Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg. (Foto: Imago/Future Image)
Asylbetrug

Neue Technik zur Identifikation

Um Aslybetrug wirksamer zu bekämpfen, führt das Asyl-Bundesamt neue digitale Technik ein: Mit elektronischer Sprachanalyse, Biometrie und computergestützter Passkontrolle wollen die Beamten Identitäts-Betrügern besser auf die Schliche kommen.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) führt digitale Assistenzsysteme ein, um Flüchtlinge und Asylbewerber zu enttarnen, die ihre Identität verschleiern und damit ihre Anerkennung erschleichen wollen. Jetzt wurden die ersten Systeme dieser Art vorgestellt: Sie umfassen einen biometrischen Foto-Abgleich, einheitliche Schreibweisen von exotischen Namen, elektronische Sprachanalyse sowie – sobald das gesetzlich erlaubt ist – auch die Analyse von Smartphone-Daten.

In der „Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber Oberfranken“ in Bamberg, die gleichzeitig zentraler Pilotstandort des Bundesamts ist, präsentierte das BAMF die neuen digitalen Assistenzsysteme. Die Technik wird ab August nach und nach bundesweit eingeführt. Anlass für die neue Technik sind nicht nur die Mehrfach-Identitäten, die sich manche Asylbetrüger zum Zweck mehrfacher Antragstellung zugelegt hatten, sondern auch die Fälle, in denen sich beispielsweise Flüchtlinge aus Afrika oder Afghanistan wegen der höheren Anerkennungschance als Syrer ausgaben.

Fälle wie Anis Amri und Franco A. sollen nicht mehr möglich sein

Mit der neuen Technik sollen auch die beiden spektakulärsten Fälle von Asylbetrug durch Terroristen nicht mehr möglich sein: Zuletzt hatte der Skandal um den mutmaßlich rechtsextremen Bundeswehrsoldaten Franco A. Schlagzeilen gemacht: Franco A. hatte sich als Syrer ausgegeben und Geld als Flüchtling bezogen, obwohl er kein Wort Arabisch, sondern nur notdürftig Französisch sprach. Im April 2017 wurde er festgenommen. Die Polizei nimmt an, dass er einen Terroranschlag plante, um Flüchtlinge zu diskreditieren.

Der islamistische Terrorist Anis Amri, der auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin im Dezember 2016 mit einem Lkw zwölf Menschen tötete, war an verschiedenen Orten mit mehreren Identitäten registriert. Sein Asylantrag war zwar im Sommer 2016 abgelehnt worden. Aber Amri konnte nicht abgeschoben werden, weil er keine Ausweispapiere vorlegte und sein Herkunftsland Tunesien ihn zunächst nicht als tunesischen Staatsbürger anerkennen wollte. Hinzu kam zögerliches Handeln der Behörden in NRW. Das gab Amri Zeit, den Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz zu planen und durchzuführen.

Biometrische Fotoanalyse und einheitliche Namens-Schreibweise

So sollen künftig bei Asylbewerbern, bei denen keine Fingerabdrücke genommen werden können – zum Beispiel unter-14-Jährigen – die Fotos anhand biometrischer Daten abgeglichen werden, um Mehrfachregistrierungen zu verhindern. Wie der Beauftragte der Bundesregierung für Flüchtlingsmanagement, Frank-Jürgen Weise, sagte, soll ein weiteres Programm sicherstellen, dass arabische Namen einheitlich in lateinische Schrift übertragen werden. Auch dies soll Mehrfachregistrierungen von Asylbewerbern aufgrund unterschiedlicher Schreibweisen verhindern. Ein Computer-Scan soll gefälschte Pässe enttarnen. Ein anderes System kann anhand einer Sprachprobe eine Herkunftsregion für den Asylbewerber zuordnen.

Dieses System ist das Modernste, was es zur Zeit gibt.

Markus Richter, IT-Chef des BAMF

Außerdem wurde eine Software vorbereitet, die dabei helfen soll, Angaben des Asylbewerbers durch Daten auf seinem Smartphone zu verifizieren. Damit ist es möglich, Geodaten von Fotos auszuwerten und gewählte Ländervorwahlen sowie die Sprache in Chats zu analysieren. Laut BAMF hatten die Menschen, die 2016 einen Asylantrag in Deutschland stellten, mehr als 200 unterschiedliche Muttersprachen.

Allerdings darf diese Smartphone- und Laptop-Analyse-Technik noch nicht eingesetzt werden. Zwar wurde im Februar 2017 ein Gesetz vom Bundeskabinett verabschiedet, das dem BAMF erlauben soll, bei Zweifeln an der Identität eines Asylbewerbers auf dessen Smartphone und/oder Laptop zuzugreifen, der Entwurf befindet sich aber noch in der Ressortabstimmung. Datenschützer lehnen die Pläne strikt ab. Bislang ist das Auslesen von Handy- und Laptopdaten nur bei Verdacht auf Straftaten erlaubt, nicht zur Identifizierung.

60 Prozent haben keine gültigen Papiere

Die neuen IT-Systeme seien in den vergangenen zwei Monaten in Bamberg getestet worden, sagte der IT-Chef des BAMF, Markus Richter. Sie seien „das Modernste, was es zurzeit gibt“. Von August an sollen die Systeme innerhalb einiger Monate bundesweit eingeführt werden. Bei den Handydaten müsse jedoch das Ende des noch laufenden Gesetzgebungsverfahren abgewartet werden.

Nach Angaben des BAMF legen mindestens 60 Prozent der Asylbewerber in Deutschland keine Ausweispapiere vor. Laut Gesetz sind sie in diesem Fall verpflichtet, bei der Feststellung ihrer Identität aktiv mitzuwirken. Sie müssen zum Beispiel sämtliche Urkunden, Fotos und Unterlagen vorlegen, die ihre Identität beweisen könnten. Bei Betrugsverdacht dürfen ihre persönlichen Sachen durchsucht werden.

Für Asylbewerber herrscht Mitwirkungspflicht

Seit Inkrafttreten des Datenaustauschverbesserungsgesetzes im Februar 2016 erhalten Asylsuchende einen Ankunftsnachweis. Auf ihm werden unter anderem Name, Wohnort und Fingerabdrücke gespeichert. Ärztliche Untersuchungen und Röntgenaufnahmen sind möglich, um festzustellen, ob ein Asylbewerber voll- oder minderjährig ist. Außerdem sind persönliche Gespräche mit dem Asylbewerber entscheidend. Dabei wird gezielt nach regionalen Gegebenheiten und Bräuchen aus der Heimat des Flüchtlings gefragt.

Auch Sprach- und Textanalysen sind möglich. Seit dem Fall Franco A. sind die Dolmetscher zudem gesetzlich verpflichtet, sprachliche Auffälligkeiten zu melden. Das Gespräch des Offiziers hatte auf Französisch stattgefunden. Hilft ein Asylsuchender nicht dabei mit, seine Identität zu klären, hält Dokumente zurück oder beseitigt diese, kann das Asylverfahren eingestellt werden.