Die Schleierfahndung ist ein erfolgreiches Instrument gegen Kriminalität und Terror. Doch die SPD weigert sich, sie bundesweit einzuführen. (Foto: Imago/Michael Schick)
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Gesinnung geht vor Gesetz

Kommentar Die Innenministerkonferenz in Dresden brachte es an den Tag: Sobald es ernst wird mit der Inneren Sicherheit, steht die SPD mit beiden Beinen auf der Bremse. Sogar die bundesweite Einführung der erfolgreichen Schleierfahndung blockieren die Genossen.

Es war Ende Februar, auf dem Höhepunkt des von SPD und linken Medien inszenierten Schulz-Hypes: Der Kandidat beschuldigte die Unionsparteien, an der gefühlten schlechten Sicherheitslage Deutschlands schuld zu sein. Die logisch wie auch grammatisch holprige Argumentation lautete, dass die „neoliberale“ Politik der Union die Polizei und andere Sicherheitsorgane „ausgeblutet“ habe. Er verstehe jeden, der sich angesichts von Alltagskriminalität, Wohnungseinbrüchen und Vandalismus nachhaltig verunsichert fühle, so Schulz.

Die SPD-Argumentation war schon vordergründig falsch: Denn die Chance, im rot-grünen Nordrhein-Westfalen Opfer eines Einbruchs zu werden, liegt sechsmal höher als in Bayern. Den stärksten Abbau von Polizeikräften haben die rot-grünen Pleiteländer zu verzeichnen, die nur durch Personalreduktion die vom Grundgesetz vorgegebene Schuldenbremse einhalten konnten.

Es folgten drei Landtagwahlen, bei denen die Wähler die SPD gnadenlos für ihr Dauer-Versagen abstraften. In dem von No-Go-Areas und Einbruchs-Hochrisikozonen durchsetzten NRW war der SPD-Innenminister Jäger zum Synonym geworden für Inkompetenz der Sicherheitsbehörden und den gefühlten Bankrott des Rechtsstaates. In NRW fehlen nach Schätzungen von Experten mindestens 12.500 Polizisten, um auf die Durchschnitts-Polizeidichte aller Länder zu kommen: Mit 228 Polizisten pro 100.000 Einwohner liegt NRW in diesem Ranking ganz hinten. Bayern hat nicht nur die höchste Polizeidichte aller westdeutschen Flächenländer, sondern auch mit 74 Prozent die höchste Aufklärungsquote aller Länder.

Schulz-Plan aus Ladenhütern und Kuschelpädagogik

Anfang Juni präsentierte der nach den drei schweren Wahlniederlagen angeschlagene SPD-Chef einen Zehn-Punkte-Plan mit Maßnahmen zu Stärkung der Inneren Sicherheit. Dabei handelt es sich allerdings vor allem um eine Ansammlung alter Hüte: Unter anderem verlangen die Genossen sozialpädagogische Prävention für potenzielle islamistische Gefährder. Anders gesagt: Die Schulz-Partei setzt weiter auf Streichelpädagogik statt energischer Verfolgung und Abschiebung.

Eine EU-Polizeibehörde nach dem Vorbild des US-amerikanischen FBI, die Schulz ebenfalls fordert, würde Verantwortlichkeiten verschleiern, demokratische Kontrolle erschweren und das Subsidiaritätsprinzip untergraben, das besagt, dass grundsätzlich diejenige staatliche Ebene ein Problem lösen soll, die am nähesten dran ist.

Ferner will Schulz den Einbau einbruchshemmender Fenster und Türen stärker staatlich fördern – angesichts der grassierenden Einbruchskriminalität nicht mehr als ein Klecks Salbe auf eine klaffenden Wunde. Immerhin hält Schulz die überfällige Ausweitung der Videoüberwachung bei großen Menschenansammlungen für möglich, was die SPD bisher immer ablehnte.

SPD blockiert die Schleierfahndung

Doch was all diese Ankündigungen wert sind, zeigt sich dieser Tage bei der Innenministerkonferenz in Dresden: Die SPD-Innenminister stehen mit beiden Beinen auf der Bremse, wenn es darum geht, wirksame Maßnahmen bundesweit anzuwenden. Paradebeispiel Schleierfahndung. Nur die drei SPD-regierten Länder NRW, Bremen und Berlin verzichten bisher auf die hochwirksame verdachtsunabhängige Personenkontrolle. Bayern hat sie schon 1995 eingeführt – als Antwort auf die Grenzöffnung im Rahmen des Schengen-Vertrags.

Die Erfolge können sich sehen lassen: 150.000 Straftaten wurden mit der Schleierfahndung aufgedeckt, vom Drogendelikt über Menschenschmuggel bis zu Waffenschiebereien. Die künftige schwarz-gelbe NRW-Regierung will sie nun einführen, auch als Konsequenz aus den katastrophalen Kriminalitätszahlen im Land. Doch eine bundesweite Einführung scheitert am Starrsinn der SPD-Minister. So ernst nimmt die SPD also die Sorgen der Bürger, die angesichts von „Alltagskriminalität, Wohnungseinbrüchen und Vandalismus nachhaltig verunsichert“ sind, wie Schulz einst sagte.

Politische Vorstellung siegt über die Realität

Nächstes Beispiel: Bayerns erfolgreicher CSU-Innenminister Herrmann fordert, dass die Sicherheitsbehörden auch jugendliche Terrorverdächtige abhören dürfen – und zwar nur in „extremen Ausnahmesituationen“. Im islamistischen Bereich seien in den vergangenen Jahren auch „Minderjährige“ zu Gewalttaten angestiftet worden oder hätten sich selbst dazu entschlossen, so Herrmann. In solchen Fällen dürfe der Verfassungsschutz aber derzeit keine Daten speichern, sagte er. Es sei „weltfremd“, wenn Ermittler von einem radikalisierten Minderjährigen wüssten, aber wegschauen müssten.

Genauso „weltfremd“ präsentieren sich in Dresden die SPD-Minister. Der rheinland-pfälzische SPD-Innenminister Lewentz nannte Herrmanns Vorschlag „undenkbar“ und „unrealistisch“, er lasse sich mit seiner „politischen Vorstellung nicht vereinbaren“. Was Lewentz und seine SPD-Kollegen ignorieren: Kenner wissen schon lang, dass bestimmte Tätergruppen bewusst Kinder und Jugendliche einsetzen, weil die eben nicht von der Polizei festgenommen oder überwacht werden dürfen. Das Spektrum reicht hier von organisiertem Taschendiebstahl über Ehrenmorde bis zu islamistischem Terror. Schlagendes Beispiel ist die 15-Jährige Islamistin Safia S., die erst jahrelang im Internet aufgehetzt wurde – unter anderem vom Islamisten Pierre Vogel – und dann in Hannover Polizisten mit einem Messer angriff und lebensgefährlich verletzte.