Martin Schulz, der schwächste SPD-Chef seit Rudolf Scharping. (Foto: Imago/Seeliger)
SPD in Panik

Polit-Gaukelei

Kommentar Panisch sucht SPD-Kandidat Martin Schulz seit Monaten ein Thema, um bei den Wählern zu punkten – nun hat er ausgerechnet die Asylpolitik entdeckt und kritisiert die Union. Dabei hat seine SPD selbst jahrelang Lösungen blockiert.

Wer soll Martin Schulz noch glauben? Ausgerechnet der SPD-Chef macht Panik vor einer neuen Flüchtlingskrise wie 2015 und kritisiert gleichzeitig die Asylpolitik der Union. Mit Blick auf die steigende Zahl von Flüchtlingen, die derzeit über das Mittelmeer nach Europa kommen, nannte er die Situation „hochbrisant“. In der Bild am Sonntag sagte er: „Wenn wir jetzt nicht handeln, droht sich die Situation zu wiederholen.“

Wider die Realität

Spiegel-Online argwöhnt, Schulz wolle mit solchen rhetorischen Anleihen bei der AfD möglicherweise Wähler am rechten Rand ansprechen. Aber selbst dieses Ansinnen ist zum Scheitern verurteilt, denn die Kritiker der früheren Politik der offenen Grenzen haben ja nicht vergessen, dass die SPD alle wichtigen Änderungen in der Asylpolitik, um dem Flüchtlingschaos von 2015 Herr zu werden, stets verzögert hat: Von der gesetzlichen Definition des gesamten Westbalkans als sichere Herkunftsstaaten bis zu den drei Asylpaketen. Zudem boykottieren mehrere SPD-(mit)regierte Länder konsequente Abschiebungen nach Afghanistan.

Total unglaubwürdig und unseriös.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer zu SPD-Kandidat Schulz

Auf diese Doppelzüngigkeit verweist CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer: „Da redet einer von einem neuen Flüchtlingsstrom, der selbst alle Maßnahmen zur Begrenzung abgelehnt und bekämpft hat“, sagt Scheuer in der Passauer Neuen Presse (PNP). „Mehr Abschiebungen, mehr sichere Herkunftsstaaten, Grenzkontrollen und Transitzonen – das alles haben SPD und Martin Schulz vehement blockiert.“ Schulz rede „total unglaubwürdig und unseriös“ daher, kritisiert Scheuer.

Zumal die Zahl der nach Deutschland strömenden Flüchtlinge seit der Hochzeit der Krise spürbar zurückgegangen ist: Kamen 2015 rund 890.000 Flüchtlinge nach Deutschland, waren es 2016 nur noch 280.000. Für 2017 rechnet die Bundesregierung europaweit mit 300.000 bis 400.000 Flüchtlingen, die aus Afrika kommen: Nur ein Teil davon würde nach Deutschland kommen. Dies ist zwar nach wie vor weit von einer Lösung der Flüchtlingswelle entfernt, aber die aktuellen Zahlen liegen doch – selbst im schlimmsten Fall – weit unterhalb des Ansturms aus dem Krisenjahr 2015.

Union hat Asyl-Neuregelungen vorangetrieben

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU), hält die Warnung vor einer neuen Flüchtlingswelle vor allem für Wahlkampftaktik. „Es ist hoch bemerkenswert, dass nunmehr der SPD-Kanzlerkandidat die Migrationskrise als Thema entdeckt und endlich auch festgestellt hat, dass diese noch bei Weitem nicht bewältigt und gelöst ist“, sagt Mayer der PNP. Es seien die Unionsparteien gewesen, die mit ihren Initiativen dazu beigetragen hätten, dass die Zuzugszahlen von Flüchtlingen in diesem Jahr deutlich geringer seien als in den beiden vergangenen Jahren, betont Mayer.

Viele Maßnahmen hätten wesentlich früher in Kraft treten und damit die Zuwanderung schneller reduziert werden können, wenn die SPD nicht oftmals die notwendigen Maßnahmen blockiert und verzögert hätte.

Stephan Mayer, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion

Als Beispiel nennt auch Mayer dafür die Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze, die Einstufung des Westbalkanraums als sichere Herkunftsregion, die Erleichterung der Abschiebungen sowie Kürzungsmöglichkeiten von Sozialleistungen bei Asylbewerbern, die ihre Identität verschleiern, sowie die Aussetzung des Familiennachzugs. Allerdings hätten „viele Maßnahmen wesentlich früher in Kraft treten und damit die Zuwanderung schneller reduziert werden können“, wenn die SPD nicht oftmals die „notwendigen Maßnahmen blockiert und verzögert hätte“, kritisierte Mayer. „Wenn Martin Schulz tatsächlich etwas Positives bewirken wollte, sollte er dafür sorgen, dass die SPD-regierten Länder den Widerstand im Bundesrat gegen die Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Herkunftsländer aufgeben“, forderte Mayer.

SPD-Länder müssen bei Abschiebungen mitziehen

Wenn die SPD tatsächlich etwas tun will für eine Entschärfung der Flüchtlingskrise, dann sollten also zuerst die von ihr selbst (mit)geführten Landesregierungen in Berlin, Bremen, Thüringen und Rheinland-Pfalz umgehend damit aufhören, Abschiebungen abgelehnter und teilweise krimineller Asylbewerber nach Afghanistan und andernorts zu boykottieren. Denn das System freiwilliger Rückkehr von abgelehnten Asylbewerbern funktioniert nur, wenn andererseits die Drohung mit Abschiebung bundesweit glaubwürdig ist.

Außerdem hat gerade die SPD den ungarischen Ministerpräsidenten Orbán massiv dafür kritisiert, dass er – übrigens gemäß der EU-Verträge – die ungarische Schengen-Außengrenze gesichert und damit für den Flüchtlingsstrom praktisch dichtgemacht hat. Dies war ja diejenige Maßnahme, die 2015 die größte Flüchtlingswelle nach Deutschland erst einmal deutlich gebremst hat. Wenn Schulz und die SPD tatsächlich etwas konstruktiv zur Lösung der Flüchtlingskrise beitragen wollen, müssen sie auch bei ihren grünen Gesinnungsfreunden in diversen Landesregierungen dafür werben, die nordafrikanischen Staaten Tunesien, Algerien und Marokko, wo eben kein Krieg herrscht, im Bundesrat zu sicheren Herkunftsländern zu erklären – was den Zuwanderungsdruck von dort massiv bremsen würde.

So lang die SPD in der praktischen Politik aber weitgehend das Gegenteil von dem tut, was Schulz publikumswirksam fordert, kann man sie und ihren Kanzlerkandidaten nicht ernst nehmen. Was Schulz derzeit macht, ist keine seriöse Politik, sondern Polit-Gaukelei. Zudem ist die einzige, wenn auch derzeit unrealistische Perspektive von Schulz auf das Kanzleramt nach wie vor Rot-Rot-Grün – und dieses Bündnis stünde nun einmal für die komplette Öffnung aller Grenzen und damit für ein absolutes Flüchtlingschaos.