Schreckgespenst für Autofahrer: Diesel-Fahrverbot. (Foto: Imago/Christian Ohde)
Stuttgart

Tiefschlag für den Diesel

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat Fahrverbote für ältere Diesel zugelassen. Damit ist die grün-schwarze Landesregierung vorläufig damit gescheitert, Fahrverbote durch Nachrüstungen zu umgehen. Die konkreten Auswirkungen sind allerdings unklar.

Fahrverbote für ältere Dieselautos sind in Stuttgart weiter möglich. Die grün-schwarze Landesregierung Baden-Württembergs scheiterte vor dem Verwaltungsgericht mit dem Versuch, durch Nachrüstungen vieler älterer Motoren die extrem unpopulären Fahrverbote zu verhindern. Die Richter verurteilten das Land zur Überarbeitung des neuen Luftreinhalteplans für Stuttgart, weil dieser die Luft nicht schnellstmöglich verbessere. Dazu sei das Land aber verpflichtet, der bisherige Plan sei unzureichend, urteilten die Richter.

Das Gericht hat erstmal festgestellt, dass der Luftreinhalteplan für Stuttgart nachgebessert werden muss.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hält Fahrverbote nicht für zwingend

Gesundheitsschutz sei höher zu bewerten als Interessen der Diesel-Fahrer, argumentierte das Verwaltungsgericht. Zwar enthält der vorgelegte Plan Fahrverbote, diese seien aber nicht umfassend genug. Das Land dürfe sich bei der Luftreinhaltung nicht darauf verlassen, dass die Autoindustrie handelt, hieß es. Fahrverbote seien das wirksamste Mittel, um die seit Jahren hohe Schadstoffbelastung zu reduzieren. Die Stuttgarter Richter sind sicher, dass Fahrverbote auch umsetzbar sind. Daran hatte es zuletzt Zweifel gegeben. Ob und wann es tatsächlich zu Fahrverboten für viele Dieselmodelle kommt und wie diese aussehen könnten, ist aber offen. Es ist damit zu rechnen, dass der Streit beim Bundesverwaltungsgericht weitergeht.

Dobrindt: Fahrverbote sind nicht zwingend

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sieht in dem Urteil noch keine Festlegung auf künftige Fahrverbote. „Das Gericht hat erstmal festgestellt, dass der Luftreinhalteplan für Stuttgart nachgebessert werden muss“, sagte der Minister. Zuerst müsse man auf die schriftliche Urteilsbegründung warten, denn voraussichtlich würden dort unterschiedliche Möglichkeiten dargestellt, so Dobrindt. Letztlich gehe es nicht um deren Art, sondern um deren Wirkung. Der CSU-Politiker verwies zudem darauf, dass am kommenden Mittwoch beim Diesel-Gipfel von Bundesregierung, Industrie und Ländern weitere Beschlüsse gefällt würden, die das Gericht noch gar nicht berücksichtigen konnte. Zudem habe sich die Landesregierung Baden-Württemberg vorbehalten, eine Entscheidung vom Bundesverwaltungsgericht als höchster Instanz zu bekommen, sagte Dobrindt.

Absolut überzogen.

Winfried Hermann (Grüne), Baden-Württembergs Verkehrsminister, zu den Fahrverbots-Forderungen der DUH

Klar sei, dass man weiter auf Nachrüstungen von Diesel-Fahrzeugen setzen werde, so Dobrindt: „Wenn ich die Möglichkeit habe, den Stickoxid-Ausstoß an der Quelle zu reduzieren, warum sollte ich es nicht tun.“ Umrüstungen müssten natürlich von der Industrie finanziert werden. Der Diesel und der fossile Verbrennungsmotor seien aber langfristig nicht die Lösung, so der Verkehrsminister. „Ich bin mir sicher, dass wir mit mehr Dynamik in die Elektromobilität gehen müssen“, sagte Dobrindt. Dies gelte auch für alternative Kraftstoffe wie die Brennstoffzelle. „Der Diesel ist eine Übergangstechnologie.“

Grüne gegen Grüne vor Gericht

Der Prozess war politisch brisant, weil sich dabei die „Deutsche Umwelthilfe“ (DUH), eine den Grünen nahestehende Nichtregierungsorganisation, vor dem Verwaltungsgericht mit dem baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann duellierte, der selbst als linker Grüner gilt. Die Umwelthilfe forderte ein generelles Diesel-Fahrverbot auch für Euro-6-Fahrzeuge. Hermann nannte diese Forderung seiner früheren Gesinnungsfreunde „absolut überzogen“. Die Landesregierung baute im Gegensatz zur DUH auf die von der Industrie versprochenen Nachrüstungen älterer Dieselmotoren, um Fahrverbote zu verhindern. Der Bundesgeschäftsführer der DUH ist ehemaliger grüner Bundestagskandidat.

Die FAZ schätzt die DUH folgendermaßen ein: „Der Umwelthilfe ist es seit Jahrzehnten egal, was ihre Forderungen für Arbeitsplätze oder die Weiterentwicklung einer Technologie bedeuten; sie führt einen regelrechten Kreuzzug gegen den Diesel-Motor.“ Sie verdiene rund ein Drittel ihres Etats durch Vertragsstrafen in Unterlassungserklärungen, die sie an kleine Autohändler wegen fehlerhafter Energieverbrauchskennzeichnungen verschicke, so die FAZ. Weiter schreibt die renommierte Zeitung, dass die DUH auch von seltsamen Partnern finanziert wird – etwa von Toyota, wenn sie den Spritverbrauch von Dienstwagen deutscher Hersteller veröffentlicht. Sogar Hersteller von Diesel-Partikelfiltern seien schon unter den Finanziers der DUH gewesen.

Folgen für Berlin und München?

Das Stuttgarter Urteil könnte auch die Debatte um Fahrverbote in anderen Großstädten wie München oder Berlin beeinflussen. Beim Deutschen Diesel-Gipfel beraten am kommenden Mittwoch (2. August) Vertreter von Bund, Ländern und Autoindustrie über konkrete Maßnahmen gegen zu hohe Schadstoffwerte durch den Autoverkehr. Nach der Stuttgarter Gerichtsentscheidung gaben die Aktienkurse der Autohersteller weiter nach. Daimler-Aktien rutschten um 1,5 Prozent auf 59,38 Euro ab. Auch BMW und Volkswagen verloren jeweils rund eineinhalb Prozent.