Namentliche Abstimmung im Bundestag. (Foto: Imago/photothek)
Ehe für alle

Bundestag stimmt zu

Der Bundestag hat der Ehe für Homosexuelle zugestimmt: In namentlicher Abstimmung votierten 393 Abgeordnete dafür, darunter 75 von CDU und CSU. Ob das Gesetz allerdings Rechtskraft erlangt, ist fraglich: Möglicherweise ist es verfassungswidrig.

Der Bundestag hat die sogenannte „Ehe für alle“ mit vollem Adoptionsrecht für homosexuelle Paare verabschiedet: In freier Abstimmung stimmten 393 Abgeordnete für einen Gesetzentwurf des Landes Rheinland-Pfalz, den SPD, Grüne und Linkspartei auf die Tagesordnung gesetzt hatten. 226 stimmten dagegen, vier enthielten sich der Stimme. In namentlicher Abstimmung votierten 75 Abgeordnete von CDU und CSU für das umstrittene Gesetz.

Die Abstimmung war gegen den Willen der Unionsfraktion überstürzt binnen weniger Tage angesetzt worden, nachdem die SPD sich über eine entsprechende Vereinbarung im Koalitionsvertrag hinwegsetzte und das Thema im Schulterschluss mit Linken und Grünen zur Abstimmung brachte. Das Klima in der großen Koalition ist seither schwer belastet, Politiker der Union warfen der SPD wiederholt „Vertrauensbruch“ und sogar „Koalitionsbruch“ vor.

Demonstrativer Schulterschluss von Rot-Rot-Grün

Bereits der frühmorgendliche Antrag, das Thema auf die Agenda des Bundestags zu setzen, zeigte den Schulterschluss von SPD, Grünen und Linkspartei: Die versammelten Linken stimmten geschlossen zu und bejubelten ihr gemeinsames Vorgehen anschließend frenetisch. Für die Debatte standen gerade einmal 38 Minuten zur Verfügung, rund 50 persönliche Statements von Abgeordneten wurden laut Bundestagspräsident Lammert schriftlich eingereicht und dem Protokoll zugefügt.

Ich wundere mich, dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit auf die Seite geschoben wird, als ob das alles nicht so wichtig sei.

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt

Ob die sogenannte „Ehe für alle“ allerdings rechtskräftig wird, ist sehr fraglich: Die Redner der Unionsfraktion, Fraktionschef Volker Kauder (CSU) und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, äußerten starke Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Der Justiziar der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), kündigte bereits eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht an. Möglicherweise wird auch der Freistaat Bayern gegen das Gesetz klagen.

Wundersamer Meinungswechsel von SPD-Minister Maas

Artikel 6 des Grundgesetzes stellt „Ehe und Familie“ unter den „besonderen Schutz des Staates“. Es besteht kein Zweifel daran, dass 1949 unter „Ehe und Familie“ ausschließlich die Ehe zwischen Mann und Frau verstanden wurde. Selbst SPD-Justizminister Maas hatte im Bundestag noch 2014 unter Verweis auf die laufende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterstrichen, dass eine „Ehe“ für Homosexuelle eine Verfassungsänderung voraussetzt. Das Verfassungsgericht hatte noch 2012 formuliert, dass die Institution der Ehe ausschließlich Mann und Frau vorbehalten ist – in anderen Urteilen wird aber auch eine Anpassung der Grundgesetzauslegung an veränderte Lebensrealitäten gestattet.

Es kann nicht sein, dass die Frage, ob etwas verfassungsmäßig ist oder nicht, aus politischer Opportunität beurteilt wird.

Unionsfraktionschef Volker Kauder an die Adresse von SPD-Justizminister Maas

Im Vorfeld der Debatte hatte Maas seine Auffassung allerdings plötzlich geändert. Unionsfraktionschef Volker Kauder kritisierte ihn dafür scharf: „Vorsicht, Herr Minister. Es kann nicht sein, dass die Frage, ob etwas verfassungsmäßig ist oder nicht, aus politischer Opportunität beurteilt wird.“ CSU-Landesgruppenchefin Hasselfeldt sagte an die Adresse von SPD, Grünen und Linkspartei: „Ich wundere mich, dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit auf die Seite geschoben wird, als ob das alles nicht so wichtig sei.“ Mit Blick auf das überstürzte Vorgehen von SPD, Grünen und Linkspartei sowie den plötzlichen Meinungswechsel des Bundesjustizministers kritisierte Hasselfeldt: „Mit meinem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit hat das alles nichts zu tun.“

Ehe von Mann und Frau ist Keimzelle der Gesellschaft

Hasselfeldt und Kauder machten klar, dass es bei der sogenannten „Ehe für alle“ keineswegs um den Abbau von Diskriminierung gehe – dies hatten mehrere Redner von SPD, Grünen und Linkspartei behauptet. Alle Diskriminierungen Homosexueller seien bereits mit der Einrichtung der eingetragenen Lebenspartnerschaften beseitigt worden, so Hasselfeldt und Kauder. Einzig greifbare rechtliche Änderung ist das volle Adoptionsrecht für homosexuelle Partnerschaften.

„In der Ehe geht es nicht nur um das füreinander einstehen“, betonte Hasselfeldt. Die Ehe zwischen Mann und Frau sei die Grundlage für die Familie und damit „nach meiner Einschätzung die Grundlage dafür, dass die Gesellschaft weiter besteht und die Grundlage dafür, dass Kinder geboren werden“. Hasselfeldt sagte, dadurch sei die Ehe zwischen Mann und Frau „die Keimzelle der Gesellschaft und Grundlage für die Ordnung des Staates“. Deshalb stehe Ehe und Familie laut Grundgesetz unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung, betonte die CSU-Landesgruppenvorsitzende in ihrer letzten Rede im Bundestag.

75 Unionsabgeordnete stimmten zu

Der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak sprach für die Unions-Abgeordneten, die der „Ehe für alle“ zustimmten. In Spanien und Frankreich hätten Millionen gegen die Homo-Ehe demonstriert, weil diese dort überstürzt eingeführt worden sei, sagte Luczak. Daher sei es gut, dass der Diskussionsprozess in Deutschland so lang gedauert habe. Die Ehe als Verbindung zweier Menschen auf Dauer sei etwas zutiefst Konservatives. Er persönlich sei für die „Ehe für alle“, nicht obwohl er Christdemokrat sei, sondern gerade weil er Christdemokrat sei.

Nach Auswertung der namentlichen Abstimmung ist klar, dass 75 Abgeordnete von CDU und CSU dem umstrittenen Gesetz zustimmten, unter anderem: Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Maria Böhmer (CDU), der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Bernd Fabritius (CSU), Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die frühere Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU), Finanz-Staatssekretär Jens Spahn (CDU), CDU-Generalsekretär Peter Tauber und die ehemalige Wirtschafts-Staatssekretärin Dagmar Wöhrl (CSU).