Alles korrekt: Landtagsdebatte um einen Polizeieinsatz in Nürnberg. (Bild: Imago/Zuma/Sachelle Babbar)
Abschiebung

Polizei hat richtig gehandelt

Hat die Polizei bei der geplanten Abschiebung eines jungen Afghanen in Nürnberg korrekt gehandelt? Darüber debattierte der Bayerische Landtag. Trotz der Scharmützel mit den Demonstranten sei alles korrekt gewesen, sagt Innenminister Herrmann.

Das bayerische Innenministerium und die Landtags-CSU haben den umstrittenen Polizeieinsatz bei der geplanten Abschiebung eines Berufsschülers in Nürnberg verteidigt. Der Inspekteur der bayerischen Polizei, Thomas Hampel, rechtfertigte am Mittwoch im Landtags-Innenausschuss den Zeitpunkt des Einsatzes morgens in der Schule und auch das Vorgehen der Polizei. Die Beamten hätten alles richtig gemacht und seien „deeskalierend“ vorgegangen. Er betonte, für die Eskalation seien nicht die Beamten und auch keine Berufsschüler verantwortlich gewesen. Die Gewalt sei eindeutig von Mitgliedern der linksautonomen Szene ausgegangen.

Eskalation durch Linksautonome

Der Einsatz Ende Mai hatte – vor allem weil er an einer Berufsschule stattfand – eine offenbar unberechtigte Welle der Kritik ausgelöst. Schüler und später hinzugekommene Linksautonome hatten die geplante Abschiebung des jungen Afghanen mit einer Sitzblockade und einer spontanen Demonstration verhindern wollen. Dabei kam es zu Tumulten zwischen Demonstranten und der Polizei.

Die Polizei hat sehr umsichtig und klug gehandelt.

Norbert Dünkel, CSU

Hampel berichtete nun, Demonstranten seien Beamten in den Rücken gesprungen, hätten ihnen gegen Knie und Beine getreten und mit Ellenbogen gegen Oberkörper und Gesicht geschlagen. Zudem seien Beamte mit Flaschen und einem Fahrrad beworfen worden. Zwölf Polizisten wurden demnach teils erheblich verletzt, einer verlor einen Zahn.

Gegen 19 Demonstranten werde strafrechtlich wegen Körperverletzung und versuchter Gefangenenbefreiung ermittelt, davon seien 10 dem „linksextremen Spektrum“ zuzuordnen. Unter den bislang identifizierten Tätern befinde sich kein Schüler der betroffenen Berufsschule oder einer anderen Nürnberger Berufsschule. Die Gewalt gegen Polizisten wurde von Vertretern aller Fraktionen scharf verurteilt. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze würdigte den Protest der Mitschüler von Asef N. als „Zivilcourage“, auch der SPD-Politiker Paul Wengert äußerte dafür Verständnis, nicht jedoch für die Aggression der Linksautonomen.

Die Frage, wie die Linksextremen so schnell auftauchen konnten, wurde beantwortet: Ein Schüler, der der linksautonomen Szene angehörte, forderte sie per Smartphone an.

Kein „Schulasyl“

Uneins waren sich die Fraktionen, ob es Abschiebungen aus Schulen geben sollte. Die Grünen und die Freien Wähler lehnen Abschiebungen aus Klassenzimmern ab. Schulze sagte, es sei „unmenschlich und nicht tragbar“, aus Bildungseinrichtungen abzuschieben. „Dadurch wird der Schulfriede massiv gestört.“ Die SPD betonte lediglich, dies müsse das letzte mögliche Mittel bleiben. Peter Paul Gantzer (SPD) sprach sich unter dem Applaus der CSU-Seite gegen eine Art „Schulasyl“ aus, das nicht auch noch neben das Kirchenasyl treten dürfe.

Der CSU-Abgeordnete Norbert Dünkel warf Asef N. vor, Ort und Zeitpunkt der Abholung bewusst provoziert zu haben. Die Polizei habe „sehr umsichtig und klug“ gehandelt. „Abschiebungen aus Schulen bleiben eine absolute Ausnahme“, sagte auch der CSU-Innenexperte Florian Herrmann. Ein generelles Schulasyl lehnt aber auch er ab. „Dennoch ist es vollkommen klar, dass abgelehnte Asylbewerber ohne Duldung wieder in ihre Heimat zurückkehren müssen.“

Ein Blick auf die Fakten zeigt: alles ist ohnehin halb so wild. Nach Angaben der Ministeriumsvertreter war die Abschiebung des Afghanen schon für den Abend geplant. Weil Asef N. nicht zu Hause anzutreffen war, sei man zur Schule gegangen. Wegen der kurzen Frist habe man mit der Ingewahrsamnahme nicht bis nach Schulschluss warten können.

Es waren keine Kollegen der Polizei in irgendwelchen Klassenzimmern.

Thomas Hampel, Inspekteur der bayerischen Polizei

Der Schüler sei aber vom stellvertretenden Schulleiter aus der Klasse geholt worden. „Es waren keine Kollegen der Polizei in irgendwelchen Klassenzimmern“, sagte Hampel. Er betonte zudem, „dass Abschiebungen aus Schulen die absolute Ausnahme sind und auch bleiben sollen“. Dies hatte schon Innenminister Joachim Herrmann bekräftigt.

Afghane hat jahrelang Identität verschleiert

Der Sachgebietsleiter aus dem Innenministerium, Hans-Eckhardt Sommer, rechtfertigte das Vorgehen der Behörden auch damit, dass Asef N. in massiver Form gegen seine Pflichten gegenüber den Behörden verstoßen habe. Er habe jahrelang seine Identität verschleiert und sich während des Asylverfahrens feindselig verhalten. Es sei richtig gewesen, Asef N. den letzten Ablehnungsbescheid erst am Tag der geplanten Abschiebung selbst zu überbringen. Andernfalls hätte man damit rechnen müssen, dass der junge Mann sofort untertauche, sagte Sommer. Asef N. hätte auch wissen können, dass seine Abschiebung bevorstehen könnte – weil Termine für Sammelabschiebungen zumeist schon vorab durchsickerten. Obendrein habe man Asef N. schon im Oktober 2016 schriftlich informiert, dass demnächst die „Beendigung seines Aufenthaltes“ zu erwarten sei.

Dennoch keine Abschiebung?

Die geplante Abschiebung wurde letztlich wegen eines verheerenden Bombenanschlags in Kabul gestoppt. Zwei Gerichte lehnten in der Folge eine Abschiebehaft für Asef N. ab. Gegen ihn wird ermittelt, weil er gegenüber Polizeibeamten gedroht haben soll, in einem Monat sei er ohnehin wieder da „und bringe Deutsche um“. Zwei Verfahren zu Asef N. sind derzeit beim Verwaltungsgericht Ansbach anhängig. Sein Anwalt Michael Brenner versucht dort, per Klage eine Aufenthaltserlaubnis für ihn zu erreichen. Zudem muss das Gericht noch über die Aussetzung der Abschiebung entscheiden. „Solange darüber nicht entschieden ist, gehe ich im Moment nicht von einer Abschiebung aus“, sagte Brenner. Asef N. gehe derzeit weiter zur Schule. „Wir gehen fest davon aus, dass er eine Ausbildung zum 1. September aufnehmen könnte und auch einen Ausbildungsbetrieb findet.“

(dpa/BK)