angekündigt, in den ersten 100 Tagen ihrer Regierung zentrale Elemente zu ändern. So soll das bayerische Erfolgsmodell der Schleierfahndung auch dort eingeführt werden, zudem wird die Videoüberwachung ausgeweitet. Es kommt also mehr Bayern nach NRW.

Frau Hasselfeldt, Sie sind jetzt seit 30 Jahren in politischen Spitzenämtern. In der Gesamtschau: Wie hat sich der politische Alltag verändert?

Er ist schnelllebiger geworden, vielleicht auch durch die Veränderung der Medienwelt. Für komplizierte Sachverhalte werden einfache und schnelle Antworten erwartet – aber die gibt es oft nicht. Im Gegenteil – die Sachverhalte sind über die Jahre noch komplizierter und komplexer geworden. Es ist also ein Widerspruch, für komplexere Probleme einfachere und schnellere Antworten bekommen zu wollen – das geht nicht! Durch die sozialen Medien ist bei vielen zudem der direkte, persönliche Kontakt zu den Menschen etwas ins Hintertreffen geraten, was ich bedauere. Ich halte den direkten Austausch zwischen Politikern und Bürgern nach wie vor für sehr wichtig und hoffe zudem, dass der Trend der Verkürzung und Zuspitzung nicht weiter zunimmt.

Sie werden Ihre politische Karriere dieses Jahr beenden. Wenn Sie zurückblicken, sind Sie zufrieden mit sich?

CSU-Frontfrau Gerda Hasselfeldt beim Interview mit Bayernkurier-Chefredakteur Marc Sauber. (Foto: BK/Henning Schacht)

In erster Linie bin ich dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, für die Menschen arbeiten zu können. Das war damals vor 30 Jahren mein Wunsch, als ich in den Bundestag gewählt wurde, aber auch schon vorher, als ich kommunalpolitisch Verantwortung getragen habe. Ich bin dankbar dafür, dass ich an verantwortlicher und einflussreicher Stelle die Gelegenheit hatte, mitzuarbeiten und zu gestalten – noch dazu in einer Phase, die für Deutschland wirklich prägend war, bei der Wiedervereinigung, bei der Einführung des Euro. Ob ich zufrieden bin? Ich habe versucht, mit meinen Talenten, die mir der Herrgott gegeben hat, meinen Beitrag zu leisten. Das ist einmal besser gelungen und einmal nicht so gut – das ist ganz normal im Leben. Im Großen und Ganzen ist uns in der Unionsfamilie doch vieles gut gelungen – insofern kann ich zufrieden und dankbar auf die vergangenen Jahrzehnte zurückblicken.

Was bedeutet Politik für Sie?

Dienst für die Menschen und die Möglichkeit, zu gestalten.

Auszug

Dies ist ein Auszug des Interviews mit Gerda Hasselfeldt aus dem aktuellen BAYERNKURIER-Magazin.